Buchautorin Hanna Herbst
ORF.at/Sonia Neufeld
Hanna Herbst

Feminismus für Einsteiger

Sie gelten als Spaßbremsen der Nation, von ihren Anliegen fühlt sich ein Großteil der Bevölkerung entweder genervt oder bedroht. Die Journalistin Hanna Herbst weiß, wie Feministinnen und Feministen ticken und hat ein Buch darüber geschrieben. Im Gespräch mit ORF.at erzählt sie, warum.

T-Shirts mit dem Aufdruck „I’m a feminist“ kann man im Modegeschäft um die Ecke kaufen, Popstars besingen die Weltherrschaft der Frauen, #MeToo kennt mittlerweile jedes Kind, und feministische Initiativen reichen vom Frauenvolksbegehren in Österreich bis zum Frauenmarsch in Washington. Ist der Feminismus im Mainstream angelangt? „Schön wär’s, aber ich bezweifle es“, sagt Autorin Herbst beim Interview im Wiener Schikaneder Kino, wo sie vergangenes Wochenende ihr erstes Buch präsentiert hat.

Schon der Titel „Feministin sagt man nicht“ spielt darauf an, dass das Wort allein immer noch für Ressentiments sorgt. „Wir sind noch lange nicht dort, wo wir sein sollten“, so Herbst, die jetzt wieder Studentin der Politikwissenschaften ist, nachdem sie die Chefredaktion der Österreich-Ausgabe des Lifestylemagazins „Vice“ im August verlassen hat. In acht Kapiteln rollt das Buch die Schlagwörter Quotenfrauen, Patriarchat, Onlinehass, sexuelle Belästigung, Pornografie, Körperkult und einiges mehr auf.

Buchautorin Hanna Herbst
ORF.at/Sonia Neufeld
Hanna Herbst bei der Präsentation ihres Buches im Wiener Schikaneder Kino

Geschrieben habe sie es vor allem für junge Frauen und Männer, die sich bisher noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben. „Es ist wichtig, mit 20 jemanden zu haben, mit dem man sich identifizieren kann, der nicht belehrt, sondern unsicher und merkwürdig wie man selber ist“, sagt die 28-Jährige. Deshalb erzählt sie sehr offen und bewegend, welche Erlebnisse ihr (Frauen-)Leben geprägt haben, und zeichnet die Verbindungslinien zwischen ihren privaten Erfahrungen, globalen Machtverhältnissen und strukturellen Ungleichheiten nach.

Buchcover
Brandstätter Verlag

Hanna Herbst: „Feministin sagt man nicht“. Brandstätter, 136 Seiten, 20 Euro.

Bis zur Selbstaufgabe

Herbst träumt von einer Welt, in der es keine Feministinnen mehr geben muss, weil ihre Anliegen obsolet geworden sind. Bis dahin gelte es aber, die feministischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte zu verteidigen und sicherzustellen, dass sie nicht rückgängig gemacht werden. Wenn es sein muss, „bis zur Selbstaufgabe“. Dass sie sich selbst und ihr Engagement gegen Rassismus und Sexismus noch nicht aufgegeben hat, verdanke sie vor allem den Menschen in ihrer Umgebung, die ihr immer wieder die Kraft gäben weiterzumachen, auch wenn es manchmal verführerischer scheine, sich lähmender Angst zu ergeben.

Denn der Hass, der ihr und anderen Frauenrechtlerinnen entgegenschlage, sei manchmal kaum auszuhalten. Im Buch widmet sie dem Thema ein ganzes Kapitel. „Wir müssen uns anhören, dass wir dick sind und hässlich, dass wir es nicht wert wären zu leben, dass man uns den Uterus herausschneiden sollte, uns richten, uns ficken, bis es nur noch unsere sterblichen Überreste sind, die gefickt werden, dass man uns in früheren Jahren erschossen hätte, und dass man es noch tun sollte“, zählt sie Anfeindungen in den Sozialen Netzwerken auf.

Keine Handhabe gegen Drohungen

Das Melden solcher Kommentare sei ein Kampf gegen Windmühlen. „Bei 1:1-Kommunikation auf Messenger können wir nichts machen, das ist ja so wie eine SMS“, erklärte ihr etwa ein Pressesprecher bei Facebook, als sie ihm den Screenshot einer Nachricht geschickt hatte, in der ein User schrieb, er werde sie vergewaltigen. Den Fall der ehemaligen grünen Nationalratsabgeordneten Sigrid Maurer, die sich am 9. Oktober vor Gericht verantworten muss, verfolgt Herbst dementsprechend gespannt – mehr dazu in Üble Nachrede: Prozess gegen Maurer vertagt.

Eine männerhassende Nestbeschmutzerin, wie auf einem antifeministischen Onlineportal geschrieben steht, sei sie übrigens nicht, erklärt Herbst belustigt. „Warum sollte ich Männer hassen? Das ist völlig absurd. Wenn jemand ein Arschloch ist, ist er ein Arschloch, und wenn jemand gut ist, dann ist er gut – egal ob Mann oder Frau. Ich habe die besten Brüder, den coolsten Vater, ich habe in meinem Umfeld viele tolle Männer, und mit einem von ihnen bin ich in einer Beziehung.“

Feministin sagt man doch

Auch wenn Herbst „Feministin sagt man nicht“ für ein jüngeres Publikum konzipiert hat, sollte gerade auch der vielzitierte heterosexuelle, weiße Mann in den besten Jahren das Buch lesen. Von den Suffragetten bis zum österreichischen Frauenvolksbegehren – für das man sich noch bis 8. Oktober eintragen kann – spannt Herbst den historischen Bogen und zeigt, dass ein Frauenleben auch heute noch in einem Kontext aus Macht- und Gewaltfragen zu sehen ist. „Ich denke, es ist Zeit, daran zu erinnern: Die Vision des Feminismus ist nicht eine weibliche Zukunft. Es ist eine menschliche Zukunft“, wird die erste österreichische Frauenministerin Johanna Dohnal gegen Ende des Buches zitiert. In diesem Sinne: Feministin sagt man doch.