Die prorussischen Separatisten behaupteten, sie hätten bereits mehr als 70 Prozent der Stadt unter ihre Kontrolle gebracht. Sjewjerodonezk ist das Verwaltungszentrum in dem von der Ukraine kontrollierten Teil des Gebiets Luhansk. Dort wird seit Tagen gekämpft. Sollten die russischen Truppen die Stadt einnehmen, hätten sie die komplette Kontrolle über die Region Luhansk. Die Einnahme der Gebiete Luhansk und Donezk ist eines der von Kreml-Chef Wladimir Putin ausgegebenen Ziele.
Der ukrainische Gouverneur von Luhansk, Serhij Gajdaj, hatte bereits am Dienstag gesagt, dass der Großteil von Sjewjerodonezk inzwischen unter russischer Kontrolle sei. Trotzdem gäben die ukrainischen Verteidiger nicht auf. 90 Prozent der Gebäude in der Stadt seien beschädigt, bei 60 Prozent lohne sich der Wiederaufbau nicht, sagte er. Es wird erwartet, dass die prorussischen Separatisten mit Moskauer Hilfe ihren Vormarsch in Richtung Westen fortsetzen, um anschließend auch das Gebiet Donezk unter ihre Kontrolle zu bringen.
Kreml: US-Waffenlieferung gießt „Öl ins Feuer“
Unterdessen hat die Ukraine nach den Worten von US-Außenminister Antony Blinken zugesagt, die von Washington versprochenen modernen Raketensysteme nicht für Angriffe auf Ziele in Russland zu nutzen. Die neuen Waffen sollen Kiew aber helfen, seine Verhandlungsposition zu verbessern. Die USA rechneten damit, dass sich Russlands Krieg in der Ukraine über Monate hinziehen werde, sagte Blinken.
Die USA hatten am Dienstag angekündigt, die ukrainischen Streitkräfte mit Mehrfachraketenwerfern auszustatten, die über eine Reichweite von 80 Kilometern verfügen. Die neue Ausrüstung ist Teil eines neuen militärischen Hilfspakets für die Ukraine im Gesamtwert von 700 Millionen Dollar (650 Millionen Euro).
Moskau warf den USA vor, mit den Waffenlieferungen „Öl ins Feuer“ zu gießen, wie Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte. „Die USA behalten ihre Linie bei, mit Russland bis zum letzten Ukrainer zu kämpfen.“ Die Lieferung von Mehrfachraketenwerfern werde die Ukraine nicht dazu bringen, die Friedensverhandlungen wieder aufzunehmen.
Lieferung aus Deutschland dauert
Auch aus Deutschland kommt der Ukraine neue Rüstung zu: Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Lieferung eines modernen Flugabwehrsystems zugesagt. Außerdem werde den ukrainischen Streitkräften ein Ortungsradar zur Verfügung gestellt, das Artillerie aufspüren könne. Bei dem Luftabwehrsystem handelt es sich laut Scholz um IRIS-T des Herstellers Diehl. Damit werde das modernste Flugabwehrsystem geliefert, über das Deutschland verfüge.
Erwartungen, dass das angekündigte Luftverteidigungssystem schnell an die Ukraine geliefert wird, wurden allerdings gedämpft. „Ja, das dauert, und zwar Monate“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock. Demnach sollte das System eigentlich „an ein anderes Land gehen“. Auf Bitten der Regierung werde es nun an die Ukraine geliefert.
Debatte: Wie Frieden erreichen?
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine nimmt kein Ende – eine Lösung ist nicht in Sicht. Wie kann Russlands Präsident Wladimir Putin an den Verhandlungstisch geholt werden? Wie lässt sich Frieden besser durchsetzen: mit militärischer Stärke oder Diplomatie? Wiederholen sich jetzt die Debatten des Kalten Krieges?
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