Russlands Präsident Wladimir Putin und Bundeskanzler Sebastian Kurz
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Kurz bei Putin

Pipelines, Kunst und Konfliktherde

Bereits zum vierten Mal in diesem Jahr ist Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch mit Russlands Präsident Wladimir Putin zusammengetroffen. In St. Petersburg ging es nicht nur um das Verhältnis zwischen zwischen der EU und Russland, sondern auch um Energiefragen. Putin betonte die Wichtigkeit des Gaspipelineprojekts „Nord Stream 2“, Kurz die des Dialogs „gerade mit Nachbarn, mit denen es Spannungen gibt“.

Zum Auftakt des Treffens eröffneten die beiden eine Ausstellung in der Eremitage. Die Schau schließt an jene an, die im Kunsthistorischen Museum (KHM) bis Anfang September gezeigt wurde. Putin lobte die Ausstellung, die 14 Bildpaare aus der Eremitage und dem KHM zeigt, als wichtigen Beitrag für die bilateralen Beziehungen.

Initiativen wie diese „bereichern die persönlichen, zwischenmenschlichen Kontakte“. Die Schau „bestätigt die Verbindungen in Geschichte und Kultur“ und diene dem „gegenseitigen Verständnis und der Freundschaft zwischen unseren Ländern“, so Putin. Kurz ergänzte, dass Kunst „die gemeinsame Sprache der Völker ist“. Und der Kanzler betonte in der Heimatstadt Putins, dass „wir trotz unterschiedlicher Ansichten in geopolitischen Fragen stets in Dialog miteinander treten können und einander mit Ehrlichkeit begegnen können“.

Vladimir Putin und Sebastian Kurz
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Besuch in der Eremitage in St. Petersburg

Putin hofft auf Gaspipeline „Nord Stream 2“

Handfester wurde es bei der gemeinsamen Pressekonferenz am Abend: Putin bezeichnete das Gaspipelineprojekt „Nord Stream 2“ als „sehr wichtig für den gesamten europäischen Kontinent“. Er hoffe, dass Europa keine „Schwäche“ zeige. „Wir gehen davon aus, dass dieses Projekt realisiert wird.“ „Alle kennen das traurige Schicksal eines anderen Projekts: South Stream“, ergänzte Putin. Bulgarien habe „unter Druck von außen dieses Projekt aufgegeben“.

Er wünsche sich, dass nun bei „Nord Stream 2“ nicht ganz Europa diese „Schwäche und Unfähigkeit“ wie Bulgarien zeige, sagte Putin angesprochen auf mögliche US-Sanktionen gegen die geplante Pipeline, die Gas über die Ostsee nach Europa bringen soll und an deren Finanzierung sich die OMV neben anderen europäischen Energieunternehmen beteiligt.

Kurz sagt Unterstützung zu

Russland sei „der zuverlässigste Energielieferant“ und bleibe es auch. Es gebe zwar andere Optionen, aber die seien teurer und würden die Wettbewerbsfähigkeit Europas verringern. Gas aus den USA zu beziehen sei um 30 Prozent teurer: Es wäre eine „Dummheit“ und „Vergeudung von Mitteln“, sagte Putin.

Kurz sagte zu, „Nord Stream 2“ zu unterstützen. Es gehe darum, die Energiesicherheit durch eine Vielfalt an Quellen und Routen zu gewährleisten. Der Bundeskanzler betonte auch, dass die Europäische Union hier ihre Interessen im Blick habe und gleichzeitig „verantwortungsvoll“ agiere. „Die Interessen der Ukraine als wichtiges Transitland müssen gewahrt bleiben.“

Vladimir Putin und Sebastian Kurz
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Kurz und Putin bei der gemeinsamen Pressekonferenz

Mit Juncker abgestimmt

Kurz fuhr auch als Regierungschef des EU-Ratsvorsitzlandes nach Russland. Der Kanzler habe am Dienstag mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker telefoniert und die Reise auch mit dem Büro von EU-Ratspräsident Donald Tusk abgesprochen, teilte das Bundeskanzleramt mit. Kurz werde Juncker am Donnerstag in Wien auch über den Besuch persönlich berichten.

Vor allem in dieser Rolle sagte Kurz schon vor dem Treffen, sei es notwendig, dass man auf die „russische Aggression entschlossen reagiert“. Russland sei in einen bewaffneten Konflikt in der Ostukraine verwickelt, spiele eine entscheidende Rolle in Syrien und habe eine „völkerrechtswidrige Annexion“ der ukrainischen Krim-Halbinsel vollzogen. Die Haltung Österreichs sei klar.

Kontakt zu Russland auch in Zukunft suchen

Man werde auch als EU-Vorsitzland von Russland verlangen, völkerrechtswidrige Handlungen einzustellen und die Lage in der Ostukraine zu entspannen. „Dieser Konflikt muss endlich beendet werden“, so Kurz. Langfristig werde es nur mit Russland Frieden in Europa geben. Er werde den Kontakt zu Russland auch in Zukunft suchen, denn Ziel sei es, Spannungen abzubauen.

Kurz sieht zugleich Russland bei der Lösung des Konflikts in der Pflicht: „Russland ist meiner Meinung nach ein großes Land und eine Supermacht, hat eine große Verantwortung bei der Suche nach einer politischen Lösung in der Ukraine und in Syrien.“ Er hoffe auf eine Chance für eine politische Lösung in der Ostukraine, weil die Menschen dort schon lange leiden müssten, sagte Kurz.

Putin erwartet Entspannung in Syrien

In der Syrien-Frage erwartet Putin eine Entspannung in der Rebellenhochburg Idlib. „Militärische Auseinandersetzungen brauchen wir nicht“, sagte er. Russland arbeite „solidarisch“ mit seinen „türkischen Partnern“ zusammen, sagte Putin. „Wir sehen, dass sie ihren Teil der Verpflichtungen erfüllen.“

Kurz begrüßte die Ankündigung Putins, der sich zuvor für einen vollständigen Abzug ausländischer Truppen aus Syrien nach einem Sieg über die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ausgesprochen hatte. Auch iranische Truppen müssten abziehen, forderte Kurz. Es gebe „zu viele Regionalmächte und zu viele Supermächte“, die im Konflikt involviert seien. Und der Kanzler äußerte seine Hoffnung, dass die Möglichkeiten der UNO für den Dialog, also die „bestehenden und funktionierenden UNO-Formate auch genutzt werden“.

Beteiligung der EU an Wiederaufbau gefordert

Putin forderte die Beteiligung Europas am Wiederaufbau Syriens. Er sei der Meinung, dass Europas Unterstützung für die syrische Bevölkerung „entpolitisiert“ werden sollte. Europa solle nicht unterscheiden, ob die Menschen in vom Regime Baschar al-Assads kontrollierten Gebieten leben oder in Gebieten, die „Kämpfer und systemische Opposition“ kontrollieren, so Putin.

Kurz erwiderte, dass die EU der „größte Zahler an Entwicklungshilfe und Hilfe vor Ort“ weltweit sei. Wiederaufbau in Syrien sei notwendig. Wiederaufbau könne aber „nur stattfinden, wenn der Krieg endlich beendet wird“. Das bedeute auch, den „Stellvertreterkrieg endlich zu beenden“.