Unterdessen sind nach Angaben des israelischen Militärs weiterhin palästinensische Angreifer im Land. „Es gibt immer noch feindliche Kräfte in Israel“, sagte Militärsprecher Daniel Hagari am Sonntagabend, rund 36 Stunden nach Beginn der Attacke aus dem Gazastreifen. Ein Teil der Eindringlinge sei laut Hagari getötet worden, ein Teil sei jedoch noch an Ort und Stelle.
In den vergangenen Stunden dauerten die Kämpfe im Grenzgebiet an. In mehreren Städten mussten sich Menschen erneut vor Raketenangriffen aus dem Gazastreifen in Sicherheit bringen. Das Militär wies Bewohnerinnen und Bewohner von zwei Ortschaften im Grenzgebiet am Abend an, ihre Häuser „aufgrund der Sicherheitslage“ nicht zu verlassen.
Neben verschanzten Gruppen gibt es offenbar viele, die sich im weitläufigen Gelände und in den Ortschaften bewegen. Die israelische Armee ist derzeit fieberhaft mit der Suche nach diesen Kämpfern beschäftigt. Dazu sollen nun alle Orte rund um den Gazastreifen evakuiert werden. Die Hamas behauptet unterdessen, heute neue Kämpfer und Nachschub nach Israel gebracht zu haben.
Zahl der Toten steigt
Derweil steigt die Zahl der Toten durch den Hamas-Großangriff in Israel immer weiter. Laut mehreren übereinstimmenden israelischen Medienberichten ist die Zahl auf mindestens 700 gestiegen. Dazu kommen mehr als 2.000 Verletzte. Laut israelischer Regierung wurden mehr als 100 Menschen entführt. Aufseiten der Palästinenser wurden laut deren Behörden mindestens 413 Menschen getötet. 2.300 Palästinenserinnen und Palästinenser seien zudem verletzt worden.
„Langer und schwieriger Krieg“
Zugleich setzte die Hamas den Raketenbeschuss auf Israel fort. Gegen mehrere Städte, darunter Tel Aviv, gab es in der Nacht auf Sonntag heftige Raketenangriffe. Israels Militär bombardierte im Gegenzug Kommandozentralen der Hamas und griff auch den Libanon an. „Wir beginnen einen langen und schwierigen Krieg“, sagte Israels Premier Benjamin Netanjahu.
Israel beschloss als Reaktion auf die überraschenden Großangriffe der Hamas im Gazastreifen vernichtende Schläge gegen die palästinensische Organisation. Ziel sei, die militärischen und regierungstechnischen Kapazitäten der Hamas und des Islamischen Dschihad so zu zerstören, „dass sie für viele Jahre nicht mehr in der Lage und bereit sind, die Bürger Israels zu bedrohen und anzugreifen“. Unter anderem wurde beschlossen, die Einfuhr von Strom-, Brennstoff- und Warenlieferungen in den Gazastreifen abzuschneiden.
Die erste Phase ende jetzt mit der „Vernichtung des größten Teils der feindlichen Kräfte, die in unser Gebiet eingedrungen sind“, hieß es nach der Sitzung des Sicherheitsrats.
Angriff auf Libanon
Zugleich habe man eine Offensivphase eingeleitet, die ohne Einschränkung so lange fortgesetzt werde, bis die Ziele erreicht seien. „Wir werden die Sicherheit der Bürger Israels wiederherstellen und wir werden siegen“, hieß es. Das Militär bestätigte außerdem, dass es Artillerieangriffe im Libanon durchführte, nachdem dort auf einen israelischen Staatsposten geschossen wurde.
Geiseln befreit
Unterdessen konnten nach israelischen Medienberichten Geiseln, die in einem Haus in Ofakim an der Grenze zum Gazastreifen festgehalten worden seien, von israelischen Soldaten befreit werden. Sie hätten das Gebäude nach stundenlangen Verhandlungen gestürmt und zehn Terroristen getötet, berichteten die Nachrichtenwebsite Ynet und der Sender i24NEWS. Drei israelische Soldaten seien verletzt worden.
Israelische Einsatzkräfte töteten überdies nach einem Medienbericht bei Gefechten in der an den Gazastreifen grenzenden Stadt Sderot mehrere mutmaßliche Hamas-Angehörige bei einer Polizeistation. Wie Ynet am frühen Sonntagmorgen unter Berufung auf die Polizei berichtete, seien nach einem etwa 20-stündigen Gefecht „etwa zehn bewaffnete Terroristen neutralisiert“ worden. Die Polizeistation sei wieder unter Kontrolle gebracht worden, hieß es.
Israelis in Ägypten getötet
In Ägypten wurden zwei israelische Touristen offenbar während einer Führung in der Stadt Alexandria getötet.
Tausende Raketen abgefeuert
Die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas hatte am Samstag tagsüber nach Militärangaben mehr als 3.000 Raketen auf Israel abgefeuert. Gleichzeitig drangen am Morgen bewaffnete Palästinenser über Land, Meer und Luft nach Israel vor. Mehrere Israelis wurden nach Militärangaben in den Gazastreifen verschleppt.
Ein Militärsprecher sprach von einer „erheblichen Zahl“, genaue Angaben hat Israel bisher nicht genannt. Die Hamas, die von der EU, USA und Israel als Terrororganisation eingestuft wird, sprach von Dutzenden Entführten. Der Überraschungsangriff der Hamas startete genau 50 Jahre nach dem Jom-Kippur-Krieg von 1973. Der damalige Angriff feindlicher arabischer Staaten auf Israel am höchsten jüdischen Feiertag gilt als bisher schwerstes nationales Trauma.
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