Fahnen der Europäischen Union
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EU-Budget

Ruf nach höherem Verhandlungstempo

Einfach sind die Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) in der EU noch nie gewesen. Dieses Mal ist es besonders kompliziert: Der „Brexit“ hinterlässt eine Lücke, eine Reihe neuer Aufgaben wartet auf die Union. Zudem rückt die EU-Wahl näher. Zwei österreichische EU-Abgeordnete sprechen sich deshalb für ein höheres Verhandlungstempo aus.

Anfang Mai legte die EU-Kommission ihren Entwurf für den EU-Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 vor. Trotz des „Brexits“ forderte Brüssel darin eine Erhöhung des Haushaltes. In Österreich, aber auch in den Niederlanden, Schweden und Dänemark, stieß das auf wenig Gegenliebe: „Unser Ziel muss sein, dass die EU nach dem ‚Brexit‘ schlanker, sparsamer und effizienter wird“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Diesem Ansatz werde im Vorschlag der Kommission zu wenig Rechnung getragen.

Der derzeit laufende mehrjährige Finanzrahmen beläuft sich auf eine Höhe von einem Prozent der Wirtschaftsleistung der Europäischen Union. Die österreichische Regierung steht auf dem Standpunkt, dass sich an diesem Prozentsatz auch beim künftigen Finanzrahmen nichts ändern soll.

Verhandlungen auf der Überholspur

Fast ein halbes Jahr später ist nach wie vor keine Einigung in Sicht. Die Zeit läuft: Ende Mai 2019 finden in den Mitgliedsländern die Europawahlen statt, in weiterer Folge bekommt auch die EU-Kommission neue Mitglieder. Bis alle Personalentscheidungen getroffen sind und die Kommission wieder voll funktionsfähig ist, könnte es bereits Herbst sein. EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger drängt daher darauf, die Verhandlungen noch vor der Wahl abzuschließen.

Abgeordnete zum Europäischen Parlament, Monika Vana (Grüne)
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Grünen-Abgeordnete Vana fordert ein stärkeres Engagement der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft

Auch das EU-Parlament hat bereits einen Budgetentwurf präsentiert und deutlich mehr Mittel für den MFR verlangt. „Jetzt liegt der Ball beim (Europäischen) Rat, mit dem Europäischen Parlament als Kogesetzgeber in Verhandlungen zu treten“, sagt die grüne Abgeordnete Monika Vana, die Mitglied im Budgetausschuss des EU-Parlaments ist, gegenüber ORF.at. „Kommission und Europaparlament haben ihre Positionen festgelegt. Aber im Rat geht unter österreichischer Präsidentschaft leider nicht sehr viel weiter“, kritisiert sie.

Abgeordneter zum Europäischen Parlament, Paul Rübig (ÖVP)
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„Jetzt wäre die Chance, einen professionellen Abschluss schnell und effizient durchzuführen“, sagt ÖVP-Parlamentarier Rübig

Ebenfalls im Budgetausschuss sitzt der Europaabgeordnete Paul Rübig (ÖVP). Er plädiert im Gespräch mit ORF.at dafür, die Verhandlungen auf den „Fast Track“, also die Überholspur zu bringen. „Wir haben Kommissare, die mindestens fünf Jahre im Amt waren und Abgeordnete, die in Haushaltsfragen sehr versiert sind. Jetzt wäre die Chance, einen professionellen Abschluss schnell und effizient durchzuführen“, sagt Rübig. Ein rascher Abschluss demonstriere zudem die „Handlungsfähigkeit“ der Union – was hinsichtlich des bevorstehenden „Brexits“ besonders wichtig sei.

Zahlreiche Knackpunkte

Guntram Wolff, Direktor der Brüsseler Denkfabrik Bruegel, ist wenig optimistisch, was eine schnelle Einigung betrifft. „Ich halte es für unwahrscheinlich, dass man die Verhandlungen bis zu den Europawahlen abschließt“, sagt er gegenüber ORF.at. „Diese Diskussion wird sich bis weit ins nächste Jahr nach der Europawahl hineinziehen.“

Als Knackpunkte sieht Wolff die Höhe des Mehrjahresbudgets, das Stopfen des „Brexit“-Lochs und auf Ausgabenseite die Verteilung. In der Diskussion über eine Erhöhung des Budgets sitzt Österreich derzeit zwischen den Stühlen: Als Nettozahler ist man dagegen, als Ratspräsidentschaft steckt man in der Rolle des Vermittlers.

Medienminister Gernot Blümel
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Europaminister Blümel: „Wir arbeiten hart an diesem wichtigen Dossier“

Über den Sommer habe die österreichische Ratspräsidentschaft in Sachen MFR „informelle Sitzungen abgehalten, um rasch voranzukommen“, erklärte Europaminister Gernot Blümel (ÖVP) Mitte September in Brüssel. Es gebe dabei „einige Themen, wo wir einen möglichen Konsens sehen“, so Blümel. Die Dauer von sieben Jahren für den mehrjährigen Finanzrahmen sollte aus Sicht vieler EU-Staaten erhalten bleiben. In anderen Bereichen gebe es allerdings weniger Konsens. Er wolle dieses Thema bei den nächsten Treffen der Europaministerinnen und Europaminister wieder ansprechen, sagte Blümel, „wir arbeiten sehr hart an diesem wichtigen Dossier“.

Geld für den Grenzschutz

Am 29. März 2019 tritt mit Großbritannien ein bisheriger Nettozahler aus der EU aus. Zwischen zwölf und 14 Milliarden Euro werden dem EU-Budget danach pro Jahr fehlen. Gleichzeitig hat die EU für sich selbst neue Prioritäten festgelegt. Dazu gehören der verstärkte Schutz der Außengrenzen, die dafür benötigte personelle Aufstockung der Grenz- und Küstenschutzagentur Frontex, die Bekämpfung von Cyberkriminalität und Terrorismus, Verteidigung, aber auch mehr Investition in Forschung, Digitalisierung und das Programm Erasmus plus.

Derzeit fließen zwei Drittel des Budgets in die Landwirtschafts- und Kohäsionspolitik. Mit letzterer will die EU wirtschaftlich schwache Regionen fördern und einen Ausgleich zwischen starken und schwachen Regionen schaffen. Die EU-Kommission fordert in ihrem MFR-Entwurf deutliche Kürzungen in beiden Bereichen.

In der Agrarpolitik mehren sich zudem die Forderungen nach einer Umschichtung der Mittel zugunsten kleiner und mittlerer Betriebe. Die EU-Kommission hat bereits vorgeschlagen, die Direktzahlungen an Landwirtinnen und Landwirte zu begrenzen. Ob sie mit diesem Vorschlag in Ländern wie Deutschland und Frankreich mit ihren Agrargroßbetrieben durchkommt, ist offen.

Eigenmittel für die EU

Das EU-Parlament will die Finanzierung der EU nach dem „Brexit“ grundsätzlich auf neue Beine stellen. Die Kompetenz in Steuerfragen liegt derzeit bei den Nationalstaaten, Brüssel kann keine einzelnen Steuern erheben oder Steuersätze festlegen.

Künftig solle sich die Union nicht mehr zum Großteil über Zuwendungen der Mitgliedsstaaten finanzieren, sondern auch über mehr Eigenmittel verfügen, forderte das EU-Parlament. Die EU-Kommission hat in ihrem Budgetentwurf dazu vorgeschlagen, dass etwa Einnahmen aus dem Emissionshandel und einer geplanten „Plastiksteuer“ direkt der EU zugutekommen könnten.

Der Umstieg auf ein Eigenmittelsystem wäre laut Vana „eine langfristige Möglichkeit, das EU-Budget zu reformieren, zu sanieren und einzelne Ausfälle von Mitgliedsländern zu kompensieren“. Für Rübig denkbar wäre auch ein „Mischsystem“. Das EU-Budget bleibe dabei bei einem Prozent der jährlichen europäischen Wirtschaftsleistung. Ausgaben für zusätzliche Aufgaben würden über Eigenmittel – etwa aus einer Digitalsteuer – abgedeckt.