Migrationspolitik

Zweifel am Flüchtlingspakt mit Türkei

Zwei Jahre nach dem Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei hält dessen „Erfinder“ das Abkommen für gefährdet. Zwar sei die Anzahl der über die Ägäis kommenden Flüchtlinge und die der Toten deutlich zurückgegangen, sagte der Vorarlberger Gerald Knaus der Nachrichtenagentur dpa. Dennoch drohe das Abkommen zu scheitern.

„Was überhaupt nicht geklappt hat – und das gefährdet heute das gesamte Abkommen – ist fast alles, was die Umsetzung auf den Ägäischen Inseln und in Griechenland betrifft“, so Knaus. Der Experte hatte bereits Mitte März bemängelt, dass die Asylverfahren in Griechenland viel zu lange dauerten und daher kaum Menschen in die Türkei zurückgeschickt würden, wie es das Abkommen vorsehe.

„Wir brauchen schnelle, faire Asylverfahren an den EU-Außengrenzen, um Leute schnell zurückzuschicken – oder um schnell Schutz zu gewähren.“ Ein schnelleres Asylsystem müsse verbunden sein mit Rücknahmeabkommen mit EU-Nachbarländern wie der Türkei oder mit den Herkunftsländern der Menschen. „Doch daran arbeitet derzeit niemand in der EU.“

Anzeichen für Zusammenbruch des Abkommens

Knaus fügte hinzu: „Solange das nicht gelingt, bleibt Europa ein Magnet. Wenn jeder, der überlebt und hierher kommt, bleiben kann, dann werden es viele versuchen.“ Er sehe bereits Anzeichen für einen möglichen Zusammenbruch des Abkommens mit der Türkei.

„In der ersten Jahreshälfte 2017 kamen ungefähr 9.000 Menschen über die Ägäis nach Griechenland, in der zweiten Hälfte waren es schon wieder 20.000. Die Tendenz ist klar.“ Die Lebensumstände in den EU-Flüchtlingslagern auf den griechischen Ägäis-Inseln nannte der Experte „unzumutbar“.

„Geschlossene Balkan-Route ist eine Illusion“

Dass die Balkan-Route für Flüchtlinge geschlossen sei, wie österreichische und EU-Politiker immer wieder betonen, sei eine Illusion, sagte Knaus. „Jeder Innenminister in Europa weiß, dass die Schließung der Balkan-Route nicht wirklich funktioniert hat. In den letzten zwei Jahren sind etwa genau so viele Menschen über die Balkan-Route nach Deutschland weitergereist, wie in diesen Jahren aus der Türkei in Griechenland angekommen sind.“

Dass die Türkei das Abkommen aufkündige, halte er für „sehr unwahrscheinlich“. Das am 18. März 2016 geschlossene Abkommen geht auf ein Konzept von Knaus zurück. Der Österreicher ist Vorsitzender der von ihm 1999 gegründeten Denkfabrik Europäische Stabilitätsinitiative (ESI) in Berlin.