„Zu ebener Erde“: Auf Tour mit Wiener Obdachlosen

„Zu ebener Erde“ hat das Regietrio Birgit Bergmann, Steffi Franz und Oliver Werani die Protagonisten seiner Doku angetroffen: Menschen ohne festen Wohnsitz in Wien.

Auf jeden Kommentar aus dem Off verzichtend, begleiten sie drei von ihnen und ein Pärchen im Alltag auf der Straße und in Obdachlosenunterkünften. Normalerweise will man nicht hinsehen – hier erfährt man, wie sie leben, ohne unnötige Dramatik und ohne jede Sozialromantik.

Da ist einmal Hedvig, die tagsüber in Univorlesungen geht, wo sie durch eloquente, kapitalismus- und genderkritische Statements auffällt. Nachts schläft sie im Wienerwald in einem Reisighaufen. Ihre Tochter ist an plötzlichem Kindstod gestorben, das hat sie bis heute nicht verwunden. Für die Pension fehlen ihr noch ein paar Jahre, am Arbeitsamt gilt die resolute Frau als völlig unvermittelbar. Sie sammelt Kräuter.

Eine Schicksalsgemeinschaft

Dann Katarina und Ladislav, ein slowakisches Pärchen, sie im Rollstuhl, er ein junger Mann mit Baseballkapperl, der sich um sie kümmert, allerdings nicht gerade „rührend“, sondern schroff, teilweise aggressiv. Dauernd frieren die beiden unter der Brücke. Kinder hätte Katarina gerne, Ladislav hält sich aber lieber an den Wodka – doch irgendwann möchte er aufhören.

Auf Parkbänken und in der Caritas-Unterkunft „Gruft“ findet man Alfred, einen ehemaligen Fremdenlegionär, der erzählt, dass er Vater eines elfjährigen Mädchens in Dschibuti ist. In der Legion habe man immer ihn gerufen, wenn es galt, einen Verletzten zu erschießen, dem die Sanitäter nicht mehr helfen konnten. Der Alkohol half beim Verdrängen.

Neuer Blick auf Wien

Und schließlich Michael, der höfliche Obdachlose von der Pilgramgasse, der Passantinnen und Passanten in gewähltem Deutsch begrüßt. Er ist ehemaliger Junkie und HIV-positiv, immer zu jedem nett, ein sympathischer Mann, dessen Tage allerdings gezählt sind.

Die Doku befriedigt die Neugier zu wissen, wer die denn so sind, die man da sieht, aber nicht auf Kosten der Würde der Protagonistinnen und Protagonisten. Und sie entwirft eine neue Kartografie der Stadt, die durch die Augen von Obdachlosen zu einer anderen wird. In der Nebenrolle glänzt das Sozialsystem, getragen von Nichtregierungsorganisationen. Die vielen Helferinnen und Helfer haben jeden Respekt verdient.