An Land geschwemmtes Schiff
AP/Yoanes Litha
Indonesien

Bevölkerung nicht vor Tsunami gewarnt

Bei der Tsunami-Katastrophe in Indonesien sind vermutlich mehr als tausend Menschen ums Leben gekommen. Offiziell gab es auf der Insel Sulawesi mindestens 832 Tote. Gewarnt wurden die Menschen in dem betroffenen Gebiet vor dem Tsunami nicht – obwohl die Software des Frühwarnsystems funktioniert hat.

Der Sprecher von Indonesiens Katastrophenschutzbehörde, Sutopo Nugroho, sagte: „Es gab keine Sirene. Viele Menschen waren sich der Gefahr nicht bewusst.“ Das nationale Zentrum für Meteorologie und Geophysik hatte zwar am Freitag eine Tsunami-Warnung ausgegeben, sie nach nur einer halben Stunde aber wieder aufgehoben – aus Sicht von Kritikern viel zu früh.

Fehler bei „menschlicher Übermittlung“

Das Warnsystem an sich habe funktioniert, sagte Josef Zens vom Deutschen Geoforschungszentrums (GFZ) in Potsdam. Eine Warnung für das Gebiet war Zens zufolge am Freitag bereits fünf Minuten nach dem Erdbeben im Lagezentrum des Tsunami-Frühwarnsystems eingetroffen. Das System habe eine Warnung für die Inselhauptstadt Palu vor einem Tsunami zwischen einem halben und drei Meter Höhe ausgegeben.

Zerstörte Moschee in Palu
APA/AFP/Adek Berry
Von den Wassermassen zerstörte Moschee in Palu

Der Tsunami habe dann nach 25 Minuten an der Insel Sulawesi die Küste getroffen. Die Vermutung sei also, dass „irgendetwas bei der menschlichen Übermittlung der Warnung vor Ort in Sulawesi nicht funktioniert hat“, sagte Zens der Zeitung.

Berichte über mehr als 1.200 Tote

Das Ausmaß der Schäden auf Sulawesi ist noch nicht absehbar. Mehr als 1,5 Millionen Menschen dürften betroffen sein, so die jüngsten Angaben von Sonntag. In einer Zwischenbilanz bezifferten die Behörden die Zahl der Toten am Sonntag auf mindestens 832. Das indonesische Online-Nachrichtenportal Kumparan berichtete am Sonntag unter Berufung auf die nationale Polizei bereits von mindestens 1.203 Toten, eine offizielle Bestätigung dafür gibt es noch nicht.

Rettungsteams brauchen aufgrund der stark beschädigten Infrastruktur teilweise mehrere Stunden, um ins Katastrophengebiet vorzudringen. Die Region wird weiterhin von Nachbeben erschüttert. Der Katastrophenschutz des Landes teilte am Sonntag mit, das betroffene Gebiet sei größer als anfangs vermutet. Viele Opfer seien noch unter eingestürzten Gebäuden begraben. Daher dürfte die Totenzahl weiter zunehmen, sagte ein Behördensprecher.

Zerstörte Brücke
Reuters/Antara Foto Agency/Muhammad Adimaja
Eine zerstörte Brücke und zerstörte Häuser in einer Luftaufnahme

Keine Information von 300.000-Einwohner-Region

Behörden und Einsatzkräfte ringen indes weiter darum, in das Katastrophengebiet zu kommen, um Menschenleben zu retten. Von der 300.000-Einwohner-Region Donggala, die ebenfalls vom Tsunami getroffen wurde, fehlt bisher jede Information. Diese liegt näher am Epizentrum der Beben. Die Kommunikation nach Donggala sei „völlig unterbrochen“. Der indonesische Vizepräsident Jusuf Kalla sagte, man habe bisher „kein Wort“ aus Donggala gehört.

Immer mehr Opfer nach Tsunami in Indonesien

Das Erdbeben und der Tsunami in Indonesien dürfte weit mehr als 1.000 Todesopfer gefordert haben, in der Stadt Palu auf Sulawesi werden noch dutzende Menschen vermisst.

Auch das Rote Kreuz bestätigte das: „Wir erhalten derzeit eingeschränkte Informationen über die Zerstörung in Palu – aber wir haben nichts von Donggala gehört, und das ist extrem besorgniserregend. Das ist bereits eine Tragödie, aber es könnte noch viel schlimmer werden.“

Eingestürztes Hotel in Palu
APA/AFP/Azwar
Ein zehn Stockwerke hohes Hotel, das dem Erdboden gleichgemacht wurde, auf einer Luftaufnahme aus Palu

Hotels eingestürzt

Laut Nugroho von der Katastrophenschutzbehörde ist der Schaden in der südlich von Donggala gelegenen Stadt Palu mit etwa 350.000 Einwohnern „großflächig“. Dort seien Tausende Häuser zerstört worden, darunter Spitäler, Einkaufszentren und Hotels. Am Sonntag wurde eine Frau aus den Trümmern eines Hotels lebend geborgen. Eine Brücke stürzte ein, und die Hauptverkehrsverbindung nach Palu wurde durch mehrere Erdrutsche unterbrochen.

Menschen in Trümmern vor einem eingestürzten Einkaufszentrum
AP/Tatan Syuflana
Menschen begutachten den Schaden an einem Einkaufszentrum, das ganz zerstört wurde

„Der Tsunami kam nicht allein, er riss Autos, Holzstämme, Häuser mit sich und traf alles auf dem Land“, so Nugroho. Die zerstörerische Welle habe sich auf dem Meer mit einer Geschwindigkeit von 800 km/h bewegt, bevor sie auf die Küste traf.

Erste Plünderungen

In der Bevölkerung wuchs indes die Verzweiflung: „Wir haben nichts zu essen, nichts“, sagte ein Mann, der einen Supermarkt plünderte. „Die Situation zwingt uns dazu, das zu tun, wir brauchen alles“, berichtete ein Jugendlicher. Säckeweise trugen Menschen Lebensmittel aus Geschäften. Die Behörden kündigten an, die Inhaber zu entschädigen und Plünderer nicht zu bestrafen.

Menschen stehen Schlange für Hilfsgüter und Benzin
AP/Tatan Syuflana
Menschen nehmen in Palu Benzin aus einem Tankwagen und versuchen die Gegend zu verlassen

Viele Bewohner von Palu zimmerten sich notdürftige Unterkünfte oder schliefen aus Angst vor weiteren Beben im Freien. Vielerorts gab es keinen Strom. Auch Wasser und Benzin waren knapp.

„Brauchen jede Hilfe“

In Palu kämpften die Krankenhäuser, die meisten von ihnen sind selbst teils schwer beschädigt, damit, die vielen Verletzten zu versorgen. „Wir brauchen jede Hilfe, die wir bekommen können“, sagte der Direktor der Undata-Klinik in der Inselhauptstadt, Komang Adi Sujendra.

Behördenangaben zufolge befinden sich unter den Toten drei Franzosen sowie jeweils eine Person mit südkoreanischer und mit malaysischer Staatsangehörigkeit. Hinweise, dass Österreicher unter den Opfern sein könnten, gebe es bisher nicht, teilte der Sprecher des Außenministeriums, Markus Guschelbauer, Sonntagmittag auf APA-Anfrage mit.

Militär soll helfen

Indonesiens Präsident Joko Widodo entsandte mittlerweile Soldaten in die Krisenregion, die Rettungsmannschaften bei der Suche nach Überlebenden und der Bergung von Leichen helfen sollen. Laut Katastrophenschutz gehen die meisten Toten auf das heftigere der beiden Erdbeben zurück, das mit einer Stärke von 7,4 am Freitagabend (Ortszeit) ganz Sulawesi erschütterte. Zuvor hatte es ein Beben der Stärke 5,9 gegeben. Das Zentrum des zweiten Erdbebens lag in rund zehn Kilometer Tiefe etwa 80 Kilometer nördlich von Palu.

Weithin spürbar

Das Beben war so stark, dass es noch in mehreren hundert Kilometer Entfernung auf der benachbarten Insel Borneo zu spüren war. Es ereignete sich kurz vor dem Freitagsgebet in dem mehrheitlich muslimischen Land, wenn die Moscheen besonders stark besucht sind. Jan Gelfland von der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften sprach von einer „schreckenerregenden Doppelkatastrophe“.

Krankenhäuser waren völlig überlastet wegen der großen Zahl der Verletzten. Nach dem Tsunami musste der wichtigste Flughafen in Palu vorübergehend geschlossen werden, was die Katastrophenhilfe erschwerte. Eine Zufahrtsstraße zur Stadt war nach Erdrutschen blockiert.

Gebäude dem Erdboden gleichgemacht

Das Video zeigt das Ausmaß der Zerstörung in einem kleinen Teilgebiet. Durch die Beben und den Tsumani blieb teilweise kein Stein auf dem anderen. Gebäude wurden dem Erdboden gleichgemacht.

Indonesien – mit mehr als 260 Millionen Einwohnern einer der bevölkerungsreichsten Staaten – liegt auf dem Pazifischen Feuerring, einer geologisch sehr aktiven Zone. Dort bebt die Erde immer wieder. Bei mehreren Erdstößen auf der bei Touristen beliebten Insel Lombok – der Nachbarinsel von Bali – kamen im Sommer mehr als 500 Menschen ums Leben. Auch Vulkanausbrüche sind in Indonesien keine Seltenheit.

Spendenaufruf von Hilfsorganisationen

Im Dezember 2004 löste ein Erdbeben nördlich der indonesischen Insel Sumatra einen Tsunami über weite Teile des Indischen Ozeans aus, bei dem in 13 Ländern rund 226.000 Menschen getötet wurden – mehr als 120.000 davon in Indonesien. Seit damals haben Hilfsorganisationen wie die Caritas ihre Kompetenzen und Kapazitäten in der Region ausgebaut. Spenden sind nach der aktuellen Katastrophe aber dringend erforderlich. Auch das Rote Kreuz in Österreich sowie World Vision riefen zu Spenden auf.

Von der Europäischen Union hieß es, man stehe an der Seite der indonesischen Menschen und Behörden und habe bereits Hilfe angeboten. Zudem sei der Copernicus-Dienst für Katastrophen- und Krisenmanagement (EMS) aktiviert worden. Es könnten auch Lagekarten erstellt werden, die ein detailliertes Ausmaß der Schäden zeigen.