Elisabeth Köstinger, Sebastian Kurz, Heinz-Christian Strache und Beate Hartinger-Klein im Rahmen einer Ministerratssitzung in Wien
APA/Herbert Neubauer
UNO-Migrationspakt

Regierung bestätigt „Vorbehalte“

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) haben am Mittwoch nach dem Ministerrat „Vorbehalte“ gegen einen an sich fertig ausgehandelten Migrationspakt der UNO bestätigt. Ob Österreich wie in einem Medienbericht angedeutet aus dem „weltweiten Pakt für sichere, geordnete und regulierte Migration“ aussteigt, bleibt somit offen. Den Regierungsangaben zufolge werde das weitere Vorgehen derzeit geprüft.

Bisher sind die USA und Ungarn die einzigen UNO-Mitglieder, die ihre Zustimmung offiziell verweigern, offene Vorbehalte kommen zudem aus Australien, Polen und laut „Presse“ (Mittwoch-Ausgabe) zuletzt verstärkt aus Österreich. ÖVP und FPÖ seien sich der Zeitung zufolge „einig, den Pakt in der jetzigen Form nicht zu unterschreiben“. Darauf angesprochen verwies Kurz auf die „klare Haltung“ der Regierung und bestätigte, dass man „einige Punkte sehr kritisch“ sehe. „Auf jeden Fall“ werde es völkerrechtsverpflichtende Vorbehalte geben, wie Kurz ergänzte.

Wie Kurz verwies auch Strache auf die noch laufende Prüfung und die ausstehende „finale Entscheidung“ der Regierung. Dem Vizekanzler zufolge enthalte der UNO-Migrationspakt allerdings einige Punkte, die unter anderem im Widerspruch zum ÖVP-FPÖ-Regierungsprogramm stünden.

Elisabeth Köstinger, Sebastian Kurz, Heinz-Christian Strache und Beate Hartinger-Klein im Rahmen einer Ministerratssitzung in Wien
APA/Herbert Neubauer
Kurz und Strache bestätigen „Vorbehalte“ gegen den UNO-Migrationspakt

Nicht bindende Maßnahmen

Der von der UNO initiierte Migrationspakt wurde mit österreichischer Beteiligung nach monatelangen Verhandlungen erst im Juli dieses Jahres finalisiert und soll am 10. Dezember bei einer Konferenz in Marokko formell beschlossen werden. Eine Unterzeichnung stehe noch nicht auf der Agenda – Österreich muss laut „Presse“ daher auch nicht „die Bombe noch vor Ende des EU-Ratsvorsitzes platzen“ lassen.

Erklärtes Ziel der Vereinten Nationen ist es, unter Berücksichtigung der nationalen Souveränität Migration sicher und geordnet zu gestalten. Die UNO verspricht sich von dem Pakt eine bessere internationale Zusammenarbeit in der Migrationspolitik und Standards im Umgang mit Flüchtlingen. Neben einer Reihe von Leitlinien enthält der Migrationspakt auch rund 20 konkrete, allerdings nicht bindende Maßnahmen.

Zu diesen zählt unter anderem, dass die Daten von Migrantinnen und Migranten erfasst und ihnen Ausweisdokumente ausgestellt werden sollen, sofern sie keine besitzen. Dazu kommt eine Kampfansage gegen Diskriminierung von Zuwandernden mit besonderem Augenmerk auf Frauen und Kindern. Überdies sollen Migrantinnen und Migranten Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen erlangen.

„Kein Menschenrecht auf Migration“

Laut „Presse“ befürchtet vor allem die FPÖ, dass der Migrationspakt langfristig Bindewirkung entfalten könnte. Es dürfe „kein Menschenrecht auf Migration“ geben, sagte Strache. Kurz sagte, dass die Regierung alles tun werde, um die Souveränität des Landes aufrecht zu halten. Man wolle in Migrationsfragen weiter selbst entscheiden können. Kurz zufolge werde sich Österreich für die weitere Vorgangsweise eng mit anderen kritischen Staaten abstimmen. Gleich mehrmals verwies Kurz in diesem Zusammenhang auf die Schweiz. Bern beschloss allerdings ausgerechnet am Mittwoch, dem Migrationspakt zuzustimmen.

Kritik am UNO-Flüchtingspakt kam erst am Dienstag auch aus Polen. Innenminister Joachim Brudzinski kündigte zudem an, dass er seiner Regierung einen Rückzug aus dem Abkommen empfehlen werde. Dem polnischen Innenminister zufolge ermuntere der Entwurf für den ersten weltweiten UNO-Pakt zum Thema Migration zur „illegalen Migration“ und biete keine „Sicherheitsgarantien für Polen“.

„Teil des reaktionären Ostblocks“

Scharfe Kritik an der Haltung der Bundesregierung kam am Mittwoch von der Opposition. Geht es nach dem grünen EU-Abgeordneten Michel Reimon, sei Österreich „nun, mit Polen und Ungarn, Teil des reaktionären Ostblocks. (…) Die Orbanisierung Österreichs schreitet voran.“

„Wenn Schwarz-Blau aus diesem Abkommen austritt, stellt sich diese Regierung direkt neben (US-Präsident Donald, Anm.) Trump und (Ungarns Regierungschef Viktor, Anm.) Orban“, sagte der SPÖ-EU-Abgeordnete Josef Weidenholzer, der in einer Aussendung auch daran erinnerte, dass es bei dem UNO-Pakt um „einen diplomatischen Erfolg von mehr als 190 Staaten“ gehe. Weidenholzer zufolge sei es „unverantwortlich, wie Kurz und Strache den guten Ruf Österreichs als Vermittler aufs Spiel setzen“.

Um Österreichs „Ruf als Brückenbauer und glaubwürdiger Partner“ zeigte sich auch Alma Zadic, außenpolitische Sprecherin der Liste Pilz, besorgt. Die Regierung stelle sich mit einer möglichen Nichtunterzeichnung des Paktes „gegen die Staatengemeinschaft“, so die außenpolitische Sprecherin von NEOS, Stephanie Krisper.

Ungarn: „Drücken Österreich die Daumen“

Ungarns Außenminister Peter Szijjarto hofft indes auf den Ausstieg Polens und Österreichs aus dem UNO-Migrationspakt. „Wir drücken dem polnischen Innenminister (Joachim Brudzinski, Anm.) und den in der österreichischen Regierung immer lauter werdenden Ansichten die Daumen, dass sowohl die Polen als auch die Österreicher eine der amerikanischen und der ungarischen ähnliche Position gegenüber dem globalen Migrationspakt einnehmen“, sagte der Minister laut der amtlichen Nachrichtenagentur MTI.

Der Verhandlungsausstieg Ungarns wurde im Juli vom ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament, Othmar Karas, als „unverantwortlich und ein Schlag ins Gesicht der Menschenrechte“ verurteilt. Karas forderte damals auch die gemeinsame Ratifizierung des UNO-Abkommens durch alle EU-Mitgliedsstaaten: Es sei die Verantwortung der österreichischen Ratspräsidentschaft, für eine einheitliche Vorgangsweise der EU im Umgang mit dem Abkommen zu sorgen.