Boris Johnson
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Ehebruch und „Brexit“

Schlammschlacht um Boris Johnson

Der britische Ex-Außenminister Boris Johnson ist immer für eine Polarisierung gut – nun treibt er mit scharfer Kritik am „Brexit“-Kurs der Regierung einen Keil in die eigene Partei. „Widerlich“ sagen die einen, eine Schmutzkübelkampagne der Regierung vermuten die anderen. Daneben macht auch noch ein vermeintlicher Ehebruch Johnsons Schlagzeilen.

Ein Ende der frostigen Stimmung bei den britischen Torys ist nach der Debatte über Johnsons Kolumne in der britischen Zeitung „Mail on Sunday“ nicht in Sicht. Darin schrieb der Verfechter eines harten „Brexits“, dass Theresa Mays Plan der britischen Verfassung eine „Sprengstoffweste“ umlege und den Auslöser in die Hand von EU-Verhandlungsführer Michel Barnier gebe.

Die Idee eines weichen „Brexits“ bezeichnete er als „Erniedrigung“. Ein Sprecher der Premierministerin sagte am Montag, dass man dem Kommentar keinen weiteren „Sauerstoff“ geben wolle. May sei auf die Verhandlungen fokussiert, so der Sprecher.

Britische Premierministerin Theresa May
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Theresa Mays „Brexit“-Kurs legt der britischen Verfassung Boris Johnson zufolge eine „Sprengstoffweste“ um

„Das politische Ende von Boris Johnson“

Bei einigen Torys sorgte Johnsons Wortwahl für Entsetzen. Etwa zwölf Abgeordnete der Konservativen kündigten am Montag an, für den Fall, dass er Premierminister werde, zurückzutreten. Eine Zukunft im Kabinett des ehemaligen Londoner Bürgermeisters Johnson schloss auch die ehemalige Bildungsministerin Nicky Morgan aus.

Johnsons Äußerungen gehörten zu den „widerlichsten Momenten in der modernen britischen Politik“, tweetete Alan Duncan, Staatsminister im Außenministerium, am Wochenende. „Es tut mir leid, aber das ist das politische Ende von Boris Johnson. Wenn nicht jetzt, dann werde ich dafür sorgen, dass es später passiert.“

Alistair Burt, der ebenfalls im Staatsministerium arbeitet, sagte: „Es gibt keine Rechtfertigung für so eine abscheuliche, unangebrachte und schmerzhafte Analogie.“ Der Kritik schloss sich auch Innenminister Sajid Javid an, der im Interview mit der BBC sagte, dass es wesentlich bessere Wege gebe, seine Differenzen zu artikulieren.

„Torys im Bürgerkrieg“

In Reaktion auf die überbordende Kritik mancher Torys titelten britische Medien – mitunter „The Guardian“, „Financial Times“ („FT“) und „The Independent“ – „Torys im Bürgerkrieg“ oder „Schlacht um die Zukunft der konservativen Partei“. Die Diskussion um Johnsons Sager würde laut Berichten einen weiteren Keil in die Tory-Partei, die ob der Diskussion um einen weichen oder harten „Brexit“ ohnehin in Lager geteilt ist, treiben.

Die „FT“ sowie der „Guardian“ deuteten Johnsons Bemerkung als Kampfansage auf das Amt des Premierministers. Johnson selbst befeuerte am Montag die Gerüchteküche, nachdem er in einer Kolumne im „Daily Telegraph“ vorschlug, Großbritannien solle dem Beispiel von US-Präsident Donald Trump folgen und Steuern kürzen.

Affäre mit PR-Expertin?

Ebenso scharfe Töne folgten aus dem Lager der Befürworter eines harten „Brexits“ sowie Verbündeten Johnsons. Die als konservativ geltende Tageszeitung „Daily Telegraph“ zitierte Freunde und Verbündete Johnsons, die die britische Regierung unter May einer Verschwörung bezichtigten. Das Team rund um May hätte bereits 2016 schmutzige Details aus Johnsons Privatleben gesammelt und damals im Zuge der Tory-Führungsdebatte eine Kampagne gegen ihn geplant.

Boris Johnson mit Ehefrau Marina im Jahr 2016
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Boris Johnson und Marina Wheeler lassen sich nach 25 Jahren Ehe scheiden

Die Anschuldigungen folgen mitunter auch auf die Nachricht vom Freitag, dass sich Johnson und Marina Wheeler nach 25 Jahren Ehe scheiden lassen wollen. Grund für die Trennung sollen der „Sun“ zufolge Johnsons Seitensprünge sein. Allen voran wird in „The Sun“ und der „Daily Mail“ eine vermeintliche Affäre zwischen Johnson und einer 30-jährigen PR-Expertin der konservativen Partei genannt.

Bei der Geliebten soll es sich um Carrie Symonds handeln, die bereits 2012 für seine Kampagne zur Wiederwahl als Londoner Bürgermeister arbeitete. Die „Sun“ zitierte Quellen, die Johnson und Symonds mehrere geheime Dates in der britischen Hauptstadt nachsagen. Im selben Artikel steht auch, dass seine Tochter Lara Johnson ihn als „selbstsüchtigen Bastard“ bezeichnet haben soll.

Britische Premiers scheitern an Verhältnis zur EU

Für Aufsehen sorgte am Montag zudem eine Aussage des konservativen Ex-Regierungsmitglieds Steve Baker, wonach etwa 80 der 315 konservativen Abgeordneten gegen Mays „Brexit“-Plan stimmen würden. Andere Konservative waren bisher von weniger Abtrünnigen ausgegangen.

Knapp drei Wochen vor dem Parteitag der Torys warnte der „Brexit“-Hardliner Baker May vor großen Problemen bei dem Treffen. Wenn May darauf baue, ihre Pläne im Parlament mit den Stimmen der gegnerischen Labour-Partei durchzusetzen, riskiere sie eine „katastrophale Spaltung“ der Torys. Der Streit über das Verhältnis der Briten und Britinnen zur EU hat schon zum Scheitern von drei konservativen Premierministern beigetragen: David Cameron, John Major und Margaret Thatcher.

Sondersitzung am Donnerstag

Großbritannien soll die EU zum 29. März 2019 verlassen, doch die Bedingungen sind bisher weitgehend offen. Der nach dem Regierungslandsitz Chequers benannte Plan von May sieht einen wirtschaftsfreundlichen „Brexit“-Kurs vor. Dazu gehört die Schaffung einer Freihandelszone mit der EU für Güter sowie weiter enge Beziehungen zur EU.

May hoffe im Parlament auf Unterstützung für ihr Vorhaben, sagte ein Sprecher der Premierministerin am Donnerstag. Der Chequers-Plan sei derzeit die einzige Option, betonte er.

Gegner des Vorhabens führen als Begründung an, dass mit Mays Plan Teile der britischen Wirtschaft weiterhin von Brüssel festgelegten Regeln unterworfen wären. Sollte das Parlament die Zustimmung nach einer Einigung Mays mit der EU verweigern, droht ein „Brexit“ ohne Folgevereinbarungen für die Beziehungen zur verbleibenden Staatengemeinschaft. Zur Vorbereitung eines solchen „No Deal“-Szenarios kommt dem May-Sprecher zufolge das Kabinett am Donnerstag zu einer Sondersitzung zusammen.