Markus Söder (CSU)
APA/dpa/Peter Kneffel
Bayern

In der Trutzburg der Wahlverlierer

Der schwarze Sonntag für die CSU kennt immerhin einen Sieger, wenn auch mit blauem Auge: Jungministerpräsident Markus Söder wird das Wahldebakel als Regierungschef politisch wohl überleben. Den Preis muss entweder sein ewiger innerparteilicher Rivale zahlen. Oder die „oben in Berlin“.

Eine Form der „Normalisierung“ zeichne sich ab. So orakelte die „Süddeutsche Zeitung“ 48 Stunden vor dieser Bayern-Wahl. Was das liberale Blatt damit meinte: Auch die CSU müsse sich in der Ergebnisstärke an bundesdeutschen Verhältnissen orientieren und werde sich wohl, so die Vermutung, in Demut in den Trend einreihen.

Doch wer die Reaktionen am Wahlabend in München sah, wurde in einer alten Erkenntnis bestärkt. Bayern bleibt immer Bayern. Und damit ein Sonderfall in der Bundesrepublik. Zwar trat Söder einsichtig vor seine Parteifreunde, um am Wahlabend ein schmerzhaftes Ergebnis einzugestehen. Im Fernsehstudio klang er so, als wäre er in seine alte Rolle als Generalsekretär der Partei geschlüpft.

Söder erkennt keine „eigenen Fehler“

„Eigene Fehler?“ Diese Frage sei journalistisch interessant, alleine für ihn, so Söder, stelle sie sich nicht. Er sehe den Auftrag der Regierungsbildung klar bei sich – und er sei nun einmal erst seit sechs Monaten Regierungschef Bayerns. Zusatz: „Selbst eine normale Vaterschaft braucht neun Monate.“

Grafik zur Bayern-Wahl
Grafik: ORF.at; Quelle: ARD

Überhaupt sei die CSU immer noch stärker als so manch anderer Wahlgewinner, so Söder, der diese Erkenntnis im Wahlkampf ja auch via ORF den Österreicherinnen und Österreichern ausrichten ließ.

Zug Richtung Freie Wähler

Für Söders Selbstbewusstsein am Wahlabend sprach ein möglicher Koalitionspartner, den die Umfragen, die für die CSU zuletzt noch schlechter aussahen, so nicht nahelegten. Gemeinsam mit den Freien Wählern, historisch ja nicht selten von CSU-Abspaltern getragen, ginge sich wohl eine halbwegs stabile Mehrheit aus. Auch wenn Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger am Wahlabend schon um 18.10 Uhr ausrichten ließ, dass er nur zum Telefon greife, um abzuheben, so liegt wohl klar auf der Hand, dass ein 180-Grad-Dreh in Richtung einer Koalition mit dem Wahlzweiten, den Grünen, wohl Söders Sache nicht sein wird.

Außerdem kommt Söder die bayrische Verfassung entgegen: Die besagt, dass drei Wochen nach der Wahl der Landtag zusammentreten muss – und in der Woche darauf der Ministerpräsident zu bestimmen ist. Andernfalls muss erneut zu den Urnen geschritten werden. Ein langer Koalitionspoker ist damit wohl vom Tisch. Inhaltlich würde eine Koalition mit den Freien Wählern, die mitunter wie eine AfD light wirken, den Kurs, den Söder im Wahlkampf fuhr, bestärken. Offen bleibt damit das pragmatische, auch liberal orientierte Profil der CSU.

„Horst Seehofer, der große Taktiker, und Markus Söder, der Reformer“, so Kurt Kister am Tag vor der Wahl in einem sonst wahrlich wenig schmeichelhaften Beitrag in der „SZ“, „haben dafür gesorgt, dass die CSU ihr pragmatisches Profil verloren hat, das sich für Konservative und Liberale gleichermaßen wählbar machte.“ Söder, der im Wahlkampf eine Ankündigungsrakete nach der anderen zündete und das staatliche Füllhorn öffnete, als würde er sich um die Aufnahme bei den schwedischen Sozialisten der 1970er Jahre bewerben, wird die inhaltliche Ausrichtung seiner nächsten Amtszeit hintanstellen.

Birgit Schwarz: „Wahl hat Auswirkungen auf Berlin“

ORF-Berlin-Korrespondentin Birgit Schwarz geht davon aus, dass die Wahl in Bayern Auswirkungen auf die deutsche Bundespolitik haben wird.

„Ich kann mich noch weiterentwickeln“

Am Montag wird er den Kontakt mit seiner Landtagsfraktion suchen. Immerhin waren es ja die Landtagsabgeordneten, die ihn gegen den Widerstand von Seehofer auf den Posten des Ministerpräsidenten hievten. „Ich kann mich noch weiterentwickeln, ich hatte ja nur sechs Monate“, fasste Söder Sonntagnacht seinen Willen zusammen, jetzt zu lenken und „für Stabilität“ zu sorgen. Das darf man auch als Anspruch werten, auch die CSU führen zu wollen. Ob Seehofer die Wahl als CSU-Chef politisch überleben wird, bleibt abzuwarten. Für Dienstag hat er in Berlin einen Auftritt in der Bundespressekonferenz angemeldet.

Bei einem Ergebnis unter 40 Prozent, so waren Analysten zu vernehmen, könne Söder schwer das Amt des CSU-Vorsitzenden beanspruchen. Möglich, dass er vorerst mit seinem ewigen Widersacher Seehofer leben könnte. Die Rivalen für den CSU-Vorsitz heißen für Söder: Manfred Weber, eher liberal und in der Europapolitik unterwegs – und Alexander Dobrindt, der konservative Vorsitzende der CSU-Landesgruppe in Berlin.

Eine Grafik zeigt die Sitzverteilung im Bayrischen Landtag
Grafik: ORF.at; Quelle: landtagswahl.br.de

Indirekt wird Seehofer im Moment noch eine weitere Fürsprecherin auf dem konservativen Parkett haben. Bei allen Differenzen dürfte der deutschen Kanzlerin Angela Merkel Seehofer als innerkoalitionärer Gegenspieler einen Hauch angenehmer sein als Dobrindt oder Söder. Auch wenn es für Merkels Koalition, nicht zuletzt wegen der verwundeten SPD, die seit Sonntagabend mit dem Aussteigen liebäugelt, schon fünf Minuten nach zwölf ist, wird sie ihrer Königinnendisziplin zumindest vorerst treu bleiben: dem Spiel auf Zeit. Und in zwei Wochen wird in Hessen gewählt.