Rückschlag in „Brexit“-Verhandlungen

Die Verhandlungen über den EU-Austritt Großbritanniens haben einen schweren Rückschlag erlitten. Vertretern der EU und Großbritanniens gelang es gestern nicht wie geplant, einen Durchbruch zu erzielen.

„Trotz intensiver Anstrengungen sind einige zentrale Punkte noch immer offen“, teilte EU-Chefunterhändler Michel Barnier am Abend nach einer Unterrichtung der EU-Botschafter mit. Er hatte sich zuvor noch einmal persönlich mit dem britischen „Brexit“-Minister Dominic Raab getroffen.

Über das weitere Vorgehen sollen nun die Staats- und Regierungschefs auf einem am Mittwochabend beginnenden EU-Gipfel in Brüssel beraten. Davor werde es keine weiteren Verhandlungen mehr geben, hieß es aus EU-Kreisen. Es gilt als wahrscheinlich, dass danach weiterverhandelt wird. EU-Minister Gernot Blümel (ÖVP) will nach Angaben aus EU-Ratskreisen zuvor mit Barnier das weitere Vorgehen klären. Blümel leitet als EU-Ratsvorsitzender morgen einen „Brexit“-Rat der 27 verbleibenden EU-Staaten in Luxemburg.

Irische Grenze als Knackpunkt

Nach Angaben Barniers ist vor allem weiterhin die Frage umstritten, wie künftig Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindert werden können. Eine Garantie dafür – den „Backstop“ – macht die EU zur Bedingung für ein Austrittsabkommen. Sie befürchtet, dass der Konflikt in der Ex-Bürgerkriegsregion wieder aufflammen könnte, sollten sich die Menschen nicht mehr ungehindert zwischen den beiden Teilen der Insel bewegen können. Derzeit ist die Grenze fast unsichtbar.

Zur Lösung des Problems war zuletzt im Gespräch, dass Großbritannien vorerst zeitlich unbefristet Mitglied der Zollunion bleibt. Zahlreiche „Brexit“-Befürworter in Großbritannien lehnen eine solche Lösung allerdings ab.

Mays Gegner machen mobil

Nach Angaben ihres EU-kritischen Parteifreunds Jacob Rees-Mogg muss die britische Premierministerin Theresa May mit Gegenstimmen von mindestens 40 Abgeordneten ihrer Konservativen Partei gegen ihre „Brexit“-Pläne rechnen. Der von May geplante Fortbestand der Zollunion Großbritanniens mit der EU müsse verhindert werden, sagte Rees-Mogg am Samstag bei einer Kundgebung von „Brexit“-Anhängern. Die Zollunion wäre eine Wahnidee, „die Europäische Union in alle Ewigkeit mit 3,5 Milliarden Pfund pro Jahr zu subventionieren“.

Ähnlich kritisch äußerten sich auch die probritische nordirische Partei DUP und Mays früherer „Brexit“-Beauftragter David Davis. Eine Einigung, die zu Warenkontrollen an der Grenze zwischen Großbritannien und Nordirland führen könne, berge größere Gefahren als gar keine Einigung, schrieb die DUP-Chefin Arlene Foster im „Belfast Telegraph“. Davis forderte in einem Gastbeitrag für die „Sunday Times“ eine völlig neue Verhandlungsstrategie.

Mays konservative Minderheitsregierung ist im Unterhaus auf die zehn DUP-Abgeordneten angewiesen. Die DUP droht ihr mit einem Bruch, wenn sie einer zeitlich unbefristeten Mitgliedschaft in der Europäischen Zollunion zustimme. Als wahrscheinlich gilt, dass diese schwierige innenpolitische Situation Mays eine Einigung verhinderte.