Labor in Spiez, Schweiz
APA/AFP/Fabrice Coffrini
Schweiz

Giftstofflabor im Visier russischer Spione

Zwei russische Agenten sind bei einem Spionageversuch in der Schweiz aufgeflogen und in den Niederlanden festgenommen worden. Laut Medienberichten wollten sie ein Labor auskundschaften, das auch den Giftanschlag im Fall des russischen Ex-Doppelagenten Sergej Skripal untersucht hat.

Der Schweizer Nachrichtendienst NDB bestätigte am Freitag einen Bericht im Schweizer „Tages-Anzeiger“ und in der niederländischen Zeitung „NRC Handelsblad“. Die Russen hätten illegale Aktionen gegen „eine kritische Schweizer Infrastruktur“ geplant, sagte Sprecherin Isabelle Graber. Der NDB mache keine weiteren Angaben zu dem Fall.

Die niederländischen Behörden bestätigten die Zeitungsberichte bisher nicht. Der russische Auslandsgeheimdienst SWR äußerte sich nicht konkret. „Wir kommentieren diese Berichte nicht“, sagte Sprecher Sergej Iwanow der Agentur Interfax zufolge in Moskau.

Karte von der Schweiz und dem Ort Spiez
Grafik: APA/ORF.at

Spionage im staatlichen Labor

Nach Recherchen der Zeitung wollten die Russen das staatliche Labor Spiez auskundschaften. Es war sowohl nach dem Giftanschlag auf den ehemaligen Doppelagenten Skripal und dessen Tochter im März in Großbritannien im Einsatz als auch bei der Untersuchung von Giftgasproben aus Syrien. Das Labor gehört mit etwa 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu den weltweit führenden Institutionen beim Nachweis von Kampfstoffen. Es arbeitet unter anderem im Auftrag der Vereinten Nationen und der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW).

Russland hatte einen Untersuchungsbericht der OPCW zum Giftanschlag heftig attackiert. Die Organisation habe nicht alle Ergebnisse der Analyse im Labor Spiez publiziert, sagte Außenminister Sergej Lawrow Mitte April. Das Labor reagierte auf seiner Internetseite, sein Fachbereich Chemie habe „keine Zweifel daran, dass die Briten den eingesetzten Kampfstoff richtig identifizierten und es sich um den Nervenkampfstoff Nowitschok handelt“.

Die beiden nun beschuldigten Agenten seien schon im Frühjahr in Den Haag verhaftet und ausgewiesen worden, berichtete „NRC Handelsblad“. Sie seien nicht identisch mit den beiden von Großbritannien namentlich genannten Verdächtigen beim Anschlag auf Skripal. Gegenüber der BBC erklärte der Schweizer Geheimdienst, dass man im „Fall von zwei russischen Spionen“ involviert sei. Das Labor in Spiez sei nicht erwähnt worden.

Kreml: Moskau hat nichts mit Fall Skripal zu tun

Großbritannien macht Russland für den Anschlag verantwortlich. Der Kreml weist jedoch jede Verwicklung in den Anschlag zurück. „Wir halten es für inakzeptabel, die russische Führung oder den russischen Staat mit dem in Verbindung zu bringen, was in Salisbury passiert ist“, sagte Kreml-Sprecher Dimitri Peskow am Freitag in Moskau.

Am Donnerstag hatten zwei Männer, die London für Agenten des russischen Militärgeheimdienstes GRU hält, dem russischen Staatssender RT ein Interview gegeben. Sie hatten darin behauptet, im März als Touristen in der englischen Kleinstadt gewesen zu sein. Freunde hätten ihnen empfohlen, „die wunderschöne Stadt“ Salisbury zu besuchen und sich „die bekannte Kathedrale anzuschauen“, beteuerten Alexander Petrow und Ruslan Boschirow – den Namen, unter denen die britischen Behörden die Tatverdächtigen für den Anschlag auf Skripal zur Fahndung ausgeschrieben hatten.

Alexander Petrov und Ruslan Boshirov
APA/AFP/RT via Ruptly
Diese Männer werden verdächtigt, Sergej Skripal und seine Tochter vergiftet zu haben. Sie sagen, sie seien bloß Touristen

In dem Fernsehinterview erklärten die beiden Männer, sie seien im Geschäft mit Sportlernahrung tätig. Für den GRU arbeiteten sie nicht. Ihre Gesichter ähnelten denen auf den Fahndungsaufrufen. Petrow sagte, er sei zusammen mit Boschirow auf Kurzurlaub in London gewesen. „Das war keine Geschäftsreise.“ Es könne sein, dass sie zufällig an Skripals Haus vorbeigekommen seien, wüssten aber gar nicht, wo er wohne.

Putin über Interview informiert

Ein Sprecher der britischen Regierungschefin Theresa May nannte den TV-Auftritt der zwei Männer eine Beleidigung für die Intelligenz der Öffentlichkeit. „Die Regierung ist sich sicher, das diese Männer Mitarbeiter des russischen Militärgeheimdiensts GRU sind, die eine verheerend giftige, illegale chemische Waffe auf den Straßen unseres Landes eingesetzt haben“, teilte das auch britische Außenministerium mit. Moskau habe durchgehend mit „Verschleierung und Lügen“ auf die Vorwürfe reagiert.

Der russische Präsident Wladimir Putin sei über das Interview informiert worden, sagte Peskow der Agentur Interfax zufolge. „Ich glaube aber nicht, dass er es ganz gesehen hat. Dafür hat er wohl keine Zeit.“ Es gehe nicht an, dem russischen Staat Lüge vorzuwerfen: Die Männer hätten nichts mit staatlichen Stellen zu tun.