Schulkinder mit Schultaschen und Schultüte
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Einschulung

Neue Chancen statt „Ernst des Lebens“

Es ist ein aufregender Tag für Taferlklassler: Das Schulgebäude ist viel größer als der vertraute Kindergarten und die meisten darin herumlaufenden Kinder größer als man selbst. Dazu Eltern und Großeltern, die ihre Anspannung nur schlecht verbergen können und in einer Tour Fotos machen.

Mit der Einschulung fängt ein neuer Lebensabschnitt an. Während die Pflichten eines Kindergartenkindes noch eher überschaubar sind, muss ein Volksschulkind pünktlich in der Schule ankommen, einen großen Teil des Vormittags ruhig sitzen und am Nachmittag Hausaufgaben machen. Herausforderungen, die zumindest zum Teil auch die Eltern betreffen, die jetzt Eltern eines Schulkindes sind.

Als „kritisches Lebensereignis“ bezeichnet Christiane Spiel, Bildungspsychologin an der Uni Wien, die Einschulung – „es sollte jedoch unbedingt ein positives sein“. Die Aufgabe der Eltern dabei: „die Freude am Lernen, die Neugier auf Neues unterstützen und die Sicherheit vermitteln, dass das Kind es schaffen wird“. Eltern seien häufig selbst aufgeregt, „denn jeder hat Erinnerungen an die Schule, positive und weniger positive, die in so einer Situation wieder präsent werden“. Wichtig sei, negative Erinnerungen nicht an die Kinder weiterzugeben.

Lauter neue Gesichter

Während die Kinder in kleinen Ortschaften auf dem Land oft gemeinsam vom Kindergarten in die Volksschule wechseln, werden in Städten aufgrund der Auswahl an Volksschulen häufig Kinder eingeschult, die kein einziges anderes Kind der Klasse kennen. Ein Nachteil ist das aber nicht unbedingt.

Blick durch eine Klassentüre zeigt Volksschüler in einer Schulklasse
ORF.at/Carina Kainz
Rund 85.100 Kinder wurden in diesem Schuljahr eingeschult

„Der Übergang vom Kindergarten auf die Schule ist ohne Zweifel leichter, wenn ich diesen mit meinen Freundinnen und Freunden gemeinsam machen kann“, so Spiel, denn das Einstellen auf viele neue Menschen sei sicher eine zusätzliche Herausforderung. „Gleichzeitig wird dadurch aber der Aufbau eines neuen Freundeskreises ermöglicht. Damit wird man auf ähnliche Situationen im späteren Leben vorbereitet. Die bisherigen Freundschaften aus dem Kindergarten sollten natürlich weiter gepflegt werden.“

Eine Schule, viele Sprachen

Ein Schlüsselerlebnis ist die Einschulung für viele Kinder auch in Bezug auf die eigene Sprache – „ein auslösendes Moment der Irritationen in Bezug auf das eigene Sprachrepertoire“, wie die Linguistin Brigitta Busch in ihrem Buch „Mehrsprachigkeit“ schreibt. Das kann Kinder betreffen, deren Familiensprache eine andere als die Unterrichtssprache ist, aber auch alle anderen, deren Sprache sich irgendwo zwischen Dialekt und Standarddeutsch bewegt.

„Für die einen ist es die Erfahrung, im Unterricht zum ersten Mal mit der Normativität von Standardsprache konfrontiert zu werden. Für andere besteht die Herausforderung umgekehrt darin, mit einer standardnahen Familiensprache auf eine Peergroup zu stoßen, die sich beispielsweise über einen lokalen Dialekt definiert“, schreibt Busch. „Wieder andere werden bei Schuleintritt in eine Umgebung versetzt, in der sie so gut wie nichts verstehen und sich kaum verständlich machen können. Und einige stellen mit Erstaunen fest, dass andere Kinder nur eine Familiensprache haben und nicht wie sie selbst eine Mutter- und eine Vatersprache.“

Nicht jeden Tag nach Sternchen fragen

Die Schule kann also ganz schön viel Neues bringen. Damit die Vorfreude in Freude und nicht in Abneigung umschlägt, rät Spiel Eltern, ihr Kind nicht jeden Tag zu fragen, ob es alles richtig gehabt und „genug Sternchen“ bekommen hat. „Das erzeugt Stress und es besteht die Gefahr, dass die Freude am Lernen und der Schule abnimmt, insbesondere bei Kindern, die nicht so erfolgreich sind.“ Wollen Eltern, dass die Kinder ihnen von der Schule erzählen, dann sollten sie im Gegenzug von ihrer Arbeit erzählen, rät die Bildungspsychologin: „Was sie gemacht haben, was ihnen Freude bereitet hat, was besonders gut gelungen ist und auch was weniger gut gelaufen ist.“

Auch der Umgang mit Frustration sei eine Herausforderung, bei der Kinder die Einfühlsamkeit und Unterstützung der Eltern gut gebrauchen können. Denn oft bekommen Kinder zu Hause viel Lob für ihre Leistungen und erleben erst in der Schule „dass sie nicht alles verstehen und können und anderen Kindern das Lernen leichter fällt“, so Spiel.

Grafik zu den Schüler und Schülerinnen im Schuljahr 2018/19 (Zahlen gesamt und in ausgewählten Schultypen)
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Statistik Austria

Auch Große können Unterstützung brauchen

Auch wenn es nur einen allerersten Schultag im Leben gibt, so kommen auch nach der Volksschule noch erste Tage an einer neuen Schule, die durchaus aufregend sein können. Denn auch mit dem Übertritt in Neue Mittelschulen (NMS) und Allgemeinbildende höhere Schulen (AHS) gibt es viele Veränderungen. Die „große Umstellung“ sei hier, „dass man in jedem Fach eine andere Lehrperson hat, die nicht weiß, was in den anderen Stunden gemacht wurde, welche Leistungen die Kinder dort erbringen mussten, welche Aufgaben sie bekommen haben“, sagt Spiel. Damit gebe es keine klare Bezugsperson mehr, sondern viele Lehrpersonen, die unterschiedliche didaktische Konzepte haben und unterschiedliche Anforderungen stellen.

In höheren Schulstufen tritt dann laut der Bildungspsychologin ein ganz anderes Problem auf: Schülerinnen und Schüler wissen mehr und arbeiten meist mehr für die Schule, die Noten sind aber meist schlechter. „Wenn man das auf den Arbeitsmarkt überträgt, würde das heißen: Man kann mehr, arbeitet länger, bekommt jedoch weniger Geld“, so Spiel. Die Konsequenz sei, dass viele Schülerinnen und Schüler frustriert sind. Spiel rät Eltern in diesem Fall, ihren Kindern die Notwendigkeit von Wissen und Kompetenzen, aber auch von erfolgreichen Abschlüssen für den Arbeitsmarkt und das spätere Berufsleben zu vermitteln.

Der viel zitierte „Ernst des Lebens“

Nicht nur Volksschulkinder, auch Teenager können also die Unterstützung ihrer Eltern brauchen. Und ganz egal, wie alt die Kinder sind: Von der viel zitierten Floskel vom „Ernst des Lebens“ rät Spiel ab. „Ob das Leben fröhlich oder ernst ist, das haben wir selbst – zumindest großteils – in der Hand. Und zwar über das ganze Leben.“ Und auch wenn Optimismus alleine nicht reiche, um Herausforderungen zu bewältigen, „so hilft er uns doch, uns ihnen zu stellen“.