Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung
APA/Hans Klaus Techt
IV-Kritik an Kickl

„Nicht in Richtung Ungarn gehen“

Der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Kapsch, übt angesichts der Diskussion über die E-Mail aus dem Innenressort über den Umgang mit kritischen Medien scharfe Kritik an Innenminister Herbert Kickl (FPÖ). Und er warnte die ÖVP-FPÖ-Koalition davor, „in Richtung Ungarn“ zu gehen.

„Ich glaube, Kickl hat wirklich eine Grenze überschritten“, sagte der Chef der Interessenvertretung der Industrie, die als Unterstützerin der aktuellen Koalition gilt, in einem Interview mit der Wochenendausgabe der „Presse“.

„Wer die Pressefreiheit irgendwie infrage stellt, rüttelt an den Grundfreiheiten der Demokratie. Ich verstehe das absolut nicht. Und ich bin glücklich, dass sich der Bundeskanzler (Sebastian Kurz/ÖVP, Anm.) dazu geäußert hat“, sagte Kapsch zu jener E-Mail, in der Ressortsprecher Christoph Pölzl diversen Polizeidienststellen geraten hatte, die Kommunikation mit „kritischen Medien“ (explizit genannt wurden „Kurier“, „Standard“ oder „Falter“) auf das Nötigste – rechtlich vorgesehene – Maß zu beschränken.

„Grenze überschritten worden“

„Wir wissen, dass das in der Vergangenheit immer wieder gemacht wurde, das passiert ja nicht zum ersten Mal. Aber dass er (Kickl, Anm.) das so offiziell macht, ist neu“, so Kapsch. „Wir haben jetzt auch noch den Vorsitz der Europäischen Union, da muss man besonders vorsichtig sein. Es gibt immer mehr Staaten, die genau in diese Richtung gehen, und zu diesen Staaten sollten wir uns nicht zählen.“

Man sollte „sicher nicht in Richtung Ungarn gehen“, sagte der Präsident unter Verweis auf das vom dortigen rechtskonservativen Regierungschef Viktor Orban propagierte und weitgehend umgesetzte Modell einer „illiberalen Demokratie“. Kritische Medien sind in Ungarn mittlerweile Mangelware. Das EU-Parlament hatte sich aus diesem Grund zuletzt für die Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens gegen Ungarn eingeleitet.

Auf die Frage, ob er Kickl als Minister für noch tragbar halte, wollte Kapsch nicht eingehen: „Dazu will ich mich nicht äußern, ich bin kein Politiker. Ich sage nichts zu Personen, sondern nur zu Taten und Inhalten. Und hier ist eine Grenze überschritten worden, die man schlicht und einfach nicht überschreitet, weil es gefährlich ist.“

Strache verteidigt Kickl

Bei einer Veranstaltung des „Kurier“ verteidigte FPÖ-Chef Vizekanzler Heinz-Christian Strache seinen Parteikollegen Kickl. Dieser sei keineswegs gefährdet und auch kein „Problembär“, berichtete der „Kurier“ (Online-Ausgabe). Die Mail aus dem Innenministerium, die von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) abwärts für Kritik sorgte, war laut Strache schlicht „blöd formuliert“ und die Pressefreiheit nicht gefährdet. Der Vizekanzler betonte zugleich, Regierungsvertreter und Regierungsvertreterinnen müssten nicht allen Medien alle Informationen zukommen lassen.

Direkt auf Kapsch reagierte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker in einer Aussendung: Die Causa gehe Kapsch „einen Schmarren“ an. Er solle sich „nicht in Sachen einmischen, die seinen Wirkungsradius eigentlich überhaupt nicht tangieren“. Die Kritik sei „an den Haaren herbeigezogen“, so Hafenecker.

Kapsch mit Wirtschaftspolitik zufrieden

Die Performance der Regierung insgesamt sieht Kapsch unterdessen zweigeteilt: „Die wirtschaftspolitische Performance beurteile ich grundsätzlich gut, die Vorhaben sind gut, die Schritte, die sie setzen, sind auch gut. Man sieht schon, dass sie etwas tun wollen.“ Aber die Migrationspolitik würde er „etwas anders lösen“: „Ich würde das Thema ‚Asyl‘ natürlich vom Thema ‚Qualifizierte Zuwanderung‘ trennen. Ich würde aber beides gleichzeitig lösen und nicht erst versuchen, das eine zu lösen und dann das andere.“