Jan Fabre
APA/Georg Hochmuth
Offener Brief

Jan Fabre sexueller Übergriffe beschuldigt

Dem international bekannten belgischen Dramatiker, Bildhauer, Regisseur und Choreografen Jan Fabre wird von ehemaligen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sexuelle Belästigung vorgeworfen. In einem offenen Brief ist von systematischen Demütigungen über mehrere Jahre die Rede.

In dem am Donnerstag veröffentlichten Brief berichteten rund 20 Tänzerinnen und Tänzer, die in der Vergangenheit mit dem Künstler zusammengearbeitet haben, von sexuellen Übergriffen durch Fabre. Die Rede ist von einer giftigen Arbeitsatmosphäre in Fabres Truppe Troubleyn mit Erniedrigungen und Anfeindungen. Acht der Unterzeichnenden unterschrieben den in dem niederländischen Kunstmagazin „rekto:verso“ erschienen Brief auch namentlich.

Fabre habe Künstler und Künstlerinnen zu sich nach Hause eingeladen und sexuell bedrängt. Es habe „halbgeheime“ Fotosessions für vermeintliche Kunstprojekte gegeben, wofür einzelne Tänzer und Tänzerinnen ausgesucht worden seien. Dann habe Fabre die Situation in eine Gelegenheit gedreht, sich seinem Gegenüber sexuell zu nähern. Dafür sei Geld unter der Hand angeboten worden, und es habe den Hinweis gegeben, darüber nicht zu sprechen. Eine Tänzerin soll auch gezwungen worden sein, Drogen zu nehmen, um sich „freier zu fühlen“.

„Demütigung tägliches Brot“

Diese Fotografieprojekte seien die „versteckte Währung“ innerhalb von Fabres Truppe geworden, die den Zugang zu Solos und zukünftigen Jobmöglichkeiten gewährte. Darsteller und Darstellerinnen, die Fabres Annährungen zurückwiesen, erhielten den Vorwürfen zufolge subtile und weniger subtile Formen von Bestrafung wie verbale Erniedrigung, Manipulation und Aggression. Auch während Probearbeiten soll Fabre „schmerzhafte und häufig offene sexistische Kritik“ geäußert haben.

„Mount Olympus. To glorify the cult of tragedy“ von Jan Fabre in Madrid
APA/AFP/Pierre-Philippe Marcou
Tänzerinnen bei einer Probe für das Fabre-Stück „Mount Olympus“ Anfang 2018

In dem offenen Brief ist auch von abschätzigen Kommentaren zu den Körpern der Tänzerinnen die Rede. In einem TV-Interview sprach Fabre selbst eine Situation an, in der er eine Darstellerin aufgefordert haben will zu trainieren, da sie „wieder zu fett geworden sei“. Seine Kommentare seien allerdings „immer fair“, versicherte Fabre in dem Interview Ende Juni.

In dem Brief wird ihm aber widersprochen. Dieser Fall soll ein „langes und schmerzhaftes Erniedrigungsspiel“ gewesen sein, bei dem Fabre andeutete, dass die Mitarbeiterin schwanger sein müsse. Dieses Mobbing habe angedauert, bis die Darstellerin in Tränen ausbrach. Eine Situation wie diese sei kein Einzelfall: „Demütigung ist das tägliche Brot in und rund um den Proberaum von Troubleyn.“

Fabre-Interview als Anstoß

Der Zeitpunkt des Briefes wurde mit einem Fernsehinterview Fabres begründet. Darin behauptete der Choreograf, dass er in seiner rund 40-jährigen Karriere niemals Probleme mit offensivem sexuellem Verhalten gesehen habe. Das sei eine Lüge, heißt es in dem Brief. Mindestens sechs Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen seiner Truppe sollen innerhalb der vergangenen zwei Jahre Fabres Team aus diesen Gründen verlassen haben.

Zudem seien Versuche, mit Fabre über diese Vorwürfe in Dialog zu treten, fehlgeschlagen, so die ehemaligen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Auch Organisationen, die um Hilfe und Rat gebeten worden seien, hätten nichts ausrichten können.

„Wir zwingen niemanden“

Fabre und sein Unternehmen Troubleyn wiesen die Vorwürfe ebenfalls über das Magazin „rekto:verso“ zurück. Fabre sei öffentlich beschämt worden, ohne jegliche Form von Verteidigung – auf Basis anonymer Zeugenaussagen und Behauptungen, die schwierig zu überprüfen seien. „Wir bedauern diese Attacke über die Medien, weil es ein unfairer öffentlicher Prozess ist.“

Das Unternehmen sei im Vorfeld weder vom Institute For The Equality For Women And Men, das den Brief übermittelte, noch von den Initiatoren und Initiatorinnen des Briefs kontaktiert worden. Man lade alle Beteiligten zu einem „offenen Dialog über dieses Thema“ ein. „Wir zwingen niemanden dazu, Dinge zu tun, die für den einen oder anderen über ihre Grenzen hinausgehen“, so die Reaktion auf die Vorwürfe.

Stammgast bei Wiener Festwochen

Der Choreograf gilt als einer der meistgefeierten seiner Branche und hervorstechender Name bei weltweiten Kunstfestivals. Auch bei den Wiener Festwochen ist Fabre mit seinen Produktionen Stammgast. Er ist Mitglied der künstlerischen Bewegung „Flemish Wave“, die in den 1980er Jahren ins Leben gerufen wurde. Sie beschreibt die Arbeit einer radikalen Gruppe belgischer Choreografen und Theatermacher, die richtungsweisend für die internationale Kunstszene war.