Studierende lernen am Küchentisch in der gemeinsamen Wohngemeinschaft
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Günstig war gestern

Studierende wohnen teuer

Im Herbst geht für Tausende Studierende wieder die Uni los. Für die rund 70.000 Erstsemestrigen bedeutet das neue Herausforderungen – auch beim Thema Wohnen, denn viele wollen zu Studienbeginn erstmals das elterliche Nest verlassen. Das günstige Zimmer in Uninähe wird dabei jedoch immer seltener.

Dass die Wohnform für die meisten Studierenden kein Wunschkonzert ist, bestätigt Hannah Lutz (VSStÖ), eine der drei Vorsitzenden der Österreichischen Hochschüler_innenschaft (ÖH). Die ÖH ist als gesetzliche Studierendenvertretung häufig Ansprechpartnerin bei Problemen rund ums Wohnen. Ausschlaggebend für die Wohnform bei Studierenden sei einerseits das Alter, andererseits die soziale Herkunft, so Lutz im Gespräch mit ORF.at.

39 Prozent unter 21 Jahren leben bei Eltern

Mehr als ein Drittel der unter 21-jährigen Studierenden leben noch im Elternhaushalt. Das ergab die letzte Studien-Sozialerhebung des Instituts für Höhere Studien (IHS) im Jahr 2015. Das hat vor allem einen fundamentalen Grund: Ausziehen ist teuer. „Wenn ich weniger Geld habe, bleibe ich eher zu Hause, weil ich es mir nicht leisten kann auszuziehen", sagt Lutz. Dabei treffe es hauptsächlich Studierende aus niedrigen sozialen Schichten: Sie wählen laut Studien-Sozialerhebung über alle Alterskategorien hinweg kostengünstigere Wohnformen.

„Manche junge Menschen haben aber gar nicht die Wahl, zu Hause wohnen zu bleiben, da der Wohnort zu weit weg von der Uni liegt“, so Lutz. Beziehen Studierende Studienbeihilfe, erhöhe sich diese zwar, wenn das Pendeln nicht zumutbar ist, das Geld sei jedoch als Zuschuss zu verstehen. „Das Mehr an Studienbeihilfe deckt niemals die Miete ab“, sagt die ÖH-Vorsitzende weiter. Zudem bekommen bekanntlich nicht alle Studierenden Studienbeihilfe. Der Studienerfolg, das eigene Einkommen sowie jenes unterhaltspflichtiger Eltern ist hierbei entscheidend.

Günstige Wohnheimplätze heiß begehrt

Die günstigste Wohnmöglichkeit abseits des Elternhauses ist laut Lutz zwar immer noch das Studierendenheim, jedoch würden auch dort die Preise für ein Zimmer stark steigen – in der letzten IHS-Berechnung, die den Zeitraum von 2009 bis 2015 erfasst, stiegen die durchschnittlichen Wohnkosten in einem österreichischen Wohnheim um satte 26 Prozent.

Zwar gibt es die namhaften, günstigeren Wohnheime noch – Lutz nennt als Beispiele jene der WIHAST (Wirtschaftshilfe der Arbeiter_innen Studierenden Österreichs) und des Studentenunterstützungsvereins Akademikerhilfe. Jedoch sind die Plätze heiß begehrt, die Wartelisten lang und das Wohnen meist mit etlichen Regeln verbunden. Diese können, je nach Betreiber, von Internetbenutzungsbeschränkungen bis zum Verbot von Übernachtungsgästen reichen, wie eine Recherche von ORF.at ergab.

Anzeigetafel
ORF.at/Christina Vogler
Online ist die Auswahl größer, doch wird auch noch das altbewährte Schwarze Brett zur Wohnungssuche genutzt

Trotzdem empfehlen diverse Informationsplattformen für Studierende wie auch die ÖH Wohnheime als die „einfachste“ Lösung, ins studentische Leben zu starten. Spartanisch ausgestattete, aber immerhin möblierte Zimmer in Wohnheimen gibt es schon für unter 400 Euro im Monat – jedoch nur bei zeitiger Voranmeldung. „Je früher, desto besser“ heißt es dazu auf den Websites diverser Heime, die ÖH empfiehlt mindestens ein halbes Jahr vor dem gewünschten Einzugsdatum.

Luxus für Studierende

Den Bedarf an Wohnraum für Studierende haben auch längst große Investoren entdeckt, mit größerem Budget wachsen – wenig überraschend – auch die Wohnmöglichkeiten. Moderne Wohnheime, beispielsweise jene der Milestone GmBH, bieten „All-in-Miete“ ab etwa 650 Euro in Wien – wobei Graz, Linz und Leoben etwas günstiger sind. Nach oben hin scheint es dabei keine Grenzen zu geben.

Luxuriöse „Boutique Apartments“ jenseits der 1.000 Euro im Monat bieten zum Beispiel die Wiener City Life Apartments. Inkludiert sind, je nach Einrichtung, Gemeinschafts- und Fitnessräume, Büchereien, Gärten, Reinigung, ein Concierge – sogar von einer hauseigenen Bäckerei ist die Rede. „Für den Großteil der Studierenden ist das natürlich unmöglich zu bezahlen“, kritisiert Lutz und beschreibt auch die Schwierigkeit „mit den neueren Betreibern, weil nicht alle eine Heimvertretung haben“. Zur Erklärung: Eine Heimvertretung wird von den Bewohnerinnen und Bewohnern gewählt, diese vertritt dann wiederum deren Interessen vor dem Heimträger.

„Das Gesetz ist derzeit vollkommen zahnlos“

Eine Grauzone in puncto Studierendenheime sei aber auch ohnedies schon vorhanden, so Lutz, die neben ihrer Funktion als ÖH-Vorsitzende Jus studiert, denn: „Der gesetzliche Rahmen, in dem sich Studierendenheime bewegen, ist das letzte Mal 1999 novelliert worden. Ziel war es, mit dem Gesetz günstigen Wohnraum zu schaffen.“ Das Studierendenheimgesetz fiel damit jedoch nicht mehr unter das Mietrecht, was laut Lutz nicht nur Vorteile mit sich bringt.

Denn seit 2013 zahlt der Bund keine Heimförderung mehr an die Trägergesellschaften, wodurch Mehrkosten entstehen, die Bewohnerinnen und Bewohner zu spüren bekommen. Hinzu komme, dass kein rechtlicher Druck mehr ausgeübt werden könne, wenn es zwischen Träger und Bewohnerinnen bzw. Bewohnern Probleme gebe, erläutert Lutz. „Das Gesetz ist derzeit vollkommen zahnlos.“ Expertinnen und Experten würden aber schon an einem neuen Gesetz arbeiten, auch die ÖH sei in diesen Prozess involviert und fordere die Wiedereinführung der Heimförderung.

Beliebte WGs – Tendenz steigend

Schon jetzt gäben Studierende im Schnitt etwa 40 Prozent ihres Einkommens für Miete aus, so Lutz. Um die Kosten möglichst günstig zu halten, ist auch die Wohngemeinschaft immer noch eine beliebte Wohnform – Tendenz steigend. Doch war es vor ein paar Jahren noch möglich, ein WG-Zimmer für 300 Euro zu finden, scheint das zunehmend sogar abseits der Bundeshauptstadt unmöglich. In Innsbruck etwa, wo bereits jeder bzw. jede Vierte studiert, ziehen die Mietpreise besonders kräftig an. Von 2009 bis 2015 stiegen sie laut Sozialerhebung um etwa 15 Prozent. Die Quote dürfte sich mittlerweile stark erhöht haben, vermutet Lutz.

Über 500 Euro pro Zimmer sind der Recherche von ORF.at zufolge keine Seltenheit mehr. Doch WG-Zimmer werden nicht nur teurer, sondern sind auch schwieriger zu finden. Die auch in Österreich beliebte Suchmaschine WG-Gesucht.de verzeichnet derzeit alleine in Wien zwar über 1.500 Angebote, auf jede Anzeige kämen im Schnitt aber 33 Onlineanfragen, erläutert Annegret Mülbaier von WG-Gesucht.de auf Anfrage von ORF.at, wobei telefonische Kontaktaufnahmen nicht verzeichnet werden könnten.

Dass es auch weitaus mehr Anfragen sein können, bezeugt ein Student aus Wien-Landstraße gegenüber ORF.at. „Ich habe für ein Zimmer zu 480 Euro im Oktober einen Mitbewohner gesucht und bin überschwemmt worden. Nach 100 Mails in vier Tagen habe ich die Anzeige wieder runtergenommen“, sagt er. Mülbaier schätzt, dass sich die Nachfrage an WGs in Österreichs Hochschulstädten weiter erhöhen werde. Diesen Trend bestätigt auch das österreichischen Anzeigenportal willhaben. Eine im September in Auftrag gegebene Marketagent-Studie zeigt, dass sich rund 40 Prozent der befragten Personen unter 30 Jahren eine WG aufgrund der steigenden Wohnpreise vorstellen können.