Still aus dem Game „Decount“
Rob Ayers/Dysomnia
Pädagogik

Onlinegame für Extremisten

Ein Computerspiel gegen Extremismus? Sowas ist normalerweise extrem peinlich. Man stelle sich einen jungen Islamisten vor, der plötzlich ein Pädagogikspiel cool finden soll. Doch genau das ist der Anspruch einer von Wien ausgehenden, europaweiten Initiative. Man hat versucht, nicht in die Peinlichkeitsfalle zu tappen.

Wie sich „ganz normale“ Jugendliche radikalisieren, stellen sich viele Menschen zu simpel vor. Doch der Prozess ist langsam und komplex – und wird oft von Organisationen beeinflusst, deren psychologisches Geschick man nicht unterschätzen darf. Dessen war man sich auch in der EU-Kommission bewusst und förderte deshalb das Projekt Decount, in dessen Rahmen die Website extremismus.info, ein Spiel und ein Kurzfilm entstanden sind.

Bei den Projektpartnern setzte man auf Player, die nicht erst seit gestern im Spiel sind und nicht weit abseits der tatsächlichen Realität auf den Straßen stehen. Mit an Bord sind das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS), das Österreichische Institut für Internationale Politik (oiip), die Beratungsstelle Extremismus (bOJA), der Verein Neustart, das Netzwerk Sozialer Zusammenhalt (DERAD), die Videospielfirma Bloodirony und die Game-Kultur-Initiative Subotron. Das Ziel: Wirklich evidenzbasierte und für die Zielgruppe Jugendliche und junge Erwachsene attraktive Materialen zur Extremismusprävention zur Verfügung zu stellen.

Still aus dem Game „Decount“
Rob Ayers/Dysomnia
Rob Ayers und Brian Main illustrierten das Game

Interviews mit radikalisierten Jugendlichen

Um das browser-basierte Spiel möglichst realitätsnah zu gestalten, wurden Interviews mit ehemals radikalisierten Personen geführt und Onlinepropaganda extremistischer Organisationen ausgewertet. Für den Kurzfilm etwa arbeitete das Projektteam mit Wiener Schülerinnen und Schülern zusammen, die die Teilschritte des Projekts und die Endprodukte auch testeten. Auch bei der Illustration setzte man nicht auf Zufall und engagierte die erfahrenen Illustratoren Rob Ayers und Brian Main, beim Film waren Uli Neuburg und die Firma frameworld federführend.

Jede Entscheidung zählt

Und worum geht es beim Spiel? Das wird von den Projektbetreibern so beschrieben: „Die vier Protagonisten des Spiels – Marco, Jasmin, Jens und Franziska – sind eigentlich ganz normale Jugendliche. Sie kommen im Spielverlauf in Situationen, in denen sie Entscheidungen treffen müssen. Je nach Entscheidung entwickelt sich ihre Geschichte in eine radikale Richtung – oder eben auch nicht.“

Das Spiel, heißt es, versucht zu vermitteln, dass Jugendliche eine aktive Rolle in der Gestaltung ihres Lebens spielen und dass ihre Entscheidungen Konsequenzen haben. Ziel des Spiels sei es, das kritische Denken zu stärken und ein Bewusstsein für die Mechanismen extremistischer Propaganda zu schaffen.

Szene aus dem Kurzfilm „Decount“
Astrid Eisenprobst
Im Kurzfilm „Das Experiment“ sollen Vorurteile hinterfragt werden und neue Verbindungen entstehen

Wider die spaltende Rhetorik

Der Kurzfilm „Das Experiment“ will wiederum eine positive Alternative zur polarisierenden und spaltenden Rhetorik der Extremisten bieten. Inspiriert wurde er, heißt es von Seiten der Projektbetreiber, von der dänischen TV-Kampagne „All that we share“ und dessen abgewandelte österreichische Variante.

Der Film wird so beschrieben: „Verschiedene Gruppen, von der MA 48 über Kampfsportler bis hin zu einem Musikverein, nehmen in einer Halle Aufstellung. Die Moderatorin Alev Irmak führt durch das soziale Experiment, bei dem Vorurteile hinterfragt werden und neue Verbindungen entstehen.“