Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) und sein italienischer Amtskollege Matteo Salvini
APA/Hans Punz
Asylpolitik

Kickl für Asylprüfung auf Schiffen

In der Debatte um die Machbarkeit von Asylcamps in Afrika hat sich Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) am Freitag dafür ausgesprochen, die Schutzwürdigkeit von Asylwerbern künftig bereits auf jenen Schiffen zu prüfen, die sie aus dem Mittelmeer gerettet haben. Die Kritik ließ aber nicht lange auf sich warten.

Auf Nachfrage präzisierte Kickl, dass er mit seinem Vorschlag nicht das Asylverfahren an sich meine, sondern die vom EU-Gipfel im Juni in Aussicht genommene „Schnellklärung“, ob eine Person schutzbedürftig sei. Diese Prüfung könne man an Land machen, „am besten an der Außengrenze“, oder eben auf einem Schiff.

Damit hätte man auch den Vorteil, dass von 100 geretteten Personen „nur noch zehn übrig“ bleiben und damit „europäischen Boden betreten, während die anderen diese Möglichkeit nicht haben“. Die Prüfung habe auch „den Vorteil, dass die Schiffe für weitere Schleppereien aus dem Verkehr gezogen werden“, wie Kickl bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem italienischen Amtskollegen Matteo Salvini am Rande der Wiener EU-Afrika-Konferenz zudem sagte.

Salvini „dafür“

„Da könnte man angeklagt werden, dass man die Personen gefangen hält“, sagte dazu Salvini. Es handelt sich dabei wohl um eine Anspielung auf die Ereignisse rund um das Schiff der italienischen Küstenwache „Diciotti“. Auf Anordnung von Salvini wurden Dutzende Flüchtlinge tagelang auf dem Schiff festgehalten – nun ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Vorwurfs „erschwerter Freiheitsberaubung“, illegaler Festnahmen und Machtmissbrauchs.

Das sei auch der Hintergrund für seine „ironisch gemeinte“ erste Reaktion auf Kickls Vorschlag. Er sei jedenfalls für die von Kickl in den Raum gestellte Prüfung auf Schiffen. Von Kickl wird Salvini unterdessen als „Schlüsselspieler“ in der Migrationspolitik betrachtet, der wesentlich zum „Umdenken“ auf EU-Ebene beigetragen habe.

Kritik an Kickl-Vorstoß

Der Vorstoß von Kickl stößt bei Ärzte ohne Grenzen (MSF) auf scharfte Kritik. „Dieser Vorschlag ist bloß ein weiterer Versuch, die Aufmerksamkeit von der eigentlichen Frage abzulenken, nämlich der Unfähigkeit Europas und der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft, eine nachhaltige Lösung für die humanitäre Krise im zentralen Mittelmeer und in Libyen zu finden“, hieß es in einer Freitagabend veröffentlichten Aussendung.

Anstatt die Helfer und Helferinnen zu kriminalisieren, sollten die europäischen Staats- und Regierungschefs den Schutz von Menschenleben in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen stellen. Schiffe seien nicht ausgerüstet und hätten auch nicht das Mandat, Asylanträge zu bearbeiten. „Nach internationalem Recht haben Asylsuchende das Recht, ihre Anträge in einem sicheren Drittland von den zuständigen Behörden prüfen zu lassen. Ein solches System würde den Aufenthalt der Überlebenden auf hoher See unnötigerweise verlängern, was in Widerspruch zum Internationalen Seerecht steht.“

Kickl „froh über die Stoßrichtung“

Kickl erneuerte zudem in der Pressekonferenz mit Salvini schließlich auch seine in der Früh geäußerte Kritik an EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos wegen dessen Skepsis bezüglich der Errichtung von „Ausschiffungs- und Anlandeplattformen“ in Nordafrika.

Bei der offiziellen Pressekonferenz zwischen Avramopoulos und Kickl gab es dennoch auch versöhnliche Worte. Kickl äußerte sich grundsätzlich positiv über die jüngsten Vorschläge von Avramopoulos zu Frontex-Aufstockung, Rückführungen und beschleunigten Asylverfahren. „Ich bin sehr froh über die Stoßrichtung, die eingeschlagen wurde.“ „Danke für deine Unterstützung, Herbert“, reagierte der griechische Politiker.

In der Frage der auch als Asylcamps bezeichneten und derzeit nur in der Theorie existierenden Aufnahmezentren in nordafrikanischen Ländern ließen die beiden Politiker aber weiterhin unterschiedliche Einschätzungen erkennen. Während Avramopoulos neuerlich sagte, dass noch kein afrikanisches Land seine Bereitschaft für derartige Lager erklärt habe, betonte Kickl: „Es gibt keine Absagen. Sehen wir das einmal so.“

Westbalkan als Vorbild

Er sei „überrascht über die Ungeduld, die hier herrscht“, verwies der Innenminister neuerlich darauf, dass der Plan erst vor zwei Monaten beschlossen worden sei. Wenn man sich vor Augen halte, dass schon seit dem Jahr 1999 über ein gemeinsames europäisches Asylsystem diskutiert werde, „dann sind zwei Monate nichts dagegen“.

Kickl betonte, dass es darum gehe, „das eine oder andere Missverständnis auszuräumen“. So wollten die EU-Staaten keine Territorialansprüche stellen. Ziel sei es aber, die betroffenen Länder zu unterstützen, die wiederum „eine Kettenreaktion in Gang setzen, wie wir es auch im Bereich des Westbalkans geschafft haben“, hob der FPÖ-Politiker mehrmals die Kooperation mit den Staaten der Region als Vorbild für die künftige EU-Afrika-Politik hervor.

Avramopoulos setzt auf „Kooperation“

„Niemand hat Nein gesagt, aber bisher hat auch niemand Ja gesagt“, bekräftigte Avramopoulos seine Skepsis zur Errichtung von Flüchtlingslagern in Afrika. „Plattformen sind unmöglich, aber Kooperation ist natürlich möglich“, sagte er. Avramopoulos hob in seinem Beitrag auch die Notwendigkeit hervor, legale Migrationswege zu öffnen und die Wirtschaft in Afrika zu stärken. Es dürfe nicht zu einem „Outsourcing“ in der Migrationsfrage kommen, sagte er. „Wir müssen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit schaffen, weil wir letztlich alle im selben Boot sind“, unterstrich Avramopoulos.

Die vom EU-Ratsvorsitz veranstaltete Konferenz lobte er als „sehr wichtig“. Auch Kickl sagte, dass die Kooperation mit Drittstaaten essenziell für die Lösung der Migrationsfrage sei. „Es ist illusorisch, davon auszugehen, dass wir die Migrationsfrage in ein gutes Fahrwasser bringen können, wenn es uns nicht gelingt, mit den Drittstaaten auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen“, so Kickl.

Ruf nach gemeinsamem Vorgehen aus Frankreich

„Eine sehr gute Basis“ ortete Kickl gegenüber dem tunesischen Fernsehen mit Blick auf eine verstärkte Zusammenarbeit in der Migrationspolitik etwa mit Tunesien. „Ich glaube, dass wir Seite an Seite gemeinsam viel bewegen können“, wie Kickl nach einem Treffen mit seinem tunesischen Amtskollegen Hichem Fourati sagte.

Der französische Innenminister Gerard Collomb rief die EU-Staaten unterdessen zu Einigkeit in der Migrationspolitik auf. „Nur ein ausgewogenes und koordiniertes europäisches Vorgehen ist eine effiziente und dauerhafte Antwort auf die Herausforderungen“, schrieb Collomb am Freitag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Pudding-Vergleich aus Spanien

Spaniens Innenminister Fernando Grande-Marlaska stellte sich unterdessen klar gegen die Vorstellung, wonach eine Aufstockung der Europäischen Grenzschutzbehörde (Frontex) das Problem der Mittelmeer-Überfahrten lösen werde. „Viele Posten für Frontex-Beamte zu schaffen kann eine Bedeutung für die Landgrenzen haben, aber für die Seegrenzen ist das unmöglich. Das ist so, als wollte man einen Pudding an die Wand nageln“, sagte der Minister, demzufolge es im Meer um Rettungsaktionen gehe.

So wie Avramopoulos glaubt auch Grande-Marlaska zudem nicht, dass die zuletzt vielzitierten „Anlandeplattformen“ jemals in die Realität umgesetzt werden könnten. „Es ist sehr schwer für ein Land, so etwas zu akzeptieren. Jedes Land hat seine Würde, und das sollten wir erkennen“, wie der sozialistische Politiker dazu sagte. Grundsätzliches Lob fand Grande-Marlaska für die Initiative Österreichs und den nun in Wien stattgefundenen Austausch, weil dieser auch den zerstrittenen EU-Staaten dabei helfe, sich in der Migrationsfrage „zu fokussieren“.