Arbeiter in einer Autofabrik
Reuters/Ralph Orlowski
Streit um Grenzwerte

Autokonzerne für niedrigere Klimaziele

In der EU mehren sich die Stimmen, die fordern, die Schadstoffgrenzwerte für Autos deutlich zu senken. Europas Autoindustrie wehrt sich dagegen – und stellt die bereits für 2021 vereinbarten Zielwerte infrage.

Der Dachverband der europäischen Autohersteller, ACEA, kämpft nun für eine Senkung der geplanten Vorgaben für die Jahre bis 2030. „In unserer Branche herrscht große Sorge, ob wir das Ziel für 2021 erreichen, denn das wird natürlich schon kniffelig“, sagte ACEA-Generalsekretär Erik Jonnaert der dpa in Brüssel. Auch deshalb müssten die längerfristigen Ziele „realistisch“ bleiben.

Emissionen steigen wieder

Seit 2009 gilt in der EU die Vorschrift, dass Neuwagen eines Herstellers spätestens 2021 im Durchschnitt nur noch 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen dürfen. Tatsächlich lag der Wert 2017 im Schnitt bei 118,5 Gramm – mit leicht steigender Tendenz. „Trotz der Anstrengungen, die wir als Hersteller unternommen haben, steigen die CO2-Emissionen nun zum ersten Mal“, bestätigte Jonnaert. Grund sei der Abstieg der Dieselfahrzeuge, die weniger verbrauchen als Benziner. Trotzdem versuchten die Hersteller alles, die Vorgaben noch zu erreichen, zumal sonst hohe Strafen fällig würden, betonte Jonnaert.

Der ACEA-Manager lehnte Pläne der EU-Kommission erneut ab, für die Jahre 2021 bis 2030 eine weitere Senkung der CO2-Werte um 30 Prozent vorzuschreiben. Und er warnte das Europaparlament dringend davor, dieses Ziel sogar auf 50 Prozent zu erhöhen. Realistisch seien nur 20 Prozent, meinte Jonnaert. „Natürlich fühlt sich das gut an, auf dem Papier ein hohes Reduktionsziel zu haben, aber wir wollen sicherstellen, dass das, was aufgeschrieben wird, zumindest in unserer Branche auch erfüllt wird.“

Merkel „nicht so glücklich“

Entsprechende Verschärfungspläne dürften aber de facto vom Tisch sein, da die deutsche Kanzlerin Angela Merkel – mit Blick auf die deutsche Leitindustrie – eine Senkung von Grenzwerten ablehnt. Ende August sagte Merkel, sie sei über die von der EU-Kommission empfohlene Verschärfung „nicht so glücklich“.

EU-Energie- und -Klimakommissar Miguel Arias Canete hatte in jüngster Vergangenheit mehrmals betont, dass mit den beschlossenen Instrumenten die EU für 2030 ein höheres Klimaziel erreichen könnte. Canete zufolge sei eine Kürzung der CO2-Emissionen um 45 Prozent möglich statt der bisher als Ziel ausgegebenen 40 Prozent.

„Permanent neue Ziele nicht sinnvoll“

Viele EU-Mitgliedsstaaten erreichten aber schon heute nicht die bisherige Zielmarke, kritisierte Merkel. „Ich finde, wir müssen erst mal die Ziele einhalten, die wir uns gesetzt haben. Das permanente Setzen neuer Ziele halte ich nicht für sinnvoll“, so Merkel fast wortgleich mit dem ACEA-Chef. Auch der deutsche Industrieverband BDI hatte die Überlegungen abgelehnt.

Ihre Regierung arbeite an einem Klimaschutzgesetz zur Erreichung der Ziele bis 2030, sagte Merkel. Das werde schon schwer genug, fügte sie mit Hinweis auf die dann nötige weitere Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen für Sektoren wie Energie und Verkehr hinzu. Sie erwarte jetzt eine schnelle „Einphasung“ der E-Mobilität, also den verstärkten Einsatz von Elektroautos. Die Klimaschutzdebatte ist durch die Trockenheit und Hitze im Sommer wieder angestoßen worden.

Neue UNO-Klimakonferenz in Bangkok gestartet

Auf internationaler Ebene wird versucht, nach dem Ausstieg der USA unter Präsident Donald Trump aus dem Pariser Klimaabkommen einen Rückschritt bei den weltweiten Klimaschutzbemühungen zu verhindern. In Thailands Hauptstadt Bangkok hat am Dienstag eine Klimakonferenz der Vereinten Nationen begonnen. Bei dem sechstägigen Treffen soll der diesjährige Klimagipfel vorbereitet werden, der im Dezember im polnischen Katowice stattfinden wird. Insgesamt werden mehr als 2.000 Delegierte erwartet. Ziel der beiden Konferenzen ist es, die Beschlüsse des Klimagipfels von Paris 2015 in ein festes Regelwerk zu fassen.

Kritik an Untätigkeit

Der amtierende Vorsitzende der Konferenz, Fidschis Ministerpräsident Frank Bainimarama, forderte die mehr als 190 beteiligten Nationen auf, die bisherigen Beschlüsse endlich umzusetzen. „Wir müssen das Abkommen von Paris von Worten zu Taten machen“, sagte er. Viele Fachleute kritisieren, dass der Klimaschutz kaum vorankommt. Bainimarama sagte, das Treffen in Bangkok müsse als „Dringlichkeitssitzung“ genutzt werden.

In Paris hatte die Weltgemeinschaft vereinbart, die globale Erwärmung bei höchstens zwei Grad – möglichst sogar bei nur 1,5 Grad – zu stoppen. Gemeint ist die mittlere Temperatur im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten. Die Ziele erfordern bis 2050 eine Abkehr von Kohle, Öl und Gas sowie einen Umbau der Weltwirtschaft.