Zahlreiche Arbeitsmigranten seien bei den Bauarbeiten für die Planstadt Lusail City ausgebeutet worden, an denen die Baufirma Mercury Mena beteiligt war, so die Menschenrechtsorganisation am Mittwoch in Berlin. Die Firma habe das berüchtigte Sponsorensystem Kafala ausgenutzt. Lusail City ist ein gigantisches Städtebauprojekt entlang der Ostküste unmittelbar nördlich der Hauptstadt Doha.
Ort des Finalspiels
Die Retortenstadt mit einer geplanten Bevölkerung von 200.000 soll auch für die WM eine große Bedeutung haben: nämlich als zentraler Unterbringungsort für Arbeitende sowie Touristinnen und Touristen. Bis 2022 sollen 22 Hotels zur Verfügung stehen. Auch wird in Lusail mit dem Lusail Iconic Stadium das größte Stadion des Turniers mit 86.250 Plätzen errichtet.
78 ehemalige Arbeiter aus Indien, Nepal und den Philippinen hätten berichtet, dass es seit 2016 immer wieder zu Verzögerungen der Lohnauszahlung durch die Baufirma Mercury Mena kam, bis diese 2017 ganz ausblieben, so Amnesty. Die Firma schulde ihnen bis zu 2.470 US-Dollar (2.105 Euro), ihre Schicksale seien keine Einzelfälle. Die nicht ausgezahlten Beträge sind rund das Tausendfache dessen, womit Menschen in ihren Herkunftsländern pro Tag haushalten müssen.
Viele „mittellos in Katar gestrandet“
Die Katar-Expertin von Amnesty, Regina Spöttl, verwies darauf, dass viele Befragte in ihren Heimatländern hoch verzinste Darlehen aufgenommen hätten, um die Vermittlungsgebühren für einen Arbeitsplatz in Katar bezahlen zu können. Als ihre Löhne ausblieben, hätten sie kein Geld nach Hause schicken und die Kreditraten nicht mehr zahlen können.
„Einige Familien waren gezwungen, Grundbesitz zu verkaufen oder ihre Kinder aus der Schule zu nehmen“, sagte Spöttl. Viele Betroffene seien „mittellos in Katar gestrandet, leben in heruntergekommenen Quartieren ohne Gewissheit über ihre finanzielle Zukunft und ohne die Möglichkeit, wieder zu ihren Familien zurückzukehren“.
Repression der Behörden
Da der Konzern Mercury Mena für sie keine gültigen Aufenthaltsgenehmigungen beantragt habe, seien sie Repressionen der Behörden ausgesetzt. Laut Amnesty gab der Geschäftsführer von Mercury Mena zu, dass Löhne angeblich aufgrund von unzuverlässigen Geschäftspartnern zu spät gezahlt worden seien, wies aber die Vorwürfe der Ausbeutung zurück.
Nach Berichten über die sklavenähnlichen Zustände auf den Großbaustellen für die Fußball-WM hatte die ILO 2014 Untersuchungen eingeleitet. Auf internationalen Druck verkündete der Golfstaat später ein Ende seines umstrittenen Kafala-Systems, das ausländische Arbeitskräfte schutzlos ihren Vorgesetzten ausliefert.
Verträge und Mindestlohn versprochen
Den 2,1 Millionen ausländischen Arbeitskräften im Land wurden Verträge und Mindestlohn versprochen. Amnesty forderte Katar nun auf, dringend Verbesserungen vorzunehmen. Nach Untersuchungen des Internationalen Gewerkschaftsbunds kamen seit dem Jahr 2010 auf WM-Baustellen in Katar über 1.200 Arbeiterinnen und Arbeiter ums Leben. Viele von ihnen stammen aus dem Ausland, die meisten von ihnen aus armen Staaten Asiens.