Ein Polizist vor dem Saudi-Arabischen konsulat in Istanbul
APA/AFP/Ozan Kose
Fall Chaschukdschi

Mordvorwürfe für Saudi-Arabien „Lüge“

Saudi-Arabien bestreitet weiter jegliche Mitschuld am Verschwinden des Reporters Dschamal Chaschukdschi (Jamal Khashoggi) und sieht sich durch „falsche Anschuldigungen“ in ein schlechtes Licht gerückt. Es sei eine „Lüge“ zu behaupten, die Führung in Riad habe den Journalisten ermorden lassen, so Innenminister Prinz Abdel Asisi bin Saud bin Nadschef in der Nacht auf Samstag.

Die Regierung des Königreichs sei „ihren Prinzipien, Regeln und Traditionen verpflichtet“ und handle im Einklang mit internationalen Gesetzen und Abkommen, unterstrich das Innenministerium in einer Serie von Tweets. Zuvor war ein Team von Ermittlern aus Riad in Ankara eingetroffen, um gemeinsam mit den einheimischen Behörden zu ermitteln.

Am Samstag schaltete sich auch UNO-Generalsekretär Antonio Guterres in die Debatte ein. Gegenüber der BBC sagte er, er fürchte, dass solche Fälle sich künftig häufen und zu einer „neuen Normalität“ werden könnten. „Wir müssen genau wissen, was passiert ist, und wir müssen herausfinden, wer dafür verantwortlich ist“, so Guterres.

Druck auf Riad steigt

Er sei „beunruhigt“ von dieser „anscheinend neuen Normalität“, sagte Guterres. „Diese Vorfälle werden immer häufiger, und es ist daher absolut notwendig, dass die internationale Gemeinschaft klar sagt, dass so etwas nicht passieren kann.“ Im Hinblick auf ein wichtiges Wirtschaftstreffen, das demnächst in Saudi-Arabien stattfindet, sagte Guterres, dass Regierungen „angemessen“ reagieren sollten, sobald es eine „klare Antwort“ auf die offenen Fragen geeb.

Ein Videobild des Reporters Dschamal Chaschukdschi (Jamal Khashoggi), als er die Saudi-Arabische Botschaft betritt.
Reuters TV
Videoaufnahmen sollen Chaschukdschi beim Betreten des Konsulats zeigen

Bei dem „Wüsten-Davos“ genannten Wirtschaftsgipfel will Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman sein ambitioniertes Reformprogramm präsentieren und bei ausländischen Wirtschaftsvertretern um Investitionen werben. Nach dem Verschwinden Chaschukdschis gingen bereits zahlreiche westliche Unternehmen auf Distanz. Medienunternehmen wie Bloomberg, „Financial Times“, „The New York Times“ und „The Economist“ erklärten, nicht mehr als Sponsoren zur Verfügung zu stehen.

Lagarde nimmt an Treffen teil

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, wird unterdessen ungeachtet der Berichte über den möglichen Mord an Chaschukdschi zu der großen Investmentkonferenz reisen, die am 23. Oktober in Riad beginnt.

„Meine Absicht ist, meine Pläne nicht zu ändern“, sagte Lagarde zum Abschluss der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Indonesien. „Es sind furchtbare Dinge berichtet worden“, sagte Lagarde. „Aber ich muss meinen Job für den IWF machen.“ Die frühere französische Finanzministerin sagte jedoch: „Ich werde meine Meinung sagen.“

Trump droht mit Konsequenzen

Heikel ist Chaschukdschis Verschwinden nicht zuletzt für US-Präsident Donald Trump, der viel auf seine Allianz mit Saudi-Arabien gibt. Der 33-jährige saudische Kronprinz Salman pflegt besonders enge Beziehungen zu Trumps Berater und Schwiegersohn Jared Kushner. Sein jüngerer Bruder – Prinz Chalid bin Salman bin Abdulasis – ist Botschafter des Königreichs in Washington.

Trump drohte Saudi-Arabien mit ernsten Konsequenzen und einer „harten Bestrafung“, falls Chaschukdschi tatsächlich in dem Konsulat ermordet wurde. In dem Fall stehe viel auf dem Spiel, sagte Trump am Samstag dem Fernsehsender CBS. Das gelte vielleicht besonders, weil Chaschukdschi Journalist sei. Einen Stopp der US-Waffenlieferungen an Saudi-Arabien lehnte Trump unter Verweis auf die Arbeitsplätze in der US-Rüstungsindustrie dennoch erneut ab. „Ich will keinen Jobs schaden. Ich will eine Bestellung wie diese nicht verlieren. Und wissen Sie was, es gibt andere Wege der Bestrafung – um ein ziemlich hartes Wort zu benutzen“, so Trump weiter. „Wir werden der Sache auf den Grund gehen, und es wird eine harte Bestrafung geben.“

„Könnten sie es gewesen sein? Ja.“

Auf die Frage, ob der Regimekritiker möglicherweise auf Anordnung der saudischen Führung ermordet worden sei, sagte der Präsident: „Es wird untersucht, das wird ganz, ganz genau angeschaut, und wir wären sehr aufgebracht und verärgert, wenn das der Fall wäre.“ Trump fügte hinzu: „Zu diesem Zeitpunkt dementieren sie es, und sie dementieren es vehement. Könnten sie es gewesen sein? Ja.“ Er rechne in der „nicht so fernen Zukunft“ mit einer Antwort.

Trump hatte zuvor erklärt, er wolle den saudischen König Salman wegen des Falls bald anrufen. „Das ist ein sehr ernstes Thema, und wir sehen es uns ernsthaft an“, versicherte der US-Präsident. Noch wisse niemand wirklich, was in dieser „schrecklichen Sache“ geschehen sei, sagte Trump. Er betonte aber: „Wir werden herausfinden, was passiert ist.“ US-Finanzminister Steven Mnuchin sagte unterdessen am Rande des IWF-Treffens, nach jetzigem Stand werde er zu dem Wirtschaftstreffen in Saudi-Arabien reisen. Neue Informationen zum Fall Chaschukdschi werde er „natürlich mit berücksichtigen“, fügte er hinzu.

Bericht über kompromittierende Aufnahmen

Chaschukdschi hatte am 2. Oktober das saudische Konsulat in Istanbul betreten, um Papiere für seine geplante Hochzeit mit einer Türkin abzuholen. Seither wird der Journalist vermisst. Türkische Regierungs- und Geheimdienstkreise behaupten seit Tagen, dass Chaschukdschi im Konsulat ermordet wurde.

Täglich tauchen neue Schilderungen dazu in Medien auf, wodurch die Affäre weiter an Brisanz gewinnt. So berichtete die „Washington Post“, türkische Regierungsvertreter hätten ihren US-Kollegen versichert, im Besitz kompromittierender Ton- und Videoaufnahmen aus dem Konsulat zu sein. Diese belegten angeblich, dass saudische Agenten ihren Landsmann dort töteten und seine Leiche zerstückelten.

Auch die „New York Times“ („NYT“) berichtete unter Berufung auf türkische Sicherheitskreise über einen solchen Hergang. Die Leichenteile seien mutmaßlich mit Koffern aus dem Konsulat geschafft worden, hieß es. Eine offizielle Bestätigung für die Existenz der Aufnahmen gibt es von türkischer Seite bisher nicht. Aus dem Präsidentenpalast in Ankara hieß es: „Wir haben keine Informationen zu Video- oder Audioaufnahmen.“

Ermordung mit Apple-Watch aufgezeichnet?

Die türkische Zeitung „Sabah“ berichtete indes, die Ermordung sei mit einer Apple-Watch aufgezeichnet worden. Chaschukdschi habe beim Betreten des Konsulats die Uhr aktiviert, diese wiederum habe sich mit seinem Smartphone synchronisiert, das er zuvor seiner Verlobten gegeben und nicht mit ins Gebäude genommen habe. Geräusche während seiner Exekution seien so gespeichert worden.

Der türkische Geheimdienst MIT und die Polizei hätten die Daten, die in einen Cloud-Speicher übertragen worden seien, dann ausgewertet, berichtete „Sabah“ weiter. „Die Momente, in denen sich das Attentäterteam (…) mit Chaschukdschi beschäftigt hat, wurden Minute für Minute aufgezeichnet“, schreibt die Zeitung. Die Täter hätten aber versucht, einige Daten zu löschen. „Sabah“ beruft sich auf „vertrauenswürdige Quellen“.