Polizeikräfte
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Messerangriff in Chemnitz

Polizei sucht nach drittem Verdächtigen

Mehr als eine Woche nach der tödlichen Messerattacke in der deutschen Stadt Chemnitz wird jetzt nach einem weiteren Tatverdächtigen gefahndet. Gegen den 22-jährigen Mann wurde am Dienstag Haftbefehl erlassen. Auch zu den zwei bereits inhaftierten Verdächtigen gibt es neue Erkenntnisse.

Bei dem Mann soll es sich laut Angaben der sächsischen Staatsanwaltschaft um einen Asylwerber aus dem Irak handeln. Der Polizei zufolge habe er sein gewohntes Umfeld verlassen. Sie bat um Hinweise zum Aufenthaltsort und rief zur Vorsicht auf, da der Mann bewaffnet sein könnte.

Die Hinweise auf den nun Gesuchten hätten sich durch Aussagen von Zeugen und eines der anderen Verdächtigen ergeben. Zunächst habe der Name des dritten Tatverdächtigen überprüft werden müssen, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Wo der Mann zuletzt gemeldet war, konnte die Sprecherin nicht sagen.

Herkunft der Tatverdächtigen nicht geklärt

Wegen des Messerangriffs auf einen 35-Jährigen in der Vorwoche wurden bereits zwei Männer festgenommen. Bisher wurden die beiden als Iraker und Syrer bezeichnet – jetzt gibt es jedoch Zweifel an der Identität der Männer.

Das deutsche Innenministerium teilte am Dienstag mit, dem mutmaßlichen Syrer sei im September 2015 „im schriftlichen Verfahren die Anerkennung als Flüchtling gewährt“ worden. Seine Angaben zur Identität beruhten auf einer Selbstauskunft. Das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sei aktuell dabei, diese Angaben „im Rahmen des laufenden Widerrufsverfahrens“ zu verifizieren.

Der andere Tatverdächtige wiederum habe bei der Anhörung im Asylverfahren im November 2017 einen irakischen Personalausweis sowie weitere Dokumente vorgelegt, die sich später als „Totalfälschungen“ entpuppt hätten, hieß es. Das Ergebnis der dokumententechnischen Überprüfung durch das BAMF lag den Angaben zufolge allerdings erst im Juni 2018 vor. Der Asylantrag des Mannes wurde inzwischen abgelehnt, dieser Bescheid ist jedoch noch nicht rechtskräftig.

Seehofer räumt Fehler ein

Wie bereits zuvor bekanntgeworden war, war der Iraker bereits im November 2015 als Asylbewerber nach Deutschland gekommen. Eine Rücküberstellung nach Bulgarien, wo er zuvor registriert worden war, wäre zwar grundsätzlich möglich gewesen. Dass das nicht geschah, ist nach bisherigen Informationen auf Versäumnisse der Ausländerbehörde zurückzuführen.

Deutschlands Innenminister Horst Seehofer (CSU) sagte, dass die Kommunikation zwischen der zuständigen Behörde und dem BAMF „besser“ sein hätte müssen: „Solche Verzögerungen und Fehler müssen wir in der Zukunft verhindern.“ Seehofer räumte zudem ein, dass auch die Untersuchung der von dem Mann vorgelegten Dokumente „zu lange gedauert“ habe.

Haftbefehl-Leak beschäftigt Politik

Mit dem Fall Chemnitz befasste sich am Dienstag auch der Verfassungs- und Rechtsausschuss des sächsischen Landtags. Die Linksfraktion forderte im Anschluss vor allem mehr Aufklärung darüber, unter welchen Umständen einer der Haftbefehle ins Internet gelangen konnte. Ein Justizbeamter hatte zugegeben, das Dokument an die Öffentlichkeit gegeben zu haben.

Rechte Demo in Chemnitz
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Am 1. September demonstrierte die AfD gemeinsam mit PEGIDA

Die Grünen forderten nach den Ausschreitungen in Chemnitz von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) eine klare Strategie gegen Rechtsradikalismus. Nötig sei ein runder Tisch zu Rechtsextremismus sowie eine Stärkung der Jugendarbeit und von Demokratieprojekten.

Zudem müssten die Jugendarbeit und Demokratieprojekte gestärkt werden. „Es genügt nicht mehr, nur die Symptome auf der Straße einzugrenzen und mühsam und mit viel Polizei Recht und Ordnung herzustellen“, erklärte die Vorsitzende der Grünen in Sachsen, Christin Melcher, am Dienstag in Dresden. Ein Ministerpräsident, der ernsthaft die Probleme im Land angehen wolle, „muss jetzt vor allem gesellschaftspolitisch aktiv werden“.

AfD-Vizefraktionschefin kritisiert Konzertbesucher

Nach der Tötung des 35-Jährigen kam es in den vergangenen Tagen in der sächsischen Stadt mehrfach zu Demonstrationen von Rechtsgerichteten, Neonazis und Gegnern der Flüchtlingspolitik der deutschen Regierung, sowie zu Gegenprotesten. Es gab auch Angriffe auf Ausländer.

Zuschauer in Chemnitz
APA/dpa/Sebastian Willnow
Die AfD-Vizin kritisierte die Konzertbesucherinnen und -besucher scharf

Der gemeinsame Demonstrationszug von AfD und PEGIDA am Samstag gibt auch der Debatte über eine Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz neue Nahrung. Unterdessen kritisierte AfD-Vizefraktionschefin Beatrix von Storch die Besucherinnen und Besucher eines Gratiskonzerts gegen Fremdenhass unter dem Motto „#wirsindmehr“. Auf Twitter schrieb Storch: „Ihr seid nicht mehr. Ihr seid Merkels Untertanen, ihr seid abscheulich – und ihr tanzt auf Gräbern.“ Dieser Tweet wiederum löste im Netz zahlreiche empörte Reaktionen aus.