Brett Kavanaugh
Reuters/Tom Williams
Umstrittener Richterkandidat

Über 1.000 Jusprofessoren gegen Kavanaugh

Die Kritik an US-Präsident Donald Trumps Kandidaten für den Supreme Court, Brett Kavanaugh, reißt nicht ab. Am Mittwoch riefen über 1.000 Jusprofessorinnen und -professoren in einem Brief, den die „New York Times“ veröffentlichte, dazu auf, Kavanaugh nicht als Richter zu bestätigen.

„Richterliches Temperament ist eine der wichtigstens Qualitäten eines Richters“, heißt es eingangs in dem Brief an den US-Senat. Ein Richter oder eine Richterin müsse eine Persönlichkeit haben, die „unparteiisch, unvoreingenommen, höflich und doch hart und einem Prozess, nicht einem Ergebnis gewidmet ist“. Kavanaugh lasse dieses Temperament vermissen. Das habe seine Anhörung vor dem Justizausschuss des Senats vergangene Woche gezeigt.

„Wiederholt aggressiv“

Bei der Befragung zu den Missbrauchsvorwürfen habe er keine „Offenheit für die notwendige Suche nach Genauigkeit“ gezeigt, stattdessen sei er „wiederholt aggressiv“ mit den Menschen umgegangen, die ihn befragt haben. Selbst in seinen vorbereiteten Notizen habe Kavanaugh die Anhörung als „parteiisch“ bezeichnet, statt „einzuräumen“, dass der Senat mit neuen Informationen „versuchen muss zu verstehen, was passiert ist“.

„Wir sind Rechtsprofessorinnen und -professoren, die über die juridischen Institutionen des Landes lehren, forschen und schreiben. Viele von uns treten vor Landes- und Bundesgerichte, und unsere Arbeit bedeutet, dass wir das auch weiterhin tun werden – auch vor das Höchstgericht der Vereinigten Staaten“, heißt es weiter. Der Brief, der dem Senat noch am Donnerstag vorgelegt werden soll, werde laufend von weiteren Professorinnen und Professoren unterzeichnet, schrieb die „New York Times“.

Weißes Haus erhielt FBI-Bericht

Indessen erhielt das Weiße Haus Donnerstagfrüh (Ortszeit) den FBI-Bericht über die Ermittlungen im Fall Kavanaugh. Kurz darauf bestätigte auch der Senat, den Bericht erhalten zu haben. Ergebnisse der Untersuchung wurden noch nicht bekannt.

Eine Demonstration gegen Brett Kavanaug in Brooklyn
APA/AFP/Getty Images/Spencer Platt
In den vergangenen Tagen gingen immer wieder Menschen gegen Kavanaugh auf die Straße, hier in New York

Angesichts des schnellen Vorgehens gab es zuletzt Zweifel an der Gründlichkeit der FBI-Ermittlungen. Acht demokratische Senatoren des Justizausschusses schrieben am Mittwoch in einem Brief an den Ausschussvorsitzenden Chuck Grassley, dass schon frühere FBI-Hintergrundchecks Kavanaughs Hinweise auf mögliches Fehlverhalten des Richters gezeigt hätten. Zudem wurden offenbar mehrere Zeugen und Zeuginnen vom FBI nicht befragt.

Bestätigung möglicherweise am Samstag

Der republikanische Mehrheitsführer Mitch McConnell setzte für Freitagfrüh eine Vorabstimmung an. Damit würde die Debatte in der Kammer geschlossen, und 30 Stunden später könnte der Senat endgültig abstimmen. „Es wird Zeit, dieses widerliche Schauspiel hinter uns zu lassen“, sagte McConnell. Er schrieb am Mittwoch im Kurznachrichtendienst Twitter, er habe den Antrag zur Beendigung der Senatsdebatte über die Nominierung Kavanaughs eingereicht.

Den Mitgliedern des Senats bleibe genügend Zeit, das zusätzliche Material zu prüfen und darüber informiert zu werden. Damit könnte der Senat, wenn er für ein Ende der Debatte votiert, den Wunschkandidaten von Präsident Donald Trump schon am Samstag als neuen Richter bestätigen.

Vorwürfe von drei Frauen

Hintergrund der Ermittlungen des FBI sind Vorwürfe von bisher drei Frauen gegen Kavanaugh wegen sexueller Übergriffe sowie versuchter Vergewaltigung während der Highschool- und Studienzeit in den 1980er Jahren. Kavanaugh bestreitet die Anschuldigungen. Erst am Mittwoch wurden Vorwürfe von möglichen Zeuginnen und Zeugen laut, dass sie bei den Ermittlungen der Bundespolizei FBI nicht berücksichtigt wurden, obwohl sie Angaben zu den Vorwürfen von Christine Blasey Ford und Deborah Ramirez angeboten hätten.

Die Psychologieprofessorin Ford hatte gesagt, Kavanaugh habe sie 1982 auf einer Party zu vergewaltigen versucht. Ramirez wirft dem Spitzenjuristen vor, sich vor Jahrzehnten auf einer Studentenparty an der Eliteuniversität Yale vor ihr entblößt zu haben. Die dritte Frau, Julie Swetnick, sagte aus, sie habe gesehen, dass Kavanaugh gemeinsam mit anderen auf Partys versucht habe, „Mädchen betrunken und orientierungslos zu machen“, damit mehrere Burschen sie in einem Nebenzimmer hätten vergewaltigen können.

Kritik von Republikanern an Trump-Auftritt

Trump machte sich zuletzt im Hinblick auf die Ermittlungen über Ford lustig. Bei einem Wahlkampfauftritt in Southaven im Bundesstaat Mississippi machte der US-Präsident am Dienstag Witze darüber, dass sich Ford nicht an alle Details der fraglichen Nacht erinnern kann, und äffte die Professorin nach.

Am Mittwoch gab es für Trumps Auftritt auch Kritik aus den eigenen Reihen. Ein Senator und zwei Senatorinnen, die letztlich für die Entscheidung zugunsten Kavanaughs von Bedeutung sein könnten, verurteilten Trumps Aussagen. „Ich wünschte, er hätte es nicht getan, und ich muss gestehen, dass es erschreckend war“, so Arizonas Senator Jeff Flake in einem Interview mit dem Fernsehsender NBC. Auch die Senatorin aus Alaska, Lisa Murkowski, und Susan Collins aus Maine kritisierten Trump für seine Aussagen. „Die Aussagen des Präsidenten waren einfach falsch“, so Collins.

Kavanaugh log laut Ex-Zimmergenossen unter Eid

Schwere Vorwürfe gegen Kavanaugh erhob unterdessen auch ein ehemaliger Zimmergenosse des Juristen. In einem Beitrag für das US-Magazin Slate schrieb James Roche: „Brett Kavanaugh stand für den Eid auf und log über seinen Alkoholkonsum und über die Bedeutung der Worte in seinem Jahrbuch.“ Sein „Wille zu lügen, um Peinlichkeiten zu verhindern, stellt seine Aussagen über das eigentliche Problem, jenes der sexuellen Übergriffe, infrage“.

„In seinen Worten und seinem Verhalten hat Richter Kavanaugh Verachtung für die Wahrheit, für den Gerichtsprozess, für die Rechtsstaatlichkeit und für die Rechenschaftspflicht gezeigt“, so Roche. Er habe keine Zweifel an der Aussage seiner Freundin Ramirez, die Vorwürfe gegen Kavanaugh erhob. Kavanaugh wies sämtliche Anschuldigungen Ramirez’ zurück.