US-Höchstrichterkandidat Brett Kavanaugh
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Causa Kavanaugh

Brisante Anhörung zu Übergriffsvorwurf

Der Donnerstag könnte der entscheidende Tag in der Causa Brett Kavanaugh werden. Der mit Übergriffsvorwürfen konfrontierte Höchstrichterkandidat von US-Präsident Donald Trump soll vor dem US-Senat zu den Anschuldigungen aussagen – ebenso wie die Psychologieprofessorin Christine Blasey Ford, die Kavanaugh eine versuchte Vergewaltigung vor mehr als 30 Jahren vorwirft.

Der Justizausschuss des Senats beraumte eine öffentliche Anhörung an, die um 16.00 Uhr MESZ starten soll. Für Freitag ist eine Abstimmung über Kavanaughs Kandidatur angesetzt. Das Eingangsstatement des 51-jährigen Juristen wurde bereits am Mittwoch verbreitet. Darin weist er alle Anschuldigungen von sich. Er sei in der Highschool zwar „nicht perfekt“ gewesen, aber unschuldig; er habe noch nie eine Frau sexuell belästigt. Die Vorwürfe von Ford und anderen seien nichts als Verleumdung, um seine Ernennung zu verhindern.

Ford: „Werde nie vergessen“

Ford wiederum wird laut im Vorfeld veröffentlichten Teilen ihres Statements sagen, dass sie den Übergriff „nie vergessen“ werde. „Ich habe nicht alle Antworten und erinnere mich an nicht so viel, wie ich gerne würde. Aber die Details dieser Nacht, die mich heute hierher bringen, werde ich nie vergessen.“ Es sei ihre „Bürgerpflicht“, gegen Kavanaugh auszusagen. Ford dürfte in ihrer Zeugenaussage ausschließen, dass sie Kavanaugh verwechselt haben könnte. Laut dem Justizausschuss meldeten sich zwei Männer, die behaupten, sie hätten den Übergriff an Ford begangen.

Christine Blasey Ford
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Die Professorin Christine Blasey Ford wirft Kavanaugh vor, sie bei einer Highschool-Party vor 36 Jahren missbraucht zu haben.

Trump hatte Kavanaugh im Juli für den freien Posten am Obersten Gerichtshof der USA vorgeschlagen. Kurz vor der Entscheidung des US-Senats über die Personalie waren aber schwere Vorwürfe gegen Kavanaugh an die Öffentlichkeit gekommen: Ford beschuldigt Kavanaugh, er habe sie Anfang der 80er Jahre am Rande einer Schülerparty versucht zu vergewaltigen.

Anschuldigungen weiterer Frauen

Im Anschluss tauchten weitere Anschuldigungen auf. Eine frühere Kommilitonin an der Universität Yale, Deborah Ramirez, gibt an, Kavanaugh habe sie bei einer Uniparty Anfang der 80er Jahre sexuell belästigt. Am Mittwoch ließ eine weitere Frau, Julie Swetnick, eine Erklärung veröffentlichen, in der sie Kavanaugh vorwirft, er habe in den 80er Jahren bei diversen Partys betrunken junge Frauen sexuell belästigt.

Kavanaugh habe „misshandelndes und physisch aggressives“ Verhalten gegenüber Frauen an den Tag gelegt und habe kein Nein akzeptiert. Unter anderem habe sie beobachtet, wir Kavanaugh versucht habe, Frauen ihre Kleidung vom Leib zu zerren, oder sich ohne deren Einverständnis an ihnen gerieben habe. Zudem habe er „grobe sexuelle Kommentare“ über junge Frauen gemacht, die dazu gedacht waren, diese zu „erniedrigen und zu beschämen“.

Außerdem sei Kavanaugh an Versuchen beteiligt gewesen, Frauen mit gepanschten Drinks betrunken zu machen, um sie willenlos zu machen, so Swetnick. Diese Frauen seien danach in Nebenzimmern missbraucht worden. Sie habe gesehen, wie sich Kavanaugh und sein Freund Mark Judge, der auch von Ford belastet wird, vor einem solchen Nebenzimmer „angestellt“ hätten. Sie selbst sei damals bei einer solchen Party Opfer einer Vergewaltigung geworden. Bei jener Party sei auch Kavanaugh anwesend gewesen. Welche Rolle Kavanaugh bei diesen Vorgängen genau gespielt haben soll, blieb in der Erklärung unklar.

Auch Anwalt von Stephanie Clifford involviert

Swetnicks Anwalt ist Michael Avenatti. Er vertritt auch die Pornodarstellerin und -regisseurin Stephanie Clifford (Stormy Daniels), die behauptet, 2006 mit Trump Sex gehabt und dafür Schweigegeldzahlungen empfangen zu haben. Clifford liefert dem Präsidenten heftige juridische Kämpfe in dieser Frage. Trump bestreitet die Affäre. Er bezeichnete Avenatti am Mittwoch als „Abschaum“ und „drittklassigen Anwalt“, der gut darin sei, falsche Anschuldigungen zu erheben.

Den Justizausschuss des Senats hatten noch zwei weitere anonyme Anschuldigungen gegen Kavanaugh aus späteren Jahren erreicht. Das geht aus einem Dokument hervor, das das Gremium am Mittwoch (Ortszeit) veröffentlichte: Es handelt sich um die Mitschrift einer langen Telefonbefragung, die Vertreter des Ausschusses vorab mit Kavanaugh gemacht hatten.

Trump deutet Zweifel an Kavanaugh an

Trump verteidigte Kavanaugh am Mittwoch weiterhin, schloss erstmals aber auch eine Abkehr von dessen Nominierung nicht aus. Falls er Kavanaugh für schuldig halte, einen sexuellen Übergriff begangen zu haben, könne er seine Meinung zu der Nominierung ändern, sagte Trump am Mittwoch (Ortszeit) in New York.

Leerer Anhörungssaal des Justizausschusses des Senats in Washington
AP/J. Scott Applewhite
Bereits vor den Übergriffsvorwürfen hatte es scharfe Kritik an dem erzkonservativen Kandidaten gegeben

Kavanaugh sei ein herausragender Mann mit großem Talent und großem Intellekt, so Trump. Mit Blick auf die Missbrauchsvorwürfe mehrerer Frauen gegen Kavanaugh sagte er aber zugleich: „Ich könnte überzeugt werden.“ Er wolle sich die Vorwürfe genau anhören. „Ich werde sehen, was morgen passiert.“ Er glaube, „das wird ein sehr, sehr wichtiger Tag in der Geschichte unseres Landes“, sagte Trump dazu.

Trump ortet Kampagne der Demokraten

Er sei in der Vergangenheit ebenfalls mit Missbrauchsvorwürfen konfrontiert gewesen, die sich alle als falsch herausgestellt hätten, sagte der Präsident. Im Fall Kavanaugh wähnt Trump eine politische Kampagne der oppositionellen Demokraten. Er warf ihnen erneut vor, sie betrieben hier ein „betrügerisches Spiel“. Bei den anstehenden Kongresswahlen Anfang November werde sich das niederschlagen. Die Demokraten zerstörten Kavanaughs Ruf. Selbst wenn er einen anderen Kandidaten vorschlüge, würden vermutlich neue Anschuldigungen aufkommen, sagte Trump. „Das könnte endlos so weitergehen.“

Die Personalie ist Gegenstand einer erbitterten parteipolitischen Auseinandersetzung. Die Demokraten haben große Vorbehalte gegen den erzkonservativen Richter und sehen eine Chance, seine Bestätigung hinauszuzögern, bis sich nach der Zwischenwahl am 6. November möglicherweise die Mehrheitsverhältnisse im Senat ändern. Die Nachbesetzung mit Kavanaugh könnte im Supreme Court auf viele Jahre den Konservativen ein Übergewicht geben. Die Richterinnen und Richter dort werden auf Lebenszeit ernannt.