Kavanaugh weist Vorwürfe zornig zurück

Trump lobte den Auftritt von Kavanaugh vor dem US-Senat und stellte sich klar hinter seinen Richterkandidaten: „Richter Kavanaugh hat Amerika genau gezeigt, warum ich ihn nominiert habe“, schrieb Trump am Donnerstagabend (Ortszeit) auf Twitter. Die Nachricht erfolgte wenige Minuten, nachdem die Anhörung vor dem US-Senat zu den Anschuldigungen gegen Kavanaugh endete.

„Seine Aussage war stark, ehrlich und fesselnd“, so Trump. Die Strategie der Demokraten, die Ernennung des Richters für den Supreme Court zu verhindern, sei schändlich, beklagte der Präsident. Der Senat müsse nun über die Personalie abstimmen, verlangte Trump in seinem Tweet.

Name „vollständig und dauerhaft“ zerstört

„Ich habe niemals jemanden sexuell angegriffen“, sagte Kavanaugh in der Anhörung in Washington. Er bezeichnete den Verlauf seines Nominierungsverfahrens als eine „nationale Schande“ und sich selbst als Opfer einer „kalkulierten und orchestrierten“ politischen Kampagne. An einigen Stellen seines hochemotionalen Vortrags konnte der 53-Jährige ein Schluchzen nicht unterdrücken.

Innerhalb von zehn Tagen seien seine Familie und sein Name wegen der Vorwürfe „vollständig und dauerhaft“ zerstört worden. „Dieser Nominierungsprozess ist zu einer nationalen Schande verkommen“, so Kavanaugh. Er warf den Demokraten vor, eine politische Kampagne gegen ihn zu fahren. „Seit meiner Nominierung im Juli gab es eine Besessenheit auf Seiten der Linken, irgendetwas zu finden, um meine Bestätigung zu verhindern.“

Er werde sich davon aber nicht einschüchtern lassen und an seiner Kandidatur für den Obersten US-Gerichtshof festhalten, erklärte Kavanaugh. „Sie mögen mich in der Endabstimmung besiegen, aber sie werden mich nie dazu bringen, aufzugeben.“ Während seiner fast einstündigen Ansprache wurde seine Stimme mehrfach laut, auch kämpfte er wiederholt mit den Tränen.

„Ich bin unschuldig“

Kavanaugh gab zu, in seiner Schulzeit Bier getrunken zu haben, mehrfach sprach er auch über seinen Kalender, der bereits im Vorfeld der Anhörung thematisiert wurde. In diesem sei kein Eintrag für die Party, auf der die Psychologieprofessorin Christine Blasey Ford vergewaltigt worden ist, gestanden. Er stelle nicht in Frage, dass Ford vergewaltigt worden sei, aber er habe nichts damit zu tun. „Ich bin unschuldig“, beendete Kavanaugh sein Statement.

Ford schilderte versuchte Vergewaltigung

Ford hatte zuvor dem Ausschuss im Detail geschildert, wie Kavanaugh sie vor 36 Jahren während einer Party zu vergewaltigen versucht haben soll. Sie sagte, sie sei sich zu „hundert Prozent“ sicher, dass Kavanaugh der Angreifer gewesen sei. In einer emotionalen Stellungnahme blickte sie auf den Tag im Jahr 1982 zurück, als sie um Hilfe schrie und Kavanaugh ihr den Mund zugehalten haben soll.

„Ich bin heute nicht hier, weil ich es sein möchte. Ich habe Angst. Ich bin hier, weil ich glaube, dass es meine Bürgerpflicht ist, Ihnen zu erzählen, was mit mir passiert ist, während Brett Kavanaugh und ich auf der High School waren“, sagte Ford zu Beginn ihrer Anhörung durch den Justizausschuss. Detailliert beschrieb sie anschließend, wie der damals 17-jährige Kavanaugh sexuell übergriffig geworden sei und seine Hand auf ihren Mund gelegt habe, um sie am Schreien zu hindern. „Es war schwer für mich zu atmen, und ich dachte, dass Brett mich versehentlich töten würde“, sagte Ford, damals 15 Jahre alt.

Der Vergewaltigungsversuch habe bei einer Party stattgefunden. Kavanaugh sei „sichtlich betrunken“ gewesen, sagte Ford, die nach eigenen Angaben in ein Zimmer gedrängt wurde. „Brett stieg auf mich. Ich schrie, hoffte, jemand würde mich hören, aber sein Gewicht war schwer“, so die heute 52-Jährige. Ein Freund Kavanaughs sei zugegen gewesen und habe gelacht. Erst als dieser auf das Bett gehüpft sei, sei es für Ford möglich gewesen, zu flüchten. „Direkt gegenüber vom Schlafzimmer war ein kleines Badezimmer. Ich rannte ins Badezimmer und verschloss die Tür.“

Panikattacken und Angstzustände

Ford berichtete, dass sie jahrelang nicht darüber sprechen konnte. „Ich wollte meinen Eltern nicht sagen, dass ich im Alter von 15 Jahren in einem Haus ohne Eltern war und mit Burschen Bier trank. Ich habe versucht, mich davon zu überzeugen, dass, weil Brett mich nicht vergewaltigt hat, ich weitergehen und so tun könnte, als wäre es nie passiert“, so die Psychologieprofessorin. Bis 2012 habe sie keine Details über den sexuellen Übergriff genannt. Erst als sie ihr Haus renovierte und unbedingt eine zweite Türe haben wollte, beschrieb sie ihrem Ehemann den Angriff vor mehr als 30 Jahren. „Mein Ehemann erinnert sich, dass ich meinen Angreifer Brett Kavanaugh genannt habe.“

Sie sei zwar zur Therapiesitzung gegangen, aber sie habe Angstzustände und Panikattacken erlebt. Sie erzählt Freunden davon, nannte aber nie den Namen Kavanaugh. Das änderte sich Anfang Juli 2018. „Ich sah Presseberichte, in denen stand, dass Brett Kavanaugh auf der Short List potenzieller Kandidaten des Supreme Court stand. Ich hielt es für meine Bürgerpflicht, die Informationen, die ich über das Verhalten von Kavanaugh hatte, weiterzuleiten, damit diejenigen, die seine mögliche Nominierung in Betracht zogen, über den Angriff Bescheid wüssten“, so Ford vor dem Ausschuss.

Ford wehrt sich gegen Vorwürfe

Nach ihrem Eingangsstatement begann eine Befragung der Wissenschaftlerin durch die Senatoren sowie die auf Verfolgung sexueller Gewalttaten spezialisierte Staatsanwältin Rachel Mitchell. Die Psychologieprofessorin wehrte sich unter anderem gegen den Verdacht, ihre Anschuldigung gegen Kavanaugh könnte politisch motiviert sein. „Ich bin eine unabhängige Person und ich bin niemandes Spielfigur“, so Ford.

Es liege nicht ihrer Verantwortung, darüber zu entscheiden, ob Kavanaugh das höchstrichterliche Amt verdiene: „Meine Verantwortung ist es, die Wahrheit zu sagen.“ Außerdem schloss sie eine Verwechslung ihres mutmaßlichen Angreifers aus. Sie sei sich zu „100 Prozent“ sicher, dass es Kavanaugh gewesen sei, sagte sie. Der Vorfall habe sich in ihr Gedächtnis „eingebrannt“ und sie als Erwachsene immer wieder heimgesucht.

Die Anhörung in Washington wurde landesweit mit großer Spannung erwartet. Vor den Kongresswahlen Anfang November ist die Personalie Gegenstand einer erbitterten Auseinandersetzung zwischen Trumps Republikanern und den oppositionellen Demokraten geworden. Für diesen Freitag ist eine Abstimmung im Justizausschuss über eine Empfehlung Kavanaughs angesetzt. Danach muss der US-Senat über die Berufung des 53-Jährigen an das höchste US-Gericht abstimmen.

„Katastrophe“ für Republikaner

Nach Fords Eingangsstatement zeigten sich Beobachterinnen und Beobachter von der Glaubwürdigkeit der Aussagen überzeugt. Fox-News-Moderator Chris Wallace bezeichnete Fords Aussage etwa als „Katastrophe“ für die Republikaner. Trump selbst soll einem Journalisten zufolge extrem wütend sein, dass im Voraus niemand gewarnt hätte, „wie glaubwürdig Ford“ wirken werde, so Gabriel Sherman im Kurznachrichtendienst Twitter.

Am frühen Nachmittag wurde die Anhörung von Ford nach rund vier Stunden beendet. Sie wurde beim Verlassen des Saals von Bodyguards begleitet. Mehrere Frauen im Saal standen auf und sagten laut „Danke, Doktor Ford!“.

Senator attackiert Demokraten

Während der Anhörung wurde nicht nur Kavanaugh lautstark: Der republikanische Senator Lindsey Graham holte zu einer wütenden Schimpftirade gegen die Demokraten aus. „Das ist die unmoralischste Schande, die ich je erlebt habe, seit ich in der Politik bin“, so Graham. Er warf den demokratischen Senatorinnen und Senatoren vor, Kavanaughs Leben zerstören und den Sitz am Supreme Court offen halten zu wollen, weil sie hofften, die Wahl 2020 zu gewinnen. Die Republikaner drängen nun auf eine schnelle Entscheidung über ihren Richterkandidaten.

Trump schlug Kavanaugh im Juli vor

US-Präsident Donald Trump hatte Kavanaugh im Juli für den hochrangigen Richterposten vorgeschlagen. Kurz vor der Entscheidung des US-Senats über die Personalie waren Fords Vorwürfe gegen Kavanaugh an die Öffentlichkeit gekommen. Später meldete sich eine frühere Kommilitonin Kavanaughs an der Universität Yale, Deborah Ramirez. Sie gibt an, Kavanaugh habe sie bei einer Studentenparty Anfang der 80er Jahre sexuell belästigt.

Am Mittwoch ließ eine weitere Frau, Julie Swetnick, über ihren Anwalt eine Erklärung veröffentlichen, in der sie Kavanaugh vorwirft, er habe in den 80er Jahren bei diversen Partys in angetrunkenem Zustand junge Frauen sexuell belästigt. Swetnick sagte dem Sender MSNBC: „Nach dem, was ich aus erster Hand erlebt habe, glaube ich nicht, dass er in den Supreme Court gehört.“