Ludwig Hartmann und Katharina Schulze (Die Grünen)
APA/AFP/Odd Andersen
Bayern

Grüner Höhenflug auf Kosten der SPD

Mit der Verdopplung ihrer Stimmenanteile und dem klaren zweiten Platz sind die Grünen die Gewinner der Landtagswahl in Bayern. Sowohl von der CSU als auch von der SPD konnte die Partei viele Stimmen gewinnen. Grund dafür ist auch, dass sich die Grünen als Oppositionspartei im Bund geschickt positioniert haben – und auch in der politischen Mitte groß auf Stimmenfang gehen können.

Die Grünen kamen auf 17,5 Prozent und sie schafften auch gleich sechs Direktmandate, eines in Würzburg und fünf in München. In der Hauptstadt wurden sie mit 30 Prozent stärkste Kraft – und das hat auch Symbolkraft: Nicht nur dass die CSU geschlagen wurde, die SPD stellt in München seit 1984 den Oberbürgermeister.

Doch nicht nur in den urbanen Gebieten, wo die Grünen traditionell stark sind, konnte die Partei diesmal punkten. Auch im ländlichen Raum – bisher eher eine Problemzone – fuhr man am Sonntag ein respektables Ergebnis ein. Laut ARD-Wählerstromanalyse machten die Grünen der SPD in Bayern 200.000 Wählerinnen und Wähler abspenstig. Von der CSU kamen 170.000.

Eine Grafik zeigt die Wählerwanderung in Bayern zu den Grünen
Grafik: ORF.at; Quelle: landtagswahl.br.de

Höhenflug auch auf Bundesebene

Auch in Umfragen auf Bundesebene erleben die Grünen einen Höhenflug und profitieren dabei von der Zerstrittenheit und den schlechten Werten der Großen Koalition in Berlin. In mehreren Umfragen liegen die Grünen vor der SPD. „Die Grünen bekommen jetzt Wähler von der Mitte. Viele kommen von der SPD“, erklärt der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, die Entwicklung gegenüber Reuters.

Bayern-Wahl: Der Tag danach

Verloren hat die CSU vor allem an die Grünen, die junge Wähler in den Städten überzeugen konnten und jetzt zweitstärkste Partei in Bayern sind. Die SPD ist abgesackt.

Neue Klientel erschlossen

Die Partei habe sich neben ihren Stammwählern eine neue Klientel erschlossen: „Die Altgrünen, die haben sie immer noch, die sind dann gut für sieben bis neun Prozent der Stimmen. Und die Neugrünen machen noch einmal den gleichen Anteil aus wie die Altgrünen.“ Die Aussichten sind nach seinen Worten sogar noch besser: „Die Grünen haben im Augenblick ein Wählerpotenzial, was ähnlich groß ist wie das der SPD, nämlich 34 Prozent.“

Ein Grund dafür ist, dass Flügelkämpfe wie sie früher an der Tagesordnung standen, derzeit nicht stattfinden. Das Führungsduo Robert Habeck und Annalena Baerbock kommt aus dem Realo-Lager, es gibt keine „Fundis“ mehr, die für die politische Mitte abschreckend wirken könnten.

Keine Angst vorm Bierzelt

Dieses neue Image lässt sich auch in Bayern beobachten. Die Spitzenkandidatin Katharina Schulze wurde als geerdet, optimistisch und heimatverbunden beschrieben. Die 33-Jährige füllte im Wahlkampf die Bierzelte und trat dabei im Dirndl auf, was viele Grüne noch vor Jahren als provinziell bekrittelt hätten.

Grafik zur Bayern-Wahl
Grafik: ORF.at; Quelle: ARD

Es gibt aber auch inhaltliche Gründe für den Höhenflug. Nach den leidvollen Erfahrungen mit dem „Veggie-Day“ vermeiden die Grünen das Image als Verbotspartei. Mit dem Schwerpunkt Sicherheitspolitik versuchen sie, klassisch konservative Politikfelder zu besetzen. Früher wäre es kaum denkbar gewesen, eine personelle Aufstockung der Polizei zu fordern, wie es die Grünen jetzt tun. Zudem werden die Grünen mehr als Union und SPD als eigentlicher Gegenpol zur AfD wahrgenommen. Mit Blick auf die CSU sagt Baerbock am Wahlabend: „Wer den Rechten hinterherläuft, der verliert.“

Profiteure der SPD-Flügelkämpfe

Während die Union nicht nur aus Sicht Güllners nach rechts rückt und die Flüchtlingspolitik verschärft, begehrt in der SPD die Parteilinke gegen die Große Koalition auf. Damit wird auch Platz in der Mitte frei. „Da stoßen die Grünen mit dem Habeck jetzt genau hinein“, meint Güllner. Genau das sagt Habeck auch: „Wir haben die Aufgabe, ins Zentrum der Demokratie zu rücken.“ Die SPD als führende linke Kraft abzulösen sei „keine Aufgabe, die wir uns suchen“, den Zuspruch lehnten die Grünen aber auch nicht ab, so der Parteichef.

Robert Habeck und Anton Hofreiter (Die Grünen) jubeln
AP/Kerstin Joensson
Bei der Wahlparty konnten die Grünen ihr Glück kaum fassen

Nicht der erste Höhenflug

Allerdings müssen sich die Grünen auch die Vorwürfe gefallen lassen, in ihrer Politik beliebiger und weniger kantig geworden zu sein. Von links wie rechts wurden sie als politische „Wellness-Fraktion“ getadelt.

Die Grünen wurden bereits einmal als kommende Volkspartei gehandelt. 2011 nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima stiegen die Atomkraftgegner kometenhaft auf, bei 20 Prozent bundesweit lagen ihre Werte zeitweise. Höhepunkt war die Wahl von Winfried Kretschmann zum ersten grünen Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg. Doch ihr Stern sank rasch wieder.

In Bayern wohl nur Opposition

In Bayern kommt den Grünen nun wohl die Oppositionsrolle zu, nachdem die CSU mit den Freien Wählern als Partner liebäugelt. Strategisch ist das für die Ökopartei wahrscheinlich sogar die besser Option, hätten sie doch in der Regierung unangenehme Zugeständnisse machen müssen und wären Gefahr gelaufen, in der Regierungsarbeit zerrieben zu werden.

Auf Bundesebene wird für die Grünen viel davon abhängen, ob die SPD ihre Abwärtsspirale irgendwann durchbrechen kann. Doch abgesehen von vielen Appellen, auch von SPD-Chefin Andrea Nahles, dass sich bei den Sozialdemokraten alles ändern müsse, passiert nicht viel. Vor allem in ihren Kernfeldern soziale Gerechtigkeit, Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, Familien- und Bildungspolitik verliert die Partei massiv an Vertrauen in ihre Lösungskompetenzen.