Bundeskanzler Sebastian Kurz
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EU-Gipfel in Salzburg

Kurz drängt Briten zu „Schritt vorwärts“

Die britische Premierministerin Theresa May wird den EU-Staats- und Regierungschefs auf dem EU-Gipfel in Salzburg ihren Plan für den EU-Abschied darlegen. Bei seiner Ankunft beim Gipfel rief Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) May zu Fortschritten auf – er hoffe „auf einen Schritt vorwärts“.

„Einen Deal mit Großbritannien zustande zu bringen ist eine Notwendigkeit“, betonte Kurz erneut. Wie bereits zuvor mahnte er vor schwerwiegenden Folgen bei einem „No Deal“ oder einem „harten Brexit“ – auch für die EU-Staaten: In Österreich hätte ein Nicht-Deal mit London Auswirkungen auf die Wirtschaft und auf Arbeitsplätze. EU-Chefverhandler Michel Barnier habe bereits einen Schritt auf Großbritannien zugemacht.

Nun erwarte er auch von London Kompromissbereitschaft, so der Kanzler, der erneut bekräftigte, dass beim Gipfel ein „Brexit“-Sondergipfel im November vorgeschlagen werden solle. Generell erwarte Kurz einen „herausfordernden Gipfel“, mit dem „Brexit“ und der Migrationsfrage stünden zwei wichtige Themen im Mittelpunkt. Diskutieren wolle man diese so, dass im November und Dezember Beschlüsse möglich seien, so Kurz.

May: „Akzeptieren kein zweites Referendum“

May wirkte bei ihrer Ankunft durchaus angespannt: Bei der Frage, ob es jetzt denn ein zweites Referendum zum „Brexit“ geben könnte, reagierte sie recht schroff: Man solle mit solcherart Ideen nicht ständig den „Brexit“-Prozess stören, sagte die Premierministerin. „Diese britische Regierung wird nie ein zweites Referendum akzeptieren.“

Großbritanniens Premierministerin Theresa May
Reuters/Lisi Niesner
May bei ihrer Ankunft zu den Beratungen in der Salzburger Felsenreitschule

Tusk will „Brexit“-Sondergipfel im November

Im Vorfeld hatte EU-Ratspräsident Donald Tusk erklärt, auf dem Gipfel einen „Brexit“-Sondergipfel im November vorschlagen zu wollen. Erklärtes Ziel bleibt damit eine rechtzeitige Einigung auf einen Austrittsvertrag. Auch sieht Tusk den Ball bei der britischen Regierung – er forderte Zugeständnisse.

Laut Tusk gibt es durchaus „eine positive Entwicklung“ auf britischer Seite, etwa bei der Bereitschaft, nach dem EU-Austritt „eng im Bereich von Sicherheit und Außenpolitik“ zusammenzuarbeiten. In anderen Fragen wie der künftigen Grenze zu Irland und der Wirtschaftszusammenarbeit müsse London seine Pläne aber „überarbeiten“.

Bettel übt Kritik an Österreichs Ratsvorsitz

Der luxemburgische Premier Xavier Bettel sagte bei seiner Ankunft, dass das Scheitern der „Brexit“-Verhandlungen und ein damit verbundener „No Deal“-EU-Ausstieg Großbritanniens eine „Katastrophe“ wären. Vom österreichischen Ratsvorsitz sei er „enttäuscht“ – er nahm damit Bezug auf den Disput zwischen Italiens Innenminister Matteo Salvini und Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Er hätte erwartet, dass die österreichische Präsidentschaft sagt, „dass das nicht geht“, betonte Bettel.

Sondergipfel auch zu Thema Migration

Zum Dauerstreit über die Flüchtlingspolitik wiederholte Tusk in seinem Statement die bereits in seinem Einladungsschreiben erwähnten Forderungen. Unter anderem äußerte Tusk darin die Hoffnung, „dass wir in Salzburg die gegenseitigen Verstimmungen beenden und zu einem konstruktiven Ansatz zurückkehren können“.

Er rief dazu auf, die „Schuldzuweisungen zu beenden“. „Anstatt politisches Kapital aus der Lage zu schlagen, sollten wir uns darauf konzentrieren, was funktioniert“, sagte Tusk. Er nannte dabei den Grenzschutz und die Zusammenarbeit mit Drittstaaten.

„Wir können nicht länger in diejenigen gespalten sein, die das Problem illegaler Migrationsströme lösen wollen, und in diejenigen, die sie für ein politisches Spiel benutzen“, sagte Tusk. Denn tatsächlich gingen „trotz aggressiver Rhetorik“ aus einigen europäischen Hauptstädten die Dinge „in die richtige Richtung“.

Juncker fordert mehr Solidarität

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker appellierte bei seinem Eintreffen einmal mehr an die Solidarität der EU-Mitgliedsstaaten. „Man braucht Solidarität. Die einen nehmen Flüchtlinge auf. Die, die das nicht können, die das nicht wollen, obwohl sie das müssen, die müssen sich in Sachen Solidarität bewegen“, forderte Juncker.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker
Reuters/Lisi Niesner
Juncker bei seiner Ankunft

Angesprochen auf die Einschätzung des EU-Migrationskommissars Dimitris Avramopoulos, dass die von den 28 EU-Staats- und Regierungschefs geplanten „Anlandezentren“ in Nordafrika „unrealistisch“ seien, meinte Juncker nur: „Er ist mein Kommissar.“ Bisher hat sich kein geografisch infrage kommendes Land bereiterklärt, ein solches Zentrum für im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge auf seinem Staatsgebiet zu errichten.

In dieser Frage sprach sich EU-Außenamtsbeauftragte Mogherini aber erneut für eine engere Kooperation mit afrikanischen Staaten aus. Sie zeigte aber auch Verständnis dafür, dass die Länder von der Idee von „Anlandezentren“ auf ihren Territorien nicht allzu begeistert sind.

„Verweis auf gesunkene Zahlen“

Auch Tusk forderte eine intensivere Zusammenarbeit mit Nordafrika. Zudem werde er den Staats- und Regierungschefs vorschlagen, gemeinsam mit den Staaten der Arabischen Liga im Februar kommenden Jahres einen Sondergipfel in Ägypten abzuhalten. Er verwies ferner darauf, dass die Flüchtlingszahlen in Europa massiv gesunken seien: Von fast zwei Millionen auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 auf nun weniger als 100.000 in diesem Jahr. Das sei weniger als vor der Krise.

Darauf nahm auch der luxemburgische Ministerpräsident Bettel Bezug: Die Flüchtlingszahlen seien derzeit niedriger als 2007. „Wir haben eine politische Krise, keine Flüchtlingskrise“, so der liberale Politiker. Man müsse unterscheiden zwischen Menschen, die mit Mord bedroht oder gefoltert würden, und solchen, die einfach ein besseres Leben suchten. „Europa soll für Flüchtlinge Platz haben, das ist einer der Grundwerte der EU“, so Bettel.

Beschluss für Frontex neu im Dezember?

Kurz hofft darauf, dass der Gipfel einen Beschluss für das neue Frontex-Mandat zum EU-Außengrenzschutz noch im Dezember vorbereitet. Bei einigen Staaten gebe es noch Souveränitätsbedenken, sagte Kurz im Vorfeld. Das gelte vor allem für Spanien, Italien und Griechenland, kaum jedoch für Ungarn.

Die Bedenken seien auch bezüglich der dann erforderlichen Registrierung von Migranten, sagte Kurz. Er unterstütze den Vorschlag von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, Frontex bis 2020 auf 10.000 Mann aufzustocken und das Mandat auszuweiten, „zu hundert Prozent“. „Wir hoffen, ein Maximum dessen durchzusetzen“, sagte Kurz in Hinblick auf den Gipfel. Er deutete die Möglichkeit für weitere Flexibilität und Anpassungen des Entwurfs an.