Luxuswohnung im Goldenen Quartier
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Wohnungsmarkt

Zwischen Abrissbirne und Luxuseigentum

In den vergangenen Jahren sind die Preise für Eigentumswohnungen in Österreichs Städten – allen voran in Wien – noch stärker gestiegen als die Mieten. Neben dem benötigten Wohnraum sind sie auch als Vorsorgewohnungen gefragt. Bauplätze im innerstädtischen Gebiet sind knapp.

Dass die Eigentumspreise in den vergangenen Jahren so stark angezogen haben, hat viele Gründe. Zunächst galten Immobilien in der Wirtschaftskrise als sicherer Hafen für Anleger. Das hat sich kaum verändert, im Gegenteil: Angesichts der niedrigen Zinsen fließt viel Kapital in den Markt, der mehr und risikolose Rendite abwirft.

Zankapfel Richtwertmietzins

Die einen sehen den Richtwertmietzins für Altbauten als nötige Kostenbremse in der Wohnungspolitik, die anderen beklagen, dass mit geringen Einnahmen kein Geld für die nötige Sanierung vorhanden sei und damit Bausubstanz langsam vernichtet werde. Auch Lagezuschläge sind derzeit umstritten.

Mehr Ertrag durch Abriss

Wie angespannt der Markt ist, zeigte zuletzt im Juni die Abrisswelle von Gründerzeithäusern in Wien vor einer Verschärfung der Bestimmungen. Ökonomisch ist das eine einfache Rechnung: Ein Gründerzeithaus in Wien habe üblicherweise höchstens vier Geschoße mit Wohnungen, die alle dem Richtwertmietzins unterliegen, erklärte Stadtforscher Robert Temel. „Wenn ich das abreiße und neu baue, dann habe ich sechs bis sieben Geschoße mit Wohnungen, für die ich einen freien Marktpreis verlangen kann.“ Der Ertrag würde sich damit fast verdreifachen.

Blick über Wien
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Baulücken im städtischen Gebiet bleiben meist nur kurz solche

Der Boden ist knapp

Jedenfalls gibt es akuten Bedarf an Wohnraum, nachdem der Wohnbau lange Jahre hinter dem Wachstum Wiens hinterhergehinkt war. Nun ist schon von einem Bauboom die Rede, doch knapp ist vor allem eines: Grundstücke dafür. Die Knappheit – vor allem im innerstädtischen Bereich – treibt die Grundpreise in die Höhe. In vielen Gegenden habe es über Jahre hinweg jährliche Steigerungen von über fünf Prozent gegeben, so Wolfgang Amann vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen gegenüber ORF.at.

Mehr frei finanzierte als geförderte Wohnungen

Und das hat wiederum Auswirkungen, wie gebaut wird. Für geförderten Wohnbau gibt es eine Kostenobergrenze, ist der Grund zu teuer, können nur frei finanzierte Wohnungen gebaut werden. „Früher bestand die Wohnbauproduktion in Wien zu etwa 80 Prozent oder mehr aus geförderten Wohnungen, aktuell haben die frei finanzierten die geförderten schon überholt“, so Stadtforscher Temel. Und frei finanzierte Wohnungen seien weit überwiegend Eigentumswohnungen, während geförderte in Wien fast nur mehr Mietwohnungen seien, so Temel. Auf dem freien Markt seien kaum noch Grundstücke unter der Preisgrenze für die Förderung mehr zu bekommen – außer vielleicht in schlechten Lagen.

Abrisshaus in Wien
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Zum Abriss freigegeben – hier in Wien-Meidling

Gemeinnützige Bauträger würden zunehmend auf periphere Lagen ausweichen, sagte Justin Kadi, Stadtforscher an der TU Wien gegenüber ORF.at. Aus Sicht einer sozial integrierten Stadtentwicklung sei das problematisch, wenn preiswerter Wohnraum nur mehr in peripheren Lagen entsteht und „damit für einkommensschwache Haushalte der Zugang zu zentral gelegenen Gebieten der Stadt erschwert wird“.

Neue Flächenwidmungskategorie

Politische Maßnahmen fordert nicht nur Temel, sondern auch Thomas Ritt, Leiter der Abteilung Kommunalpolitik der Arbeiterkammer (AK) Wien, und verweist auf Modelle, die in Westösterreich schon praktiziert würden, wie zeitlich begrenzte Widmungen oder Eingriffe über die Bauordnung. Tatsächlich wird Wien nun die Bestimmungen der Flächenwidmung und die Kategorie „geförderter Wohnbau“ einführen. Auf diesen Flächen dürfen nur Wohnbauten mit einem überwiegenden Anteil an geförderten Wohnungen errichtet werden – mehr dazu in wien.ORF.at. Von Wirtschaftsseite kommt allerdings Kritik – mehr dazu in wien.ORF.at.

Konjunktur ließ Baukosten steigen

Beim geförderten Wohnbau werden zudem häufig – vor allem von Wirtschaftsseite – baurechtliche Auflagen wie Barrierefreiheit und Garagenplätze als Preistreiber kritisiert. AK-Experte Ritt will das nicht gelten lassen, zudem würden in Wien Auflagen wie Stellplatzverpflichtung ohnehin zurückgefahren. Und viele der Kriterien würden auch die Wohnqualität steigern und so den Bewohnerinnen und Bewohnern zugutekommen.

Derzeit tragen tatsächlich gestiegene Baukosten zum Preisauftrieb bei, verursacht allerdings durch die anspringende Konjunktur. Im Vorjahr gingen dadurch die Preise deutlich in die Höhe. Die Bauwirtschaft sei so ausgelastet, dass es vielfach schwer sei, Angebote zu bekommen, so Amann. Teilweise könnten vernünftige Preise nur bei erheblichen Wartezeiten angeboten werden. Er sieht jedenfalls auch durch diesen Faktor einen Boom im hochpreisigen Segment – und das nicht nur in Wien, sondern auch in Westösterreich und einigen Landeshauptstädten.

Ein Viertel des Angebots teurer als 600.000

Bei einer Durchsicht von mehreren Immobilienportalen zeichnet sich ein eindeutiges Bild über die Größenordnung bei Wohnungspreisen in Wien ab. Bei rund einem Viertel der dort angebotenen Eigentumswohnungen in Wien liegt der inserierte Kaufpreis über 600.000 Euro, rund 15 Prozent sind teurer als 700.000 Euro. Je nach Plattform liegt der Anteil der Wohnung mit einem Preis jenseits der Millionenmarke zwischen sieben und neun Prozent. Allerdings ist davon auszugehen, dass gerade hochpreisige Immobilien nicht unbedingt über die klassischen Kanäle vertrieben werden.

Die Durchsicht zeigt auch eindeutig den Zusammenhang von Preis und Lage. Die überwiegende Mehrzahl der Immobilien mit Kaufpreis über 600.000 Euro ist innerhalb des Gürtels bzw. in den Bezirken Hietzing und Döbling zu finden. Bei Wohnungen über einer Million Euro sind es gar mehr als 90 Prozent. Eine ähnliche Erhebung des Internetportals ImmobilienScout24 unterschied zwischen neuen und gebrauchten Wohnungen. Bei Erstbezügen überschritten 29 Prozent den Preis von 500.000 Euro, bei gebrauchten waren es 26 Prozent – und damit um acht Prozentpunkte mehr als noch im Vorjahr.

Wo beginnt Luxus?

Wo Luxus beginnt, da gehen die Meinungen auseinander. Wohnbauforscher Amann meint, die Grenze verschiebe sich immer weiter nach oben, derzeit setzt er sie bei 8.000 Euro pro Quadratmeter an. Georg Edlauer und Gerald Gollenz vom Fachverband der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) nennen eine Preisspanne von 12.000 Euro bis zu 33.000 Euro. Georg Spiegelfeld, Präsident der Maklervereinigung Immobilienring, 15.000 bis 25.000 Euro. Die Experten betonten allerdings, dass sich Luxus nur bedingt am Preis festmachen ließe. Zählen würden das Design und vor allem die Lage und Exklusivität. Dazu kämen Assets wie Concierge-Service, Privatlift etc. Zumeist handle es sich um Ausbauten in bestehenden Gebäuden.

Dieses teuerste Segment sei ein eigener Markt, bei dem auch die üblichen Kostenfaktoren weniger Rolle spielen. Luxuswohnungen „gehen immer“, hieß es aus der WKÖ. Ein Boom sei in den vergangenen Jahren zu verzeichnen gewesen, jetzt sei das Angebot eher gleichbleibend. Spiegelfeld sieht hingegen derzeit in Wien recht viele Objekte auf dem Markt, was aber damit zu tun habe, dass der entsprechenden Nachfrage vor einigen Jahren mit den längeren Planungs- und Bauzeiten erst jetzt begegnet werden konnte.

Anspruchsvolle Klientel

Es gebe jedenfalls eine recht anspruchsvolle Klientel, hieß es von Maklerseite, oft dauere es mehrere Monate, bis ein Objekt tatsächlich verkauft ist. Anders als oft kolportiert handle es sich bei den Interessenten nur zu einem geringen Teil um ausländische Käufer. Spiegelfeld sagte, es seien häufig heimische Unternehmer, die eine Luxuswohnung sowohl für private als auch geschäftliche Nutzung kaufen und zudem auch schon das Investment oder die Weitergabe an Kinder im Auge hätten. Und auch Paare, die im fortgeschrittenen Alter ihre Villa im Grünen gegen eine City-Wohnung tauschen, seien häufiger anzutreffen, so Spiegelfeld.

Ist Eigentum schon Luxus?

Vonseiten der Stadtforscher sieht die Luxusdefinition anders aus: Kadi verweist auf die individuelle Einschätzung der Käuferinnen und Käufer – und da komme es auf das Einkommen an. Auch Temel sieht angesichts der in den vergangenen Jahren extrem stark gestiegenen Preise für Eigentumswohnungen den „ganzen Sektor nahe am Luxus“.

Makler Spiegelfeld räumte ein, dass Preise von 600.000 Euro aufwärts für Normalverdienende praktisch nicht finanzierbar seien, es sei denn, es seien genügend Eigenmittel – zumeist aus Erbschaft – vorhanden. Leichter sei das bei Preisen von 300.000 bis 500.00 Euro, der Trend gehe jedenfalls zu kleineren und damit günstigeren Wohnungen, das treffe sich auch mit den demografischen Entwicklungen und Trends im Lebensstil.

Mit den Preisanstiegen werde der erschwingliche Wohnraum kleiner, meinte auch AK-Experte Ritt – und das sowohl bei Miete als auch bei Eigentum. Und das betreffe nicht nur Singles und Paare, sondern auch Familien mit Kindern.