Rund 50 Jahre Musikgeschichte trennen die beiden Werke, die man am Samstagabend, dem zweiten Grafenegg-Abend in diesem Jahr, zu hören bekam. Johannes Brahms trifft auf Ludwig Van Beethoven – so hieß das Doppel, das auch unter ungleichen Vorzeichen stand. Während der sehr junge Brahms noch Mitte der 1850er Jahre seine Handschrift suchte und am Format der Sinfonie vorerst scheiterte, stand Beethovens Sechste von Anfang an als gefeiertes Meisterwerk im Raum.
Hinweis:
Der Brahms-Beethoven-Abend aus Grafenegg ist nachzusehen und -zuhören: Sonntag, 29. August, 20.15 Uhr, ORF III und Sonntag, 5. September, 20.04 Uhr, Radio NÖ. Zu erleben auch auf myfidelio.
Beethoven ist im op. 68 F-Dur ein mehr als reifer Meister, der um den Effekt seiner Einfälle weiß – und ihnen Luft zu Atmen gibt (etwa, wenn er bei der Durchführung auf die Moll-Stufen verzichtet). Brahms dagegen hat in seiner Jugend viele Ideen – und offenbar kompositorisch noch nicht alles so streng geordnet. Einer der Vorzüge seines ersten Klavierkonzerts freilich: alle Instrumentenpartien sind gefordert – und da tritt auch schon mal die Pauke mit dem Klavier in Dialog.
Brahms op. 15 d-Moll, das einst bei der Kritik durchfiel, ist freilich alles andere als ein leichtes Werk. Im Gegenteil. Es erfordert pianistische Höchstform, nicht zuletzt in den temporeichen Passagen. Und es bedarf eines Orchesters, das Effekte in allen Musikgruppen zu setzen weiß – und einer Führung, die gerne Zügel anlegt.
Ein wohldosierter Brahms
Das Hausorchester des einstigen Teatro Communale zu Florenz, das schon Namen wie Riccardo Muti und Zubin Metha in seinen Annalen stehen hat, präsentiert unter dem 31-jährigen Schweizer Dirigenten Lorenzo Viotti einen mehr als klugen Brahms. Dosiert, in den einzelnen Instrumentengruppen schön plastisch, manchmal mit dem Hang zum Elegischen, wo andere schon wieder zur Expression neigen.
Viotti, der für den noch rekonvaleszenten Zubin Mehta (Ehren-Maestro auf Lebenszeit bei den Fiorentinern) eingesprungen ist, beweist Talent und hat neben Buchbinder das Gespür, schon mal dem Meister am Klavier das Tempo machen zu lassen. Das wird klarerweise im zweiten, langsamen Satz deutlich, wo die Solostellung des Klaviers zu jenem Moment wird, wo Buchbinder so etwas wie die Nachwuchsförderung vor 1.700 Zusehern zelebriert. Er macht es aber mit viele Liebe – und am Ende blickt er auch ein Stück weit stolz in den Schlussapplaus, dass diese Last-Minute-Nummer so gut gegangen ist. Und man hier tatsächlich einen wohl dosierten, greifbaren Brahms bekommen hatte.
Eine Prise Pfeffer für den Beethoven
Bei Beethovens „Pastorale“ dominierte eine angenehme Unaufgeregtheit. Weit weg war man an diesem Abend von einem Pathos Marke Karajan, das ja vielen bei Beethovens Sechster immer noch Goldstandard ist. Im zweiten Satz verfiel man vielleicht zu sehr der ländlichen Elegie. Und mitunter klang dieser Beethoven interpretatorisch schon wie ein Verdi. Mit dem dritten Satz war man retour in der Lebhaftigkeit – auch hier schien das Orchester ein bisschen schneller zu wollen als der junge Dirigent im blauen Frack.
Das Maggio Musicale Fiorentino ist ein feinsinniger, deutlich Streicher-lastiger Klangkörper; vielleicht einer, der für die Indoor-Anwendung eine Spur mehr prädestiniert ist als für die Exposition auf dem großen weiten Feld. Der Beethoven war erfrischend. Richtig gut war aber der Brahms. Und wer hätte das gedacht, dass Buchbinder mal mit einem Brahmslächeln auf den Lippen zurück zu seinem geliebten Beethoven blickt. Brahms-Beethoven beim Heimspiel in Grafenegg: 1:0.