Interpol-Chef Meng Hongwei
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In China „unter Aufsicht“

Interpol-Chef Meng tritt zurück

Seit fast zwei Wochen gilt Interpol-Chef Meng Hongwei als verschwunden. Wenige Stunden nach einem dramatischen Appell seiner Frau an die internationale Gemeinschaft wird der Hintergrund langsam klarer: Die chinesischen Behörden ermitteln wegen des Verdachts auf Korruption. Das teilte die chinesische Antikorruptionsbehörde am Sonntag auf ihrer Website mit. Laut Interpol räumt Meng seinen Posten mit sofortiger Wirkung.

Meng habe „Bestechungsgelder angenommen“ und werde verdächtigt, „gegen das Gesetz verstoßen“ zu haben, sagte das Sicherheitsministerium am Montag in Peking. Er stehe unter „Aufsicht“ – damit ist in der Regel gemeint, dass er festgehalten wird. Wie Interpol am Sonntag bekanntgab, reichte Meng bei der Behörde seinen sofortigen Rücktritt ein.

Laut einem Bericht der Hongkonger Zeitung „South China Morning Post“ von vergangener Woche wurde Meng bei seiner Ankunft in Peking von Vertretern der Zentralen Disziplinarkommission der Kommunistischen Partei Chinas abgeführt. Diese Behörde gab nun die Ermittlungen gegen Meng bekannt. Sie ist unter anderem für die Verfolgung von Korruption in den Reihen der Staatsbediensteten zuständig.

Dramatischer Appell

Meng war im November 2016 als erster chinesischer Regierungsvertreter an die Spitze von Interpol gewählt worden. Zuvor war der studierte Jurist in China stellvertretender Minister für öffentliche Sicherheit. Seine Familie hatte Ende September den Kontakt zu ihm verloren, nachdem er in sein Heimatland gereist war. Seine Frau hatte ihn schließlich bei den Behörden in Frankreich als vermisst gemeldet – Interpol hat seinen Sitz im französischen Lyon.

Frau des Interpol-Chefs Meng Hongwei
APA/AFP/Jeff Pachoud
Mengs Frau richtete einen Appell an die Öffentlichkeit – wegen Sicherheitsbedenken wollte sie ihr Gesicht nicht zeigen

Unmittelbar vor der Bestätigung über den Verbleib Mengs wandte sich seine Ehefrau noch mit einer verzweifelten Erklärung an die Öffentlichkeit. „Diese Angelegenheit betrifft die internationale Gemeinschaft“, sagte sie am Sonntag in Lyon. Sie habe dabei aus Sorge um ihre Sicherheit den Kameras den Rücken zugedreht. Sie sprach mit zitternder Stimme.

Zahlreiche Drohungen erhalten

Die französische Justiz in Lyon hatte eine Untersuchung eingeleitet, wie am Freitag bekanntgeworden war. Wie AFP unter Berufung auf das Pariser Innenministerium meldete, wurde Mengs Frau in Frankreich unter Polizeischutz gestellt, nachdem sie von Drohungen über Soziale Netzwerke und per Telefon berichtet hatte.

Am Rande ihrer Erklärung in Lyon habe die Frau Journalisten erzählt, dass sie zuletzt am 25. September von ihrem Mann gehört habe: Er habe ihr eine Nachricht geschrieben, dass sie auf seinen Anruf warten solle – und dann ein Emoticon hinterhergeschickt, das eine Gefahrensituation ausdrücke.

Umstrittene Personalie

Die 192 Mitgliedsstaaten von Interpol tauschen unter anderem Informationen zu gesuchten Personen aus. Meng war 2016 als erster Chinese zum Interpol-Präsidenten gewählt worden – eine international durchaus umstrittene Personalie. Sie hatte vor allem unter Menschenrechtlern Besorgnis ausgelöst.

Interpol-Hauptquartier in Lyon
APA/AFP/Jean-Philippe Ksiazek
Interpol ist mit 192 Mitgliedsländern die weltweit wichtigste Polizeiorganisation

Amnesty International warf China damals vor, schon lange zu versuchen, Interpol für die Fahndung nach chinesischen Dissidenten und Aktivisten zu benutzen. Der Interpol-Präsident wird immer für vier Jahre ernannt und steht dem Exekutivausschuss der Organisation vor. Dieses Gremium wacht über die Umsetzung der Entscheidungen der jährlichen Generalversammlung der Organisation. Für die Führung der Alltagsgeschäfte von Interpol ist Generalsekretär Jürgen Stock verantwortlich.