Ehepaar Assmann nahm Friedenspreis entgegen

Das Ehepaar Aleida und Jan Assmann hat heute in der Frankfurter Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegengenommen. Die 71-jährige Kulturwissenschaftlerin und ihr um neun Jahre älterer Mann werden für ihre Forschungen zur Erinnerungskultur von Gesellschaften ausgezeichnet – vom alten Ägypten bis zur Gegenwart.

Die beiden hätten ein Werk geschaffen, „das für die zeitgenössischen Debatten und im Besonderen für ein friedliches Zusammenleben auf der Welt von großer Bedeutung ist“, begründete der Stiftungsrat den Preis.

Jan und Aleida Assmann erhalten den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels von Heinrich Riethmüller
Reuters/Ralph Orlowski

Globale Solidarität Europas gefordert

In ihrer Dankesrede forderten die Assmanns von Europa eine globale Solidarität im Umgang mit ökonomischen und natürlichen Ressourcen – „damit es eine Zukunft nachfolgender Generationen überhaupt noch geben kann“. Europa müsse sich auch mit den Menschen solidarisieren, die durch Kriege, Not und Gewalt zur Flucht gezwungen seien.

„Es kann nicht angehen, dass es eine neoliberale Freiheit für die Bewegung von Kapital, Gütern und Rohstoffen gibt, während Migranten an Grenzen festhängen und wir die Menschen, ihr Leid und ihre Zukunft vergessen.“ Die zentrale Frage sei nicht, „ob wir die Integration schaffen oder nicht, sondern wie wir sie schaffen“.

Nation „kein heiliger Gral“

Das Ehepaar wies darauf hin, dass Kulturen schon immer durchlässig gewesen seien. Es sei die Aufgabe eines kulturellen wie eines nationalen Gedächtnisses, "sich wiedererkennbar zu halten. Man könne aber heute nicht mehr nahtlos „an alte Fantasien von Stolz und Größe der Nation“ anknüpfen. Das Gedächtnis sei auch ein Spiegel der Selbsterkenntnis, der Reue und Veränderung.

Die Nation sei „kein heiliger Gral“, der vor Befleckung und Entweihung zu retten sei, „sondern ein Verbund von Menschen, die sich auch an beschämende Episoden ihrer Geschichte erinnern und Verantwortung übernehmen für die ungeheuren Verbrechen, die in ihrem Namen begangen wurden“. Identität entstehe nicht durch Leugnen, Ignorieren oder Vergessen. Es brauche „ein Erinnern, das Zurechnungsfähigkeit und Verantwortung ermöglicht und einen Wandel der Werte und des nationalen Selbstbildes stützt“.

„Zweifache Energie“ fürs Denken

Die Laudatio hielt der Literaturwissenschaftler Hans-Ulrich Gumbrecht, ein persönlicher Freund der Assmanns. Bei dem Ehepaar sei die Leidenschaft füreinander nicht zu routinierter Partnerschaft oder Arbeitsteilung verkommen, hob er hervor.

„Sie lieben sich, weil sie – auch in ihren intellektuellen Stärken und Gesten – so sehr verschieden sind, und dieses Ganz-anders-Sein ist für sie auch im Alter ein Feuer geblieben, das dem Denken zweifache Energie gibt“, sagte Gumbrecht.

Preis zum zweiten Mal an Ehepaar

Die Auszeichnung ist mit 25.000 Euro dotiert und wird seit 1950 traditionell zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse vergeben. Die Assmanns sind das zweite Ehepaar, das den renommierten Kulturpreis erhält. 1970 bekamen die beiden schwedischen Friedensforscher Alva und Gunnar Myrdal die Auszeichnung.

Das Ehepaar Assmann ist seit Jahrzehnten miteinander verheiratet – und auch eine Arbeitsgemeinschaft. Die Forscherin und der Forscher, die heute in Berlin leben, gehören international zu den bekanntesten Personen der Geisteswissenschaft in Deutschland. Mit der Erforschung der Erinnerungskultur haben sie sich über Deutschland hinaus einen Namen gemacht.