Viktoria Marinowa
APA/AFP/TVN.BG
Mordfall Marinowa

Verdächtiger in Deutschland gefasst

Im Fall der getöteten bulgarischen TV-Moderatorin Viktoria Marinowa ist am Dienstagabend ein Verdächtiger in Deutschland gefasst worden. Laut dem zuständigen Generalstaatsanwalt in Bulgarien führte gefundenes DNA-Material zu dem mutmaßlichen Täter. Dass das Verbrechen mit der Arbeit der getöteten Frau zusammenhängt, konnte nicht bestätigt werden – die Ermittlungen gingen jedoch weiter, hieß es.

Die deutsche Polizei bestätigte am Mittwoch die Festnahme eines 20-jährigen Bulgaren. Zielfahnder des Landeskriminalamts (LKA) Niedersachen hätten den Mann in der Hansestadt Stade aufgespürt, wenig später sei er von Spezialkräften der Polizei in einer Wohnung festgenommen worden.

Nach Angaben des Präsidenten des LKA kam der erste Hinweis aus Bulgarien kurz nach 12.00 Uhr am Dienstag, wonach sich der Verdächtige in Hamburg oder Niedersachsen aufhalte. Knapp vier Stunden später wurde die Wohnung in Stade in einem Mehrfamilienhaus identifiziert. Laut LKA soll es sich um die Wohnung von Familienangehörigen handeln.

Der Verdächtige soll nach Eintreffen des Europäischen Haftbefehls in den kommenden Tage ausgeliefert werden. Er werde noch am Mittwoch dem Haftrichter vorgeführt, sagte der zuständige Referatsleiter Thomas Hackner aus dem Justizministerium in Hannover. Gegen ihn sei bereits ein Verfahren wegen Urkundenfälschung anhängig. Nach Angaben der bulgarischen Regierung soll der Verdächtige aus der Donau-Stadt Russe stammen und polizeibekannt sein. Das sagte der bulgarische Innenminister Mladen Marinow am Mittwoch in Sofia.

Staatsanwalt sieht keine Verbindung mit Beruf

Man strebe die Auslieferung des Verdächtigen aus Deutschland an, sagte unterdessen Regierungschef Boiko Borissow. Er verurteilte Druck auf Sofia in Zusammenhang mit den Ermittlungen in diesem Fall, auch aus dem Ausland.

Tatort
Reuters/Ruse Media/Bulphoto
Bei den Ermittlungen wurden DNA-Spuren des Verdächtigen am Körper der ermordeten Frau entdeckt

Die Leiche der Moderatorin und Journalistin wurde am Samstag in einem Park am Donau-Ufer in Russe entdeckt. Marinowa ging dort joggen. Der Verdächtige sei über die Donau-Brücke von Russe nach Rumänien geflüchtet, sagte Generalstaatsanwalt Sotir Sasarow. Es könne nicht behauptet werden, dass der Mord an Marinowa mit ihrem Beruf in Verbindung stehe – man gehe vielmehr von einem spontanen Angriff aus sexuellen Motiven aus. Die Ermittlungen gingen weiter.

Laut dem Generalstaatswalt stütze sich der jetzige Tatverdacht auf DNA-Proben. DNA-Material des Mannes sei am Körper der Toten entdeckt worden. Auch seien persönliche Sachen der Ermordeten in der Wohnung des Verdächtigen in Russe entdeckt worden. Erst am Dienstagabend ließ die bulgarische Polizei einen Mann aus Rumänien frei. Er werde noch nicht als Verdächtiger eingestuft, so der Polizeichef der nordbulgarischen Stadt, Teodor Atanasow.

Sendung zu Betrug mit EU-Fördergeldern

Marinowa arbeitete für den bulgarischen Fernsehsender TVN. Dort moderierte sie die Sendung „Detektor“. In der letzten Ausgabe ihrer Sendung „Detektor“ hatte sie einen Investigativjournalisten aus Rumänien und einen aus Bulgarien zu Gast. Die beiden recherchieren über einen angeblichen Betrug mit EU-Fördergeldern in Bulgarien. Das EU-Betrugsbekämpfungsamt OLAF wertet derzeit die Informationen aus Bulgarien aus.

Bulgarien EU-Schlusslicht bei Pressefreiheit

Das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) hatte die bulgarischen Behörden zur „gründlichen und umfassenden Aufklärung“ aufgerufen. „CPJ ist schockiert über die barbarische Ermordung der Journalistin Viktoria Marinowa“, sagte der CPJ-EU-Beauftragte Tom Gibson Anfang der Woche in Brüssel. „Die bulgarischen Behörden müssen alle Bemühungen und Ressourcen in Bewegung setzen, um ausführliche Befragungen durchzuführen und Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen.“

Der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) ersuchte die Bundesregierung als amtierende EU-Ratspräsidentschaft indes, dringend eine Initiative zum Schutz von Journalisten und Journalistinnen in den EU-Mitgliedsstaaten zu starten. Reporter ohne Grenzen Österreich forderte eine „schnelle und umfassende Aufklärung des Verbrechens sowie Sicherheitsmaßnahmen“ für ihre Kollegen.

Harlem Desir, Beauftragte für Medienfreiheit bei der OSZE, verurteilte den Mord auf Twitter und sagte, die OSZE werde die Ermittlungen genau beobachten. Bulgarien liegt derzeit auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen auf Platz 111 von 180 Staaten. Damit ist das Land das Schlusslicht in der EU.