Bahnhofsuhr in Berlin
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Nach Juncker-Vorstoss

Die Furcht vor dem Zeitumstellungschaos

Mit der bereits für das nächste Jahr angekündigten Abschaffung der Zeitumstellung hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an sich einen Schlussstrich unter eine seit Jahren geführte Dauerdebatte ziehen wollen. Ob dem so ist, muss sich allerdings erst weisen: Einem Medienbericht zufolge seien sich die EU-Mitgliedsstaaten bisher über die Vorgangsweise noch nicht gänzlich einig.

Bei einem Arbeitstreffen nationaler Delegationen habe sich in der Causa vielmehr noch Widerstand aus mehreren Mitgliedsländern abgezeichnet, wie das Nachrichtenportal Politico am Dienstag berichtete. Nicht vom Tisch erscheine somit auch die bereits unmittelbar nach Junckers Vorstoß laut gewordenen Bedenken, wonach es in der EU künftig einen Fleckerlteppich an verschiedenen Zeitzonen geben könnte.

Juncker war Ende August mit der Idee vorgeprescht, die Zeitumstellung abzuschaffen. Wie EU-Verkehrskommissarin
Violeta Bulc später klarstellte, richte sich der Vorschlag der EU-Kommission allerdings nur gegen den bisherigen Zwang für die Umstellung. „Was die Kommission nicht vorschlägt, ist dass die gesamte EU zur Normalzeit oder Sommerzeit übergeht.“

Grafik zur Zeitumstellung
Grafik: ORF.at/APA/; Quelle: APA

Die EU-Kommission hatte die Pläne vorgelegt, nachdem Mitte August eine EU-weite Onlineumfrage ausgelaufen war, bei der sich 84 Prozent der Teilnehmer für die Abschaffung der Zeitumstellung aussprachen. Die meisten votierten für eine dauerhafte Sommerzeit. 4,6 Millionen Antworten gingen bei der EU-Kommission ein – ein Rekord, aber immer noch weniger als ein Prozent aller EU-Bürger und -Bürgerinnen.

Warten auf Ministertreffen in Graz

Der Vorstoß sorgte auf Beobachterseite dennoch für reichlich Erstaunen, da die Kommission üblicherweise die Vereinheitlichung von Regeln und Standards in Europa vorantreibt und auch bei der Zeitumstellungsdebatte bisher immer eine gemeinsame Vorgangsweise der EU-Mitgliedsländer als Voraussetzung für eine Änderung der aktuellen Regelung nannte.

Nun können die EU-Staaten aber selbst entscheiden, ob sie dauerhaft Sommer- oder Normalzeit haben wollten. In etlichen Hauptstädten laufen aus diesem Grund derzeit die Beratungen dazu. Den Politico-Angaben zufolge gibt es etwa in Portugal, Zypern und Polen eine „noch nicht fixierte“ Präferenz für eine ganzjährige Sommerzeit – während Finnland, Dänemark und die Niederlanden Richtung Normalzeit tendieren. Griechenland sei zudem das einzige EU-Land, das auch weiterhin an der Zeitumstellung festhalten möchte, wie Politico mit Verweis auf Diplomaten berichtet.

Österreich für ganzjährige Sommerzeit

Wohin die Reise geht, könnte sich noch unter Österreichs Ratspräsidentschaft klären. Konkret wird bereits am 29. und 30. Oktober bei einem Treffen der zuständigen Verkehrsminister und Verkehrsministerinnen in Graz ein klareres Meinungsbild erwartet. Bisher habe sich mit Ausnahme von Österreich aber noch kein EU-Staat festgelegt, ob Sommer- oder Normalzeit als Standardzeit eingeführt wird, wie laut APA am Dienstag bei einem Treffen im EU-Ausschuss des Bundesrates zum Thema Zeitumstellung bestätigt wurde.

Sonnenaufgang und -untergang am Beispiel Wien und Bregenz, bei derzeitiger Regelung sowie bei Sommerzeit bzw. permanenter Winterzeit
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/ZAMG

In Österreich hat sich die Regierung auf eine ganzjährige Sommerzeit ab dem kommenden Jahr festgelegt, obwohl das Ergebnis einer Konsultation der heimischen Wirtschaft noch ausständig sei, zitierte die Parlamentskorrespondenz einen Vertreter des Wirtschaftsministeriums.

Der Kommissionsplan sei im EU-Ausschuss des Bundesrats auf Zustimmung gestoßen, vorbehaltlich einer Absprache mit den Nachbarländern für eine einheitliche Zeitzone in Mitteleuropa, hieß es in einer Aussendung. Andernfalls würden zwischenstaatliche Zeitunterschiede den Handelsverkehr noch mehr beeinträchtigen.

Auch Bulc äußert Bedenken

Nach den Vorstellungen der EU-Kommission sollen die EU-Mitgliedsländer und das EU-Parlament bis Ende des Jahres ihre Stellungnahmen abgeben. Bis April müssten sich die Staaten dann definitiv festlegen, ob sie dauerhaft bei der Sommer- oder Normalzeit bleiben wollen. Mit Blick auf die hier noch ausstehenden Trilogverhandlungen ist allerdings auch Bulc zufolge noch nicht ausgemacht, ob dieser Plan aufgeht. Auch die Gefahr, dass Europas Bevölkerung wegen des geplanten Endes der halbjährlichen Zeitumstellung viele neue Zeitzonen auf dem Kontinent drohen, wollte die EU-Kommissarin in diesem Zusammenhang nicht verschweigen.