Mensch steht auf Gesteinsformation, Milchstraße im Hintergrund
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Astrotourismus

Destination dunkler Himmel

Die Lichtverschmutzung ist derart fortgeschritten, dass die Mehrheit der Weltbevölkerung die Milchstraße nicht mehr mit eigenen Augen sehen kann. Orte mit einer natürlichen Nachtdunkelheit sind zu einer Rarität geworden – und damit zur Basis des Astrotourismus, einer Sparte mit Zukunft, auch in Österreich.

Die stete Lichtglocke über den Städten verursacht eine Störung des menschlichen Melatoninhaushalts und damit des natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus. In Mitleidenschaft gezogen werden auch zahlreiche Tierarten, etwa Fledermäuse und Vögel, selbst Bäumen kann ihre jahreszeitliche Orientierung abhanden kommen. Seit mehreren Jahren debattiert die UNESCO über die Aufnahme von astronomisch besonderen Stätten in das Welterbe.

„La Palma Deklaration“ als hehres Ziel

In der 2007 verabschiedeten Deklaration zum Schutz des Nachthimmels und des Sternenlichts, bekannt unter „La Palma Deklaration“, wurde das Recht auf einen natürlich dunklen Nachthimmel als unveräußerliches Menschenrecht festgehalten. Ein hehres Ansinnen, doch vielerorts reine Utopie. Über 80 Prozent der Bevölkerung, in den USA und Europa sogar 99 Prozent, leben unter einem mehr oder weniger lichtverschmutzten Himmel.

Europa ist generell der Kontinent mit den schlechtesten Bedingungen für astronomische Beobachtungen, wie aus dem 2001 erstmals erschienenen Atlas der Lichtverschmutzung hervorgeht. Dunkle Regionen seien noch am ehesten im äußersten Norden und Süden zu finden.

Sterne am Himmel
project nightflight
Der Sternenweg Großmugl ist ganzjährig begehbar

Großmugls schlichtes Konzept

Österreichisches Aushängeschild des Astrotourismus ist die kleine Gemeinde Großmugl im Weinviertel. Über dem Leeberg, einem Hügel aus der Hallstattzeit, lässt sich der Nachthimmel weitgehend ungetrübt beobachten. Obwohl Wien nur 35 Kilometer Luftlinie entfernt ist, herrscht hier kaum Lichtverschmutzung – die hügelige Landschaft dazwischen bildet eine natürliche Barriere, wie Karoline Mrazek gegenüber ORF.at sagte. Mrazek ist Gründungsmitglied der Astrofotografengruppe Project Nightflight, die den Sternenweg Großmugl konzipiert hatte, im Mai 2014 erfolgte die Öffnung.

Nicht versierte Hobbyastronomen sollen hier erhellt werden, sondern all jene, denen die Himmelserscheinungen weitgehend fremd sind – gesetzt wird dabei auf wartungsfreie und selbsterklärende Installationen entlang des 1,5 Kilometer langen Weges. Ausflügler, oft mit Kindern, machen den Großteil der Besucher aus, geöffnet ist ganzjährig. Wobei der Zustrom stark eventabhängig sei, wie Mrazek sagte: Perseiden, Kometenschauer und Mondfinsternisse würden stets Hunderte anlocken, vor allem aus dem nahe gelegenen Wien.

Beleuchtetes Zelt unter Sternenhimmel
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Ein Blick wie dieser bleibt den meisten Menschen zeitlebens verwehrt

Durch die internationale Vernetzung von Project Nightflight erlangte Großmugl über Österreich hinaus Bekanntheit als der weltweit erste Themenweg, der Besuchern die Himmelsbeobachtung mit freiem Auge näherbringt. Das Konzept fand Nachahmer – 2016 wurde in Tennessee, USA, der Harrison Bay Star Walk eröffnet, der dem Sternenweg in Niederösterreich nachempfunden ist.

Kärntner Teleskophochburg

Ein alteingesessener astrotouristischer Betrieb findet sich in Kärnten: Sattleggers Alpenhof auf der Emberger Alm betreibt seit 1990 eine eigene Feriensternwarte und bietet zweimal wöchentlich Sternführungen. Hier findet im Herbst jährlich das Internationale Teleskoptreffen (ITT) statt, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern kommen die Höhenlage von fast 1.800 Metern und das völlige Fehlen von Fremdlicht entgegen.

„Astrotourismus ist jede Art von Tourismus, die das Beobachten des Nachthimmels oder den Besuch von astronomischen Einrichtungen wie Observatorien umfasst. Im weiteren Sinn handelt es sich um Ökotourismus, wo der Einklang mit der Natur im Vordergrund steht“, sagte unlängst John Barentine gegenüber der „New York Times“. Barentine ist Öffentlichkeitsdirektor der International Dark-Sky Association, einer gemeinnützigen Organisation mit Sitz in Arizona, die sich der Bekämpfung der Lichtverschmutzung und der Bewahrung des dunklen Himmels verschrieben hat.

Sonnenfinsternis-Souvenirs und Buttons
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Die totale Sonnenfinsternis von 2017 war nur auf dem US-amerikanischen Festland zu sehen

Planetarium auf hoher See

Potenzial für einen Aufschwung des Tourismuszweiges scheint gegeben, einige Reisebüros haben sich inzwischen darauf spezialisiert. Im Angebot sind etwa Reisen zu Himmelsereignissen, die nur an bestimmten Orten sichtbar sind. Im August des Vorjahres kam in den USA der Verkehr streckenweise zum Erliegen, als sich Millionen auf den Weg machten, um einen möglichst ungetrübten Blick auf die erste Sonnenfinsternis seit 38 Jahren zu ergattern. Im Sommer dieses Jahres stach erstmals die „Viking Orion“ in See – das Kreuzfahrtschiff ist mit einem Hightech-Planetarium ausgestattet, ein Astronom bietet Vorträge und Sternführungen.

Ökonomisch und ökologisch verträglicher lässt sich der Sternenhimmel etwa auf den Kanaren beobachten – für gewöhnlich schattet eine Wolkendecke das Licht der Touristenhochburgen an der Küste ab, wodurch der Sternenhimmel in den Höhenlagen der Inseln dunkel bleibt. Am bekanntesten sind das Observatorium Roque de los Muchachos auf Palma und das Teide-Observatorium auf Teneriffa – hier befinden sich Sonnenteleskope und Nachtteleskope von Dutzenden Einrichtungen aus aller Welt. Eine Attraktion findet sich auch in Portugal: Das Sternenschutzgebiet Dark Sky in der Region Alentejo erstreckt sich über 3.000 Quadratkilometer, durchschnittlich werden hier 286 wolkenlose und sternenklare Nächte im Jahr vermerkt.

Sternenhimmel
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Sternentouristen suchen sich Orte als Reiseziel, an denen sich das Firmament besonders gut betrachten lässt

Namibias makelloser Nachthimmel

Nirgendwo aber ist der Nachthimmel dunkler und klarer als in Namibia, mehrere Farmen haben sich auf die Unterbringung astronomieinteressierter Gäste spezialisiert. Fast gleichwertig sind die Konditionen in der Atacama-Wüste im Norden Chiles – hier finden sich zehn der 25 weltweit größten Teleskope. Das Paranal-Observatorium auf dem Berg Cerro Paranal etwa wird von der Europäischen Südsternwarte (ESO) betrieben und ist Standort des Very Large Telescope (VLT) – eines der leistungsstärksten der Welt.

Dass es keiner Superlative bedarf, um sich am Sternenhimmel zu erfreuen, beweisen die heimischen Destinationen. Anklang finden sie auch international: Unlängst zeigte sich ein japanisches Reisebüro sehr interessiert am Sternenweg Großmugl, sagte Project-Nightflight-Gründerin Mrazek. Die anhaltende Umwelt- und Luftverschmutzung dürfte die Nachfrage nach Naturbelassenheit und damit auch nach Astrotourismus noch deutlich erhöhen.