Die in der Ukraine geborene Owsjannikowa wurde im März bekannt, nachdem sie in der Nachrichtensendung „Wremja“, in der sie als Redakteurin arbeitete, ein Antikriegsplakat hochgehalten hatte, auf dem sie die Zuschauer aufforderte, „der Propaganda nicht zu glauben“. Damals wurde sie wegen Verstoßes gegen die Protestgesetze zu einer Geldstrafe von 30.000 Rubel (486,7 Euro) verurteilt und verlor ihren Job.
Bei der heutigen Verhandlung ging es um Beiträge auf Social Media, in denen sie schrieb, dass diejenigen, die für das Vorgehen Russlands in der Ukraine verantwortlich seien, vor einem internationalen Gericht auf der Anklagebank landen würden. Sie wurde zu einer Geldstrafe von 50.000 Rubel verurteilt, weil sie „die Streitkräfte des Landes in Antikriegsbeiträgen in den sozialen Netzwerken diskreditiert hatte“.
„Prozess soll Menschen einschüchtern“
Vor dem Gericht sagte Owsjannikowa laut der Nachrichtenagentur Reuters, sie verstehe nicht, warum sie dort sei und wofür sie verurteilt werde. „Ihre Anschuldigungen sind so, als würden Sie mich beschuldigen, Affenpocken zu verbreiten“, sagte sie. „Der Zweck des Prozesses ist es, alle Menschen einzuschüchtern, die sich gegen den Krieg in der Russischen Föderation stellen.“
Sie bezeichnete Russland als Aggressorland, den Krieg als „Horror, Blut und Schande“ und sagte: „Der Beginn dieses Krieges ist das größte Verbrechen unserer Regierung.“ Der Anwalt von Owsjannikowa gab an, sie habe das Recht, sich gemäß Artikel 29 der russischen Verfassung, der das Recht auf freie Meinungsäußerung schützt, zu äußern.
Gegenoffensive in Cherson nimmt Fahrt auf
Die ukrainische Gegenoffensive im Gebiet Cherson im Süden des Landes nimmt unterdessen nach britischer Einschätzung Fahrt auf. Mit Hilfe vom Westen gelieferter Artillerie hätten die ukrainischen Streitkräfte mindestens drei Brücken über den Dnipro beschädigt, auf die Russland angewiesen sei, um seine besetzten Gebiete zu versorgen, teilte das Verteidigungsministerium in London mit.
„Ihre Streitkräfte haben höchstwahrscheinlich einen Brückenkopf südlich des Flusses Inhulez errichtet, der die nördliche Grenze des von Russland besetzten Cherson bildet“, hieß es in dem Bericht. Der Inhulez ist ein Nebenfluss des Stroms Dnipro.
Dadurch wirke die russische 49. Armee, die am Westufer des Dnipro stationiert sei, äußerst verwundbar, hieß es aus London weiter. Auch die Stadt Cherson als politisch bedeutendste Stadt unter russischer Kontrolle sei vom Rest der besetzten Gebiete nun so gut wie abgeschnitten. „Ihr Verlust würde die russischen Versuche, die Besetzung als Erfolg darzustellen, ernsthaft untergraben“, betonte das britische Verteidigungsministerium.
Gleichzeitig hieß es aus ukrainischen Regierungskreisen, dass sich Russland offenbar gegen eine ukrainische Offensive im Süden des Landes rüstet. Wie ein hochrangiger Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in der Nacht auf Donnerstag mitteilte, unternimmt Russland eine „massive Verlegung“ von Truppen in Richtung der drei südlichen Regionen Cherson, Melitopol und Saporischschja. Olexij Arestowytsch bestätigte zudem Angaben prorussischer Kräfte, wonach das zweitgrößte Kraftwerk des Landes in russischer Hand ist.
Was ist für Frieden in der Ukraine nötig?
Monate nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine geht der Krieg mit unverminderter Härte weiter. Eine Friedenslösung auf dem Verhandlungstisch scheint nach wie vor in weiter Ferne. Was kann Europa zur Beendigung des Konflikts beitragen? Welche Rolle spielen die Waffenlieferungen des Westens? Wie effektiv sind die EU-Sanktionen gegen Russland? Was ist für den Frieden nötig?
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