Christian Kern (SPÖ) und Pamela Rendi-Wagner (SPÖ)
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„Kapitel Kern beendet“

Für Rendi-Wagner „sehr bedauerlich“

„Das Kapitel Christian Kern ist beendet.“ So hat eine SPÖ-Landesorganisation den Rückzug des bisherigen SPÖ-Chefs aus der Politik auf den Punkt gebracht. Seine Nachfolgerin Pamela Rendi-Wagner nannte Kerns Entscheidung „sehr bedauerlich“. Als möglicher neuer Spitzenkandidat für die Europawahl wird von manchen der bisherige Klubobmann Andreas Schieder genannt.

Kern hatte am Samstag bei einer Pressekonferenz überraschend erklärt, nun doch nicht als Spitzenkandidat bei der EU-Wahl am 26. Mai antreten zu wollen. Mit Rendi-Wagner habe er das abgesprochen. „Für mich ist das ein Schlussstrich als Berufspolitiker“, sagte Kern. Seine Zukunft liege in der Privatwirtschaft, da „komme ich her“.

Rendi-Wagner nannte Kerns Rückzug „sehr bedauerlich“, aber „seine persönliche Entscheidung, die selbstverständlich zu respektieren ist“, und bedankte sich bei ihrem Vorgänger: "Er hat die Partei geöffnet und modernisiert, dabei hat er sich große Verdienste um die Sozialdemokratie erworben. Als Kanzler habe Kern „viele wichtige Maßnahmen vorangetrieben, trotz der schwierigen Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner“.

„Nun nach vorne schauen“

Bei der letzten Nationalratswahl habe Kern „die SPÖ stabilisiert und als Oppositionsführer hat er wichtige Weichenstellungen für die Zukunft vorgenommen“, so Rendi-Wagner in einer Aussendung. Sie möchte „nun nach vorne schauen. Es ist Zeit, uns auf unsere politische Arbeit zu konzentrieren.“

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sagte, Kerns Entscheidung sei „bedauerlich, aber zur Kenntnis zu nehmen. Seitens der SPÖ hätte man sich die Entwicklungen selbstredend anders gewünscht und anders vorgestellt.“ Kaiser plädierte für eine „rasche Rückkehr zu einer professionellen Kommunikation und intensiven politischen Arbeit“, bereits in der Präsidiumssitzung am Sonntag seien Weichen zu stellen. Das heiße, personelle Fragen „geordnet und unaufgeregt zu klären“.

„Schlussstrich ziehen“

Die SPÖ Burgenland sieht „das Kapitel Christian Kern beendet“. „Mehr ist dazu nicht zu sagen“, kommentierte Landesgeschäftsführer Christian Dax lapidar. Jetzt sei es wieder an der Zeit, sich mit wichtigen Themen zu beschäftigen anstatt, so wie in den vergangenen Wochen, mit sich selbst. Dax betonte, dass die SPÖ Burgenland voll hinter Rendi-Wagner als neuer Parteivorsitzenden stehe.

Ebenso knapp fiel auch der Kommentar des steirischen SPÖ-Landesvorsitzenden Michael Schickhofer aus. „Für mich ist es an der Zeit, einen Schlussstrich unter die Ereignisse zu ziehen. Wir werden jetzt gemeinsam mit Pamela Rendi-Wagner für die Österreicher da sein und an einer positiven Zukunft unseres Landes arbeiten“, so Schickhofer. Von der SPÖ Wien gab es vorerst keine Stellungnahme.

ehemaliger SPÖ-Chef Christian Kern
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Kern bei seiner Abschiedserklärung

Für den Salzburger SPÖ-Vorsitzenden Walter Steidl setzt Kern einen Schlussstrich unter den Zickzackkurs der vergangenen beiden Wochen. Viele in der Partei hätten ihn gerne weiter in der SPÖ gesehen – auch in einer anderen Funktion. Kern habe „Akzente gesetzt und wichtige Weichenstellungen“ vorgenommen. Leider habe es „immer wieder aus den eigenen Reihen oft nicht nachvollziehbare Kritik“ gegeben. „Ein Parteivorsitzender, der sich nicht auf die Geschlossenheit der eigenen Reihen verlassen kann, kann nicht entschlossen Politik machen.“ Er hoffe, dass die Partei daraus Lehren für die Zukunft ziehe, so Steidl.

Zeit, dass „Ruhe einkehrt“

Tirols SPÖ-Chefin Elisabeth Blanik nannte Kerns Erklärung eine „Überraschung“. „Jedenfalls wieder eine Aufgabe mehr für unsere neue Parteichefin Pamela Rendi-Wagner“, so Blanik. Es sei dringend an der Zeit, dass in der Partei „Ruhe einkehrt“. Für die Eruopawahl sieht Blanik einige potenzielle Kandidaten, Namen wollte sie aber nicht nennen. Der unter anderen als Spitzenkandidat gehandelte Schieder verfüge jedenfalls europa- und außenpolitisch über „jede Kompetenz“. Eine schnelle Entscheidung darüber – etwa bereits bei der für Sonntag angesetzten Präsidiumsklausur – halte sie für nicht notwendig, so Blanik.

Matthias Schrom (ORF) zu Kerns Rücktritt

ZIB-Chefredakteur Matthias Schrom erläutert, was hinter dem Rückzug von Christian Kern aus der Politik steckt, und kommentiert die Chancen der SPÖ bei der Europawahl im kommenden Jahr.

Für den Vorarlberger SPÖ-Chef Martin Staudinger ist Schieder als Spitzenkandidat für die Europawahl „sehr, sehr gut vorstellbar“. Er halte ihn „für sehr gut geeignet“, sagte Staudinger. Die Partei verfüge aber auch noch über einen „Pool an guten Kandidaten“. Für den Rückzug Kerns hat er Verständnis: „Ich kann die persönlichen Gründe, die er genannt hat, nachvollziehen.“

„Zuletzt polarisiert“

Für die oberösterreichische SPÖ-Landeschefin Birgit Gerstorfer wäre Kern persönlich ein idealer Spitzenkandidat für die EU-Wahl gewesen. „Ich bin mir sicher, dass nun wieder Ruhe einkehrt.“ Es spreche „für sein Verantwortungsbewusstsein, dass er erkannt hat, dass er mit seiner Person zuletzt polarisiert hat und so vielleicht nicht mehr das volle Potenzial hätte ausschöpfen können“, so Gerstorfer.

Für den niederösterreichischen SPÖ-Landesvorsitzenden Franz Schnabl kam Kerns Rückzug aus der Politik „nicht ganz überraschend“. „Es hat sich abgezeichnet“, sagte er. Schieder bezeichnete der niederösterreichische SPÖ-Chef als „hervorragende Persönlichkeit“.

Van der Bellen dankt Kern

Bundespräsident Alexander Van der Bellen bedankte sich bei Kern „im Namen der Republik für seine Tätigkeit als Bundeskanzler und als Chef der größten Oppositionspartei“. „Meine Zusammenarbeit mit Christian Kern in seiner Zeit als Bundeskanzler, aber auch danach ist immer von gegenseitiger Wertschätzung und Respekt geprägt gewesen. Ich habe ihn als engagierten und kompetenten Politiker kennengelernt“, so Van der Bellen.

Es verdiene „Anerkennung, dass sich Menschen auch außerhalb der Politik – und sei es für begrenzte Zeit – für politische Tätigkeiten zur Verfügung stellen und so dem Gemeinwohl dienen“, hieß es in der Aussendung der Präsidentschaftskanzlei weiter.

Häme von FPÖ, Respekt von NEOS

FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky ätzte, mit seinem Rücktritt öffne Kern „den Vorhang für den letzten Akt der österreichischen Sozialdemokratie und beschließt damit eine der peinlichsten Kurzvorstellungen in der österreichischen Innenpolitik“. Der frühere Bundeskanzler habe es „wenigstens geschafft“, den „eigenen Abgang zweimal zu versemmeln“, mit dem „designierten neuen SPÖ-Spitzenkandidaten Schieder erwartet die österreichische Politlandschaft nur ‚more oft the same‘“.

NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger zollte Kern Respekt. Er sei Bundeskanzler der Republik gewesen und habe „für Österreich gearbeitet. Für sein Engagement gebührt ihm zu seinem Abgang Dank, und ich wünsche ihm alles Gute für seine weitere Zukunft“, so Meinl-Reisinger.