Michel Barnier
APA/AFP/Emmanuel Dunand
Michel Barnier

„Brexit“-Vertrag könnte bald stehen

„Brexit“-Chefverhandler Michel Barnier hat sich am Montag zuversichtlich zu den Einigungschancen in Gesprächen mit London gezeigt. „Wenn wir realistisch sind, können wir eine Einigung auf die „Brexit“-Vereinbarung innerhalb von sechs oder acht Wochen erzielen“, sagte Barnier am Montag beim Bled Strategic Forum (BSF).

Zum Auftakt des Treffens in Slowenien, an dem alljährlich zahlreiche Fachleute und Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker aus aller Welt teilnehmen, hielt Barnier eine aktuelle Fassung des „Brexit“-Abkommens in die Höhe und zeigte die in grün markierten – also zwischen Brüssel und London akkordierten – Passagen. „Etwa 80 oder 85 Prozent sind vereinbart“, sagte der frühere französische EU-Kommissar. Um das Abkommen noch rechtzeitig vor dem Austrittsdatum am 29. März 2019 ratifizieren zu können, sei eine Einigung bis Anfang November nötig. „Ich glaube, das ist möglich“, sagte er.

Lob für Mays „Brexit“-Weißbuch

Auf die Frage nach den offenen Punkten hob Barnier drei hervor, jene der rund 3.000 geschützten Ursprungsbezeichnungen, die Brüssel von London akzeptiert sehen will, die genauen Modalitäten der Zollunion sowie die Irland-Frage. In dieser Frage gebe es das „größte Risiko des Scheiterns“, sagte Barnier, der das kategorische Nein der EU zu Grenzkontrollen auf der Grünen Insel bekräftigte. Stattdessen sollen künftig jene Mechanismen genützt werden, die schon jetzt in Nordirland für veterinäre Kontrollen von Gütern aus Großbritannien zur Anwendung kommen.

Überraschend deutlich lobte Barnier das von der britischen Premierministerin Theresa May im Juli vorgestellte „Brexit“-Weißbuch als „nützlich, weil es die Wünsche des Vereinigten Königreiches klar definiert“. Auch habe man in vielen Bereichen Übereinstimmung erzielt, etwa bei der Außen-, Verteidigungs- und Innenpolitik, berichtete Barnier. Allerdings bekräftigte er sein Nein zum britischen Wunsch, weiter Teil des Binnenmarktes zu sein – ohne zugleich die Personenfreizügigkeit zu akzeptieren.

„Entweder ist man draußen oder drinnen“

„Was das Vereinigte Königreich möchte, widerspricht meinem Mandat. Man kann keinen freien Warenverkehr bekommen ohne die Personenfreizügigkeit“, unterstrich Barnier. Dabei gehe es nicht um „Dogmatismus“ oder eine „Bestrafung“ Londons, sondern um den Schutz des EU-Binnenmarktes, der in den vergangenen vier Jahrzehnten gerade auch unter großem Einfluss Großbritanniens aufgebaut worden sei. „Wir müssen auch fair gegenüber Norwegen und einigen anderen Drittstaaten sein, die diese Regeln akzeptiert haben“, argumentierte Barnier.

Zudem sei der Binnenmarkt mit seinen einheitlichen Regeln für 500 Millionen Konsumenten und 22 Millionen Unternehmen „der Hauptgrund, warum wir von China und – auch heute noch – den USA respektiert werden“, sagte Barnier. Es handle sich dabei nicht einfach nur um eine Freihandelszone, sondern um ein ganzes „Ökosystem“ von Standards, Rechten und Regeln, die man zur Gänze akzeptieren müsse. „Entweder ist man draußen oder drinnen“, betonte Barnier mit Blick auf diesen weltweit einzigartigen Wirtschaftsraum.

Barnier über Einigkeit erfreut

Barnier zeigte sich erfreut über die Einigkeit der EU-27-Staaten in den „Brexit“-Verhandlungen und führte das auf seine Transparenz gegenüber den Regierungen zurück. Er halte sie über jeden Schritt auf dem laufenden und besuche jede Woche eine andere Hauptstadt. Das sei auch nötig, weil letztlich die nationalen Parlamente zahlreichen Verträgen zustimmen werden müssen, die das Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien regeln werden. Barnier sprach von 750 internationalen Verträgen, die Großbritannien durch den EU-Austritt verlassen werde.