Experte: Teile von Kassenreform verfassungswidrig

Von den insgesamt 15 verfassungsrechtlich bedenklichen Punkten in der Stellungnahme des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger zur Kassenreform stellen für den Verfassungsrechtler Walter Berka die Beitragsprüfung durch die Finanz, die Parität in den Gremien, das Aufsichtsrecht der Ministerien und Unklarheiten bei den Zuständigkeiten die größten Probleme dar. Ob der Hauptverband eine Verfassungsklage einbringt, ist vorerst noch offen.

Berka bezeichnete es gestern als eine „spannende Frage“, ob ein aufgelöster Träger (bis 2020 soll es die Träger in ihrer jetzigen Form noch geben, Anm.) noch eine Klage einbringen kann. Vermutlich werde diese Frage der Verfassungsgerichtshof (VfGH) klären müssen. Der Verfassungsrechtler verwies jedoch darauf, dass bei Vereinen nach deren Auflösung die Mitglieder noch klagen können.

Eine Reform mit der angestrebten Reduktion auf fünf Träger wäre nach Ansicht des Experten aus verfassungsrechtlicher Sicht durchaus möglich. Mit „mehr verfassungsrechtlicher Bedachtsamkeit“ könnte man seiner Auffassung nach Lösungen finden, ohne die zentralen Anliegen der Strukturreform zu gefährden.

„Risikofaktor für die Gesundheit“

Für den Hauptverband müssen „alle Veränderungen am Nutzen für die Versicherten gemessen werden“, mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf werde das aber nicht erreicht. Wörtlich heißt es: „Die Reduktion der dem öffentlichen Gesundheitswesen zur Verfügung stehenden Geldmittel, die Reduktion der Aufgaben des Dachverbandes, die Dezimierung der Anzahl der hochqualifizierten und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die ständig wechselnde Leitung des Dachverbands durch das Rotationsprinzip führen zu einer maßgeblichen Schwächung des Gesamtsystems der sozialen Sicherheit. Die vorgesehene übermäßige Staatsaufsicht ist ein verfassungswidriger Eingriff in die Selbstverwaltung.“

Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) in Tirol bezeichnete die Reformpläne als „Mogelpackung“ und „Risikofaktor für die Gesundheit“. Verlierer und Verliererinnen der „Zwangsfusion“ seien die Versicherten der Gebietskrankenkassen. Kritik gab es auch von der niederösterreichischen SPÖ. Die Ziele – gleiche Leistung für alle Versicherten und eine Einsparung in Milliardenhöhe – würden nicht erreicht.

Kärnten will Verhandlungen von Bund

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) befürchtet massive Nachteile durch die geplante Kassenreform für Kärnten. Laut einer Aussendung des Landespressediensts verlangt er Verhandlungen im Rahmen des Konsultationsmechanismus des Finanzausgleichs. Nun müsse der Bund mit Kärnten in jedem Fall weitere Verhandlungen vor einer geplanten Neustrukturierung führen.

„Durch die beabsichtigte Neuorganisation der Sozialversicherung in Österreich würden nicht nur dem Land Kärnten millionenschwere Verluste entstehen“, meinte Kaiser. „Es steht vor allem zu befürchten, dass diese als Reform getarnte Umverteilung von Arbeitnehmern hin zu Arbeitgebern letzten Endes mit schmerzhaften Verschlechterungen in der Gesundheitsversorgung für kleinere und mittlere Einkommen einhergeht.“ Einer Privatisierung der Gesundheitsversorgung werde Tür und Tor geöffnet.

Lob aus ÖVP-Landespolitik

Unterstützung für die Kassenreform kommt hingegen aus der ÖVP Burgenland, die dazu für die kommende Landtagssitzung einen Dringlichkeitsantrag ankündigte: „Ich glaube, dass es jetzt der Zeitpunkt ist, wo auch aus den Ländern eine Unterstützung für diese wichtige Reform, für dieses wichtige Reformvorhaben kommen muss, damit hier ein klares Signal auch aus den Ländern gesendet wird“, sagte ÖVP-Burgenland-Chef Thomas Steiner. Auch der steirische ÖVP-Gesundheitslandesrat Christopher Drexler zeigte sich optimistisch. Sein Salzburger Kollege Christian Stöckl warnte vor „Panikmache“ rund um die Reform.