Eine chinesische Fabriksarbeiterin
Reuters
Handelsstreit

Chinas Wachstum fällt unerwartet stark

Vor dem Hintergrund des Handelskrieges mit den USA ist Chinas Wachstum unerwartet stark zurückgegangen. Die zweitgrößte Volkswirtschaft wächst so langsam wie seit Anfang 2009 nach Ausbruch der globalen Finanzkrise nicht mehr. Wie das Statistikamt am Freitag in Peking mitteilte, legte Chinas Wirtschaft im dritten Quartal nur um 6,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu.

Selbst Fachleute waren vom Rückgang überrascht: Sie hatten mit 6,6 Prozent Zuwachs gerechnet. Seit Jahresanfang habe die chinesische Wirtschaft allerdings insgesamt um 6,7 Prozent zugelegt, berichtete das Statistikamt. „Die externen Herausforderungen haben deutlich zugenommen“, so Mao Shengyong, Sprecher des Statistikamts. Das Wachstum bisher liegt aber weiter über der vorsichtigen Vorgabe der Regierung von rund 6,5 Prozent für das Gesamtjahr.

Der Außenhandel hatte sich im dritten Quartal noch als durchaus robust erwiesen, unter anderem, weil Exporteure den Sonderzöllen der USA zuvorkommen wollten. Expertinnen und Experten rechnen daher damit, dass sich der Handelskrieg in den nächsten Monaten deutlich stärker auswirken wird, da der Großteil der US-Sonderabgaben auf Importe aus China erst seit vergangenem Monat in Kraft ist.

„Regierung fürchtet starken Abschwung“

Um das Wachstumsniveau relativ stabil zu halten, habe die Regierung schon die Geld- und Haushaltspolitik gelockert, sagte Max Zenglein vom China-Institut MERICS in Berlin. „Die chinesische Regierung fürchtet einen starken wirtschaftlichen Abschwung.“ So versuche sie, dem Wachstum etwa durch Infrastrukturprojekte neue Impulse zu geben.

Eine chinesische Näherin
Reuters/Aly Song
Eine Textilfabrik in in der ostchinesischen Provinz Anhui

Dadurch drohten aber neue Gefahren: Die Bemühungen, die Risiken im Finanzsystem zu bekämpfen, könnten ins Stocken geraten. Durch den Handelskrieg und die ausufernde Verschuldung sei China „mit einer Kombination von externen und internen Risikofaktoren konfrontiert“, sagte Zenglein. Peking sei zum Handeln gezwungen. „Damit wird klar, dass die Widerstandsfähigkeit der chinesischen Wirtschaft sinkt.“

Teurere Kredite für Unternehmen

Der Kampf gegen die Verschuldung und Finanzrisiken erhöht die Kreditkosten für Unternehmen. Auch sinke die Zuversicht der Marktteilnehmer, berichtete Liu Yuanchun, Wirtschaftsprofessor der Pekinger Volksuniversität. Die Wirtschaft sei beeinträchtigt durch einen langsameren Trend bei Investitionen und im Konsum. Auch werde sich der Handelskrieg im vierten Quartal noch direkter auswirken.

US-Präsident Donald Trump hatte Importe aus China im Wert von 250 Mrd. US-Dollar (rund 217 Mrd. Euro) mit Sonderzöllen belegt – etwa die Hälfte der chinesischen Ausfuhren in die USA. Trump droht mit einer weiteren Eskalation, indem er die Zölle noch erhöht. Trump fordert von Peking eine größere Marktöffnung, ein Ende staatlicher Subventionen und ein wirksames Vorgehen gegen Technologiediebstahl.

Gespräche liegen auf Eis

Als Vergeltung hat China Sonderzölle auf Einfuhren aus den USA im Wert von 110 Mrd. Dollar (96 Mrd. Euro) verhängt. Wesentlich mehr geht nicht, weil die USA im vergangenen Jahr nur für rund 130 Mrd. Dollar (113 Mrd. Euro) nach China exportiert haben. Die Gespräche zwischen beiden Seiten liegen auf Eis. Doch werden sich Trump und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping auf dem Gipfel führender Wirtschaftsnationen (G-20) am 30. November und 1. Dezember in Buenos Aires in Argentinien treffen.

USA schalten offenbar WTO ein

Die USA schalten im Handelsstreit mit China, der EU, Kanada und Mexiko nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters die Welthandelsorganisation (WTO) ein. Sie beantragten nach Angaben eines eingeweihten US-Vertreters am Donnerstag, dass sich ein Streitschlichtungsgremium mit den Zöllen befasse, welche die EU, China, Kanada und Mexiko erließen, nachdem die USA ihrerseits Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte verhängt hatten.

Die USA hatten ihre Zölle mit Sorgen um die nationale Sicherheit begründet. Bei den betroffenen Staaten stieß das auf Unverständnis. Insbesondere zwischen China und den USA hat sich der Handelsstreit inzwischen erheblich verschärft. Die Volksrepublik hat nach Angaben ihres Handelsministeriums die WTO gebeten, eine Expertengruppe prüfen zu lassen, ob die US-Zölle legal sind. Die WTO konnte für eine Stellungnahme noch nicht erreicht werden.