Italienische Flagge am Quirinal Platz in Rom
Reuters/Tony Gentile
Italiens Budgetpläne

EU sieht „beispiellose Verstöße“

Die Budgetpläne von Italiens populistischer Regierung sind nicht auf der offiziellen Tagesordnung des EU-Gipfels gestanden, für Gesprächsstoff in Brüssel haben sie am Donnerstag trotzdem gesorgt. Italiens Premier Giuseppe Conte sah sich mit heftiger Kritik aus den EU-Staaten konfrontiert. Die EU-Kommission teilte Rom unterdessen ihre erste Einschätzung zum Haushalt mit. Sie fällt vernichtend aus.

Die Abweichung von den europäischen Haushaltsregeln sei „beispiellos in der Geschichte des Stabilitäts- und Wachstumspaktes“, hieß es in einem Brief, den EU-Währungskommissar Pierre Moscovici am Donnerstag dem italienischen Finanzminister Giovanni Tria in Rom übergab. Die Kommission räumte Italien nun eine Frist bis Montag ein, um auf die Bedenken zu antworten.

Konkret geht es um die geplante Neuverschuldung. Im Budgetvoranschlag, den die aus der rechtspopulistischen Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung bestehende Regierungskoalition nach Brüssel geschickt hat, ist sie dreimal so hoch wie von der EU erlaubt. Dahinter liegt das Problem der italienischen Gesamtverschuldung, die 131 Prozent der Wirtschaftsleistung beträgt. Für die Aufnahme neuer Kredite muss das Land hohe Zinsen zahlen. In den Ländern der Euro-Zone ist dieser Wert nur in Griechenland höher.

Kurz: „Haben überhaupt kein Verständnis“

Heftig fielen auch die Reaktionen in Brüssel aus: Man habe „überhaupt kein Verständnis für den Budgetvoranschlag, der von Italien nach Brüssel eingemeldet wurde. Wir werden sicherlich nicht in Österreich für die Schulden anderer bezahlen, und wir werden sicherlich auch nicht für linkspopulistische Wahlversprechen bezahlen“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Die EU-Vorgaben zu Defiziten und der Gesamtverschuldung müssten „für alle gelten“. Eine Überschuldung könne nicht nur für Italien, sondern für ganz Europa gefährlich sein.

Der italienische Premier Giuseppe Conte mit Bundeskanzler Sebastian Kurz
Europäische Union/Enzo Zucchi
Kurz und Conte (l.): Italiens Budgetideen stellen laut dem Kanzler eine Gefahr für ganz Europa dar

Österreich sei mit seiner Kritik nicht alleine, sagte Kurz. Auch die Niederlande, weitere EU-Staaten und auch die EU-Kommission teilten sie. Der niederländische Regierungschef Mark Rutte erklärte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, er habe Conte die Besorgnis seines Landes mitgeteilt. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel erklärte in Brüssel, die Kommission sei der Ansprechpartner der italienischen Regierung. Sie hoffe auf einen „redlichen und guten Dialog“.

Schluss mit der Flexibilität

Deutliche Worte fand EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani (Forza Italia): Das Budget sei „kein gutes“. Es gebe „keine Investitionen, keine Unterstützung für Klein- und Mittelbetriebe, keine Infrastruktur. Nur Staatsbeihilfen. Als italienischer Politiker bin ich dagegen“, so Tajani.

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärte auf dem EU-Gipfel in Brüssel, man sei „nicht von vornherein negativ gegen Italien eingestellt. Es gibt vier oder fünf oder sechs Länder, wo wir uns an die Regierungen wenden und noch um Zusatzinformationen ersuchen“, so der Luxemburger. Italien habe in den vergangenen Jahren wieder und wieder die Instrumente des europäischen Stabilitätspakts genutzt.

EU-Gipfel: Ärger über Italien

In der EU wird der Ärger über Italien größer. Die neue Regierung in Rom widersetzt sich allen Budgetvorgaben aus Brüssel, die Kommission spricht von einer „beispiellosen Abweichung“ von den Haushaltsregeln.

Nun ist laut Juncker Schluss mit der Flexibilität: „Wir wollen nicht noch weiter flexibel bei existierenden Flexibilitäten werden. Italien hat in den letzten drei Jahren 30 Mrd. Euro mehr ausgegeben, ohne dass es Sanktionen gegeben hat. Wir waren sehr freundlich und positiv bei den italienischen Ausgaben.“

„Je mehr Zeit vergeht, desto schöner finde ich es“

Italiens Premier Conte zeigte sich unbeeindruckt. „Wir wussten, dass dieser Haushalt, den wir für die (…) Bedürfnisse der italienischen Bürger gemacht haben, nicht mit den Erwartungen der EU-Kommission übereinstimmt.“ Aber „je mehr Zeit vergeht, desto schöner finde ich unser Budget“, sagte er. Grund zur Sorge sieht er offenbar nicht: „Die EU wird wahrscheinlich ebenfalls Briefe an Spanien, Frankreich und Portugal senden“, so Conte am Donnerstag. Zugleich kündigte er für Samstag ein Treffen der italienischen Regierung zum Budget und zu Steuerfragen an.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker
AP/Olivier Matthys
Juncker: „Italien hat in den letzten drei Jahren 30 Mrd. Euro mehr ausgegeben, ohne dass es Sanktionen gegeben hat“

Was das Budget betrifft, scheint es nicht nur zwischen Rom und Brüssel, sondern auch regierungsintern Erklärungsbedarf zu geben. Nach heftiger Kritik an einer Amnestie für Steuersünder wies die regierende Fünf-Sterne-Bewegung jede Verantwortung von sich. Das Steuerpaket sei Staatspräsident Sergio Mattarella in einer „manipulierten“ Version vorlegt worden, sagte Vizepremier Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung.

Ein zahnloser Tiger

Letzten Endes könne Italien seinen umstrittenen Budgetentwurf auch ohne Zustimmung der EU-Kommission umsetzen, berichtet Katharina Wagner. Ein Defizitverfahren wäre eher ein „zahnloser Tiger“.

Der Regierungsentwurf beinhaltet eine Amnestie für Steuersünder, die ihr Kapital ins Ausland gebracht haben, ohne es zu versteuern. Dieser Steueramnestie habe seine Fünf-Sterne-Bewegung nie zugestimmt, sie sei nicht im Haushaltsentwurf enthalten gewesen, den der Ministerrat verabschiedet hatte, sagte Di Maio. Der Koalitionspartner Lega wies die Manipulationsvorwürfe zurück. „Wir sind loyale Personen und manipulieren keine Steuerpakete.“