Asmik Grigorian (Salome),
Ruth Walz
„Salome“

Die Rückkehr eines Triumphs

Als letzte szenische Produktion im Festspielprogramm hat am Sonntag die Wiederaufnahme einer Vorjahressensation ihre Premiere gefeiert: „Salome“ in der Inszenierung von Romeo Castellucci. Für drei Abende kehrt die Richard-Strauss-Oper in die Felsenreitschule zurück und mit ihr Asmik Grigorian in der Titelrolle – 2018 als Entdeckung gefeiert, 2019 eine der gefragtesten Sopranistinnen weltweit.

Die „Salome“ war, da schien sich die versammelte Kritikerrunde einig, eine auf allen Ebenen geglückte Opernproduktion. Perfekt abgestimmte Wiener Philharmoniker, von Franz Welser-Möst mit feiner Hand durch die anspruchsvolle Partitur geleitetet, eine hervorragende Besetzung und eine mutige Inszenierung voller Symbolkraft. Und doch schien das alles hinter einer Frau in den Hintergrund zu treten, der Triumph der „Salome“ sollte jener Grigorians werden, und als solcher wiederholte er sich nun auch.

In Interviews sprach die Sängerin zuletzt von ihrer Angst, den Erfolg nicht wiederholen zu können. Völlig unbegründet, wie sich nun herausgestellt hatte – zu donnerndem Applaus fiel Castellucci vor seiner Salome auf die Knie, und sie wiederum Welser-Möst um den Hals.

Asmik Grigorian (Salome),
Ruth Walz
Auf der Bühne wiedervereint: Asmik Grigorian als Salome, Gabor Bretz als Jochanaan

Doch nicht nur sängerisch, auch schauspielerisch stemmt die Litauerin ihre Rolle in Castelluccis sicher nicht einfachster Arbeit scheinbar mühelos, doch so offenkundig das Können der Künstlerinnen und Künstler, so rätselhaft und voller Mehrdeutigkeiten bleibt die Inszenierung Castelluccis.

Der zottelige Prophet aus dem Untergrund

Wobei das Grundsetting in der zugemauerten Felsenreitschule zuerst einmal recht klar ist: einerseits die weiße, vermeintlich unschuldige Salome, andererseits der von Gabor Bretz klar und kraftvoll interpretierte Jochanaan im komplett schwarzen Zottelfell aus dem Untergrund steigend. In der Vorlage als „weißer Prophet“ bezeichnet, sieht Castellucci die Kraft von Jochanaan in seiner Vorwärtsgewandtheit, in seiner Botschaft, in der Fixierung auf ein Wort, das noch keine Bedeutung kennt und keine Gestalt hat – die also konsequenterweise im Dunkeln liegt.

Der Salome begehrende Hauptmann Narraboth (Julian Pregardien) warnt die Prinzessin schön sanft und sehnsuchtsvoll, aber vergeblich vor dem Propheten. Salome hat sich mit ihrer Sehnsucht längst woanders festgebissen, und je mehr Jochanaan sie abweist, umso stärker ihr Verlangen. Salomes lustgetriebener Stiefvater Herodes (John Daszak) verspricht ihr im Gegenzug für einen Tanz ein Geschenk ihrer Wahl – sie fordert den Kopf des Propheten und besiegelt damit ihr eigenes Schicksal.

Asmik Grigorian (Salome)
Ruth Walz
Die Bogenfenster der Felsenreitschule – „stumme, weit geöffnete Münder“ (Castellucci) – bleiben hier verschlossen

Kein Schleier, kein Tanz

Castellucci, in Personalunion für Regie, Bühne, Kostüme und Licht verantwortlich, spielt mit dem Libretto Oscar Wildes und kehrt die Symbolik vor allem in Schlüsselszenen ins Gegenteil um. Einen Schleiertanz würde man vergeblich erwarten – stattdessen wird die Prinzessin in embryonaler Totenstarre von einem Betonklotz zerdrückt. „In ihrer Eigenschaft als Objekt verweigert sich die Figur“, erklärt das Dramaturgin Piesandra di Matteo. „So erlischt der Trieb, wodurch sich neues Potenzial erschließt.“

Hinweis

„Salome“ ist bei den Salzburger Festspielen noch am 28. und am 31. August in der Felsenreitschule zu sehen.

Anstelle des Kopfes erhält sie dann zum Dank den Torso, an den sie ihre große Arie „Ich habe ihn auf den Mund geküsst“ in voller Paradoxie richten wird. Dass „der Kopf von Jochanaan natürlich das Objekt der Begierde darstellt, das definitionsgemäß fehlt“, sei für ihn eigentlich eine logische Schlussfolgerung, so Castellucci im Vorjahr im Interview mit ORF.at. Seinen Wunsch, die Zuschauer mit dem Unbekannten zu konfrontieren und beim Anblick der extremsten Persönlichkeiten auf der Bühne mit eigenen Erfahrung in Kontakt zu bringen, hat er sich mit der „Salome“ eindrucksvoll erfüllt.