Der britische Premierminister Rishi Sunak hat den ersten Termin seines Besuchs in Wien absolviert. Nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) traten die beiden Regierungschefs für ein kurzes Statement – ohne Nachfragen – vor die wartenden Journalistinnen und Journalisten.
Nehammer und Sunak betonten die Partnerschaft ihrer Länder. Die Regierungschefs, die einander mehrfach mit Vornamen ansprachen, wiesen überdies auf die gute persönliche Gesprächsbasis hin.
Lob für „Ruanda-Modell“
Nehammer lobte das britische „Ruanda-Modell“, das erst vor Kurzem vom britischen Parlament beschlossen worden war. Dieses sieht vor, dass Menschen, die ohne gültige Papiere nach Großbritannien einreisen, nach Ruanda abgeschoben werden. Dort sollen sie um Asyl ansuchen und sich im Falle eines positiven Verfahrens auch niederlassen.
Bis zu 5.700 Menschen will die britische Regierung noch in diesem Jahr auf diesem Weg außer Landes bringen. Bisher wurde allerdings noch niemand ausgeflogen. Das Vorhaben war auch in Großbritannien selbst umstritten, nicht zuletzt das britische Höchstgericht blockierte lange die Umsetzung.
Großbritannien für Nehammer „Wegbereiter“
Nehammer sprach beim gemeinsamen Pressestatement mit Sunak hingegen davon, dass Großbritannien mit dem „Ruanda-Modell“ ein „Wegbereiter“ für die Europäische Union sei. Österreich und Großbritannien seien „strategische Partner, wenn es darum geht sicherzustellen, dass Asylverfahren in sicheren Drittstaaten stattfinden“, so Nehammer.
Laut dem Kanzler ist das britische Modell ein Weg, um gegen die organisierte Kriminalität vorzugehen und das „Sterben im Mittelmeer“ zu beenden. Innerhalb der EU sei es aber noch ein weiter Weg, so der Kanzler. Erst vergangene Woche hatten 15 EU-Staaten unter der Federführung Österreichs von der Kommission Verschärfungen gefordert. In einem Brief mahnten sie „neue Lösungen“ für eine leichtere Rückführung von Migranten ein.
„In vielen Dingen einig“
Weitere Themen des Gesprächs zwischen Sunak und Nehammer waren der russische Angriffskrieg in der Ukraine, die Lage auf dem Westbalkan und der Konflikt zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas. Sowohl Sunak als auch Nehammer seien der Meinung, dass die Haftanträge des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs „nicht hilfreich“ seien.
Er und Nehammer seien sich in „vielen Dingen einig“, sagte der britische Premier. Er wolle „Karl für seine Führungskraft gratulieren“, so Sunak in Bezug auf Nehammers Linie in der Asylpolitik. „Business as usual“ dürfe nicht weitergehen.
Sunak bezeichnete illegale Migration als „eines der bestimmenden Themen unserer Zeit“. Er kündigte an, das Thema auch auf einer im Juli von Großbritannien veranstalteten internationalen Sicherheitskonferenz auf die Tagesordnung zu setzen.
Europarechtsexperte: Ruanda-Modell in EU schwer umsetzbar
Die rechtliche Umsetzung des britischen Modells in der EU ist derzeit freilich schon rein rechtlich nicht möglich. Dafür wären mehrere Anpassungen im EU-Recht notwendig, sagte der Europarechtsexperte Walter Obwexer gegenüber der APA. Das derzeitige EU-Recht sehe etwa gar keine Asylverfahren in Drittstaaten vor.
Er gab außerdem zu bedenken, dass Personen, die in einen sicheren Drittstaat gebracht werden, eine Verbindung zu diesem haben müssten. Das Kriterium der Verbindung könne zwar aufgehoben werden. „Allerdings müssen auch die EU-Grundrechte beachtet werden“, so Obwexer.