Zerstörung in Palu
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Tsunami

„Kein Wort“ aus 300.000-Einwohner-Region

Nach den zwei Erdbeben und dem Tsunami ringen in Indonesien die Behörden und Einsatzkräfte weiter darum, in das Katastrophengebiet zu kommen, um Menschenleben zu retten. Befürchtet wird, dass die Zahl der Toten in die Tausende gehen könnte. Bisher wurden mehr als 400 Tote bestätigt. Von der 300.000-Einwohner-Region Donggala, die ebenfalls vom Tsunami getroffen wurde, fehlt bisher jede Information.

Laut dem Sprecher von Indonesiens Katastrophenschutzbehörde, Sutopo Nugroho, ist der Schaden in der südlich von Donggala gelegenen Stadt Palu „großflächig“. Dort seien Tausende Häuser zerstört worden, darunter Spitäler, Einkaufszentren und Hotels. Eine Brücke stürzte ein, und die Hauptverkehrsverbindung nach Palu wurde durch mehrere Erdrutsche unterbrochen.

„Der Tsunami kam nicht allein, er riss Autos, Holzstämme, Häuser mit sich und traf alles auf dem Land“, so Nugroho. Die zerstörerische Welle habe sich auf dem Meer mit einer Geschwindigkeit von 800 km/h bewegt, bevor sie auf die Küste traf.

„Es könnte noch viel schlimmer werden“

Laut Nugroho wird befürchtet, dass der Schaden entlang der Küste nördlich von Palu noch größer ist – das betrifft die Stadt Donggala und die sie umgebende Region. Diese liegen näher am Epizentrum der Beben. Die Kommunikation nach Donggala sei „völlig unterbrochen“. Der indonesische Vizepräsident Jusuf Kalla sagte, man habe bisher „kein Wort“ aus Donggala gehört.

Auch das Rote Kreuz bestätigte das: „Wir erhalten derzeit eingeschränkte Informationen über die Zerstörung in Palu – aber wir haben nichts von Donggala gehört, und das ist extrem besorgniserregend. Es leben mehr als 300.000 Menschen dort“, hieß es von der Hilfsorganisation. „Das ist bereits eine Tragödie, aber es könnte noch viel schlimmer werden.“

Mann durchsucht Trümmer
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Das Ausmaß der Zerstörung ist überwältigend

„Brauchen jede Hilfe“

In Palu kämpften die Krankenhäuser, die meisten von ihnen sind selbst teils schwer beschädigt, damit, die vielen Verletzten zu versorgen. „Wir brauchen jede Hilfe, die wir bekommen können“, sagte der Direktor der Undata-Klinik in der Inselhauptstadt Palu, Komang Adi Sujendra.

Indonesiens Präsident Joko Widodo entsandte mittlerweile Militär in die Krisenregion, die Rettungsmannschaften bei der Suche nach Überlebenden und der Bergung von Leichen helfen sollen. Laut Katastrophenschutz gehen die meisten Toten auf das heftigere der beiden Erdbeben zurück, das mit einer Stärke von 7,4 am Freitagabend (Ortszeit) ganz Sulawesi erschütterte. Zuvor hatte es ein Beben der Stärke 5,9 gegeben. Das Zentrum des zweiten Erdbebens lag in rund zehn Kilometer Tiefe etwa 80 Kilometer nördlich von Palu.

Menschen gehen án den an den Strand gespülten Trümmern vorbei
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Dutzende Leichen lagen in den Straßen der Provinzhauptstadt Palu

Das Beben war so stark, dass es noch in mehreren hundert Kilometer Entfernung auf der benachbarten Insel Borneo zu spüren war. Es ereignete sich kurz vor dem Freitagsgebet in dem mehrheitlich muslimischen Land, wenn die Moscheen besonders stark besucht sind. Jan Gelfland von der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften sprach von einer „schreckenerregenden Doppelkatastrophe“.

Erst bebte die Erde, dann kam die Flut

Meterhohe Wellen haben weite Teile der Stadt Palu verwüstet. Krankenhäuser kommen mit der Versorgung der Verletzten kaum zurande.

Hunderte Häftlinge geflohen

Der zweite Erdstoß löste eine hohe Meereswelle aus, die über die Küste von Palu hereinbrach. Viele Menschen gerieten in Panik. Mehrere Häuser wurden weggeschwemmt. Auch ein Einkaufszentrum und eine Moschee nahmen schweren Schaden. Krankenhäuser waren völlig überlastet wegen der großen Zahl der Verletzten. Nach dem Tsunami musste der wichtigste Flughafen in Palu geschlossen werden, was die Katastrophenhilfe erschwerte. Eine Zufahrtsstraße zur Stadt war nach Erdrutschen blockiert.

Zerstörte Moschee
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Die Katastrophe ereignete sich kurz vor dem Freitagsgebet, wenn die Moscheen besonders stark besucht sind

Die Mauern eines Gefängnisses mit rund 560 Insassen stürzten ein, mehr als die Hälfte entkamen. Die Wärter hätten die Häftlinge nicht aufhalten können, weil diese in der Überzahl waren, sagte ein Sprecher. Zudem hätten sich die Beamten selbst in Sicherheit bringen müssen. Die Behörden haben seinen Worten zufolge bisher nicht versucht, die Geflohenen aufzuspüren – sie seien mit den Rettungsarbeiten zu beschäftigt.

Indonesien – mit mehr als 260 Millionen Einwohnern einer der bevölkerungsreichsten Staaten – liegt auf dem Pazifischen Feuerring, einer geologisch sehr aktiven Zone. Dort bebt die Erde immer wieder. Bei mehreren Erdstößen auf der bei Touristen beliebten Insel Lombok – der Nachbarinsel von Bali – kamen im Sommer mehr als 500 Menschen ums Leben. Auch Vulkanausbrüche sind in Indonesien keine Seltenheit.

Spendenaufruf der Caritas

Im Dezember 2004 löste ein Erdbeben nördlich der indonesischen Insel Sumatra einen Tsunami über weite Teile des Indischen Ozeans aus, bei dem in 13 Ländern rund 226.000 Menschen getötet wurden – mehr als 120.000 davon in Indonesien. Seit damals haben Hilfsorganisationen wie die Caritas ihre Kompetenzen und Kapazitäten in der Region ausgebaut. Spenden sind nach der aktuellen Katastrophe aber dringend erforderlich.

Von der Europäischen Union hieß es, man stehe an der Seite der indonesischen Menschen und Behörden und habe bereits Hilfe angeboten. Zudem sei der Copernicus-Dienst für Katastrophen- und Krisenmanagement (EMS) aktiviert worden. Es könnten auch Lagekarten erstellt werden, die ein detailliertes Ausmaß der Schäden zeigen.