Befürworter des Referendums in Mazedonien schwingen Fahnen
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Mazedonien

Hochspannung vor Namensreferendum

Es wäre die erste Lösung eines großen Konflikts auf dem krisengeschüttelten Balkan seit fast 30 Jahren: Am Sonntag entscheiden Mazedonier und Mazedonierinnen bei einer Volksabstimmung über eine Umbenennung. Mazedonien könnte künftig Republik „Nord-Mazedonien“ heißen. Vorausgegangen war dem Referendum ein langer Streit – der Ausgang ist ungewiss.

Das daher international mit Spannung verfolgte Referendum ist der erste Schritt zur Umsetzung eines Abkommens mit Griechenland, mit dem am 17. Juni nach fast 27 Jahren der Namensstreit beigelegt wurde. Rund 1,8 Millionen Stimmberechtigte sind am Sonntag dazu aufgerufen, über die Frage abzustimmen: „Sind Sie für die Mitgliedschaft in der EU und der NATO unter Annahme der Vereinbarung zwischen der Republik Mazedonien und der Republik Griechenland?“

Tauziehen zwischen EU/USA und Russland

Seit Jahrzehnten liefern sich die USA und die EU auf der einen und Russland auf der anderen Seite einen Kampf, um das Land in den eigenen Einflussbereich zu ziehen. Nicht zufällig wurde die Frage mit der EU- und NATO-Eingliederung des Balkan-Landes verknüpft. Denn wegen des ungelösten Namensstreits hatte Griechenland jahrelang jeden Fortschritt des Nachbarlandes im EU- und NATO-Annäherungsprozess blockiert. Bei vielen Griechen und Griechinnen weckte der bisherige Name Befürchtungen, Mazedonien könnte Gebietsansprüche auf eine gleichnamige nordgriechische Provinz erheben.

Karte Mazedonien/Griechenland, Factbox Mazedonien,
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Von Kurz über Merkel bis Mattis

Mit Verweis auf eben jene gleichnamige griechische Provinz spricht Griechenland seinem Nachbarn das Recht auf den Namen Mazedonien ab. Das nur von 106 der 193 UNO-Mitgliedsländern als Republik Mazedonien anerkannte Land firmiert aus diesem Grund in Internationalen Organisationen und auch bei der UNO selbst bisher unter dem Namen Frühere Jugoslawische Republik Mazedonien.

Mazedoniens Premierminister Zoran Zaev schwingt die mazedonische Fahne
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Die sozialdemokratische Regierung rund um Ministerpräsident Zoran Zaev (Mitte mit Fahne) gibt sich siegessicher.

Wie wichtig die Volksabstimmung daher geopolitisch ist, zeigen die Besuche hochrangiger Politiker kurz zuvor: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), sein Parteikollege EU-Minister Gernot Blümel, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und ihr Außenminister Heiko Maas, NATO-Chef Jens Stoltenberg, US-Verteidigungsminister James Mattis und viele andere warben offen für ein Ja bei dem Referendum.

Präsident ruft zum Boykott auf

Ob die Regierung die klare Zustimmung für ihr Abkommen mit Griechenland über den neuen Staatsnamen schaffen kann, ist längst nicht ausgemacht. Denn Staatspräsident Djordje Ivanov ist ebenso dagegen wie die Opposition. Die nationale Identität gehe verloren, so das Argument. Das Staatsoberhaupt hat wie einzelne Oppositionsabgeordnete zum Boykott aufgerufen.

Mazedoniens Präsident Djordje Iwanow
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Präsident Djordje Ivanov stellte sich gegen das Referendum

Er erneuerte den Aufruf am Donnerstag. „Am 30. September werde ich nicht abstimmen gehen“, erklärte Ivanov in seiner Ansprache vor der UNO-Vollversammlung in New York. Er sei überzeugt, dass auch seine Landsleute diese „weise Entscheidung“ treffen würden, fügte der Präsident hinzu. Die Namensänderung nannte er einen „historischen Selbstmord“.

Die Regierung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Zoran Zaev hingegen ist allerdings vom Erfolg des Referendums überzeugt. Für einen Erfolg des Referendums müssen mindestens 50 Prozent der Stimmberechtigten daran teilnehmen.

Umfragen sehen Befürworter voran

Nach Meinungsumfragen von Ende August unterstützen 57 Prozent der Befragten den Vorschlag, dass sich Mazedonien unter neuem Namen der EU und der NATO-Allianz anschließen soll. 49 Prozent waren gleichzeitig entschlossen zu Abstimmung zu gehen und für die Lösung des Namensstreits zu stimmen, weitere 22 Prozent wollten sich dagegen äußern.

Mazedonische Auslandswähler und -wählerinnen konnten bereits seit Mittwoch ihre Stimme abgeben. In 33 diplomatischen Vertretungen des Landes, das künftig „Nord-Mazedonien“ heißen könnte, hat um 7.00 Uhr Früh die Stimmabgabe begonnen. In Wien sind 151 mazedonische Staatsbürger und -bürgerinnen als stimmberechtigt registriert, meldete die Nachrichtenagentur MIA.

Größte Oppositionspartei gegen anderen Namen

Die Referendumskampagne der Regierung unter dem Motto „Sag JA zu einem europäischen Mazedonien“ wurde von mehreren kleineren Parlamentsparteien unterstützt. Die dominierende und nach wie vor einflussreiche Oppositionspartei VMRO-DPMNE (Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für Mazedonische Nationale Einheit), die von 2006 und Mitte 2017 das Land regierte, hat sich gegen die Namensänderung ausgesprochen.

Die VMRO-DPMNE, die im Parlament mit 51 der 120 Mandaten vertreten ist, hat entgegen vieler Befürchtungen ihre Anhängerschaft nicht dazu aufgerufen, der Abstimmung fernzubleiben. Die Führung der nationalkonservativen Partei entschied sich stattdessen zu einem „stillen Boykott“, indem sie ihren Anhängern riet, nach eigener Überzeugung abzustimmen.

Abstimmung nur „beratenden Charakter“

Eine wichtige Rolle spielt die Opposition allerdings auch nach dem Referendum. Denn die Volksabstimmung hat „beratenden“ Charakter, für die Behörden ist sie also nicht bindend. Nötig für die Umsetzung der Namensänderung ist eine Verfassungsänderung, die mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament beschlossen werden muss. Für eine Verfassungsmehrheit benötigt das Regierungsbündnis daher auch Stimmen aus den Reihen der Opposition. Das Abkommen mit Griechenland wurde im Juni mit nur knappen 69 Stimmen ratifiziert.

Der Chef der VMRO-DPMNE, Hristijan Mickoski, kündigte an, dass seine Partei das Ergebnis des Referendums akzeptieren werde. Zehn Tage vor der Volksabstimmung ließ er gar wissen, dass die Parteiführung ihre Abgeordneten auffordern würde, die darauf folgende Verfassungsänderung zu unterstützen, sollte das Referendum erfolgreich sein. Zuvor hatten allerdings gut ein Dutzend VMRO-DPMNE-Abgeordnete versichert, dass sie im Parlament gegen die Verfassungsänderung stimmen würden.

Warnung vor russischer Einmischung

Es gab auch Warnungen vor einer russischen Einmischung in die Referendumskampagne. US-Verteidigungsminister Mattis warnte etwa Russland vor einer Einmischung. Ministerpräsident Zaev versicherte daraufhin, dass es keine Beweise dafür geben würde. Russland sei ein Freund Mazedoniens und habe keine Einwände gegen seine Eingliederung in die Europäische Union.

Moskau sei allerdings gegen eine NATO-Mitgliedschaft seines Landes, räumte Zaev ein. Tatsächlich hatte Griechenland im Juli zwei russische Diplomaten ausgewiesen, nachdem ihnen vorgeworfen worden war, Beamte bestochen und Demonstrationen geschürt zu haben, um das Abkommen mit Mazedonien zu torpedieren.

Probleme auch für Tsipras

Gelingt es Mazedonien, die Verfassungsänderung im Parlament vor Jahresende durchzusetzen, ist das griechische Parlament am Zug. Dort soll das Abkommen Anfang nächsten Jahres zur Ratifizierung kommen. Auch Premier Alexis Tsipras dürfte beträchtliche Probleme haben, die Einigung durchzusetzen. Die mitregierende nationalistische Unabhängigkeitspartei hatte angekündigt, sie werde kein Abkommen billigen, mit dem das Recht am Namen Mazedonien aufgegeben werde.

Sollten alle Hindernisse bewältigt werden, will die EU im Juni 2019 Beitrittsgespräche mit Mazedonien aufnehmen. Den Status eines EU-Beitrittskandidaten hat das Land bereits seit Ende 2005, wegen des Namensstreites lag der Prozess aber jahrelang auf Eis. Die NATO führt seit Ende Juli offiziell Beitrittsgespräche mit Skopje. Bis zum Beitritt des Balkan-Landes zu dem Verteidigungsbündnis dürften allerdings noch etwa 18 Monate vergehen.