US-Präsident Donald Trump
AP/Carolyn Kaster
Moskau

Trump-Ankündigung „sehr gefährlich“

Die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, den wichtigen Atomwaffenvertrag INF mit Russland aufzukündigen, lässt in Moskau die Alarmglocken schrillen. Das wäre ein „sehr gefährlicher Schritt“, hieß es am Sonntag aus dem russischen Außenministerium. Das Kalkül für Trumps Ankündigung ist unklar.

Konkret geht es um den 1987 zwischen Washington und Moskau geschlossenen INF-Vertrag (Intermediate Range Nuclear Forces) zur Abschaffung von atomwaffenfähigen Mittelstreckenraketen. Die internationale Gemeinschaft werde das nicht verstehen, und es werde eine „strenge Verurteilung“ geben, sagte der stellvertretende Außenminister Sergej Riabkow der staatlichen Nachrichtenagentur TASS am Sonntag. Der Vertrag sei von Bedeutung für die internationale und die atomare Sicherheit sowie für die „Bewahrung der strategischen Stabilität“.

Deutschland hat bereits reagiert: Es sei eine „verheerende Entscheidung von Präsident Trump, den INF-Vertrag aufzugeben“, schrieb der Staatsminister im Außenministerium Niels Annen (SPD) am Sonntag im Kurznachrichtendienst Twitter. „Wir werden weiter für nukleare Abrüstung arbeiten.“ Er betonte aber zugleich: Auch Russland sei gefordert, sich an seine Verpflichtungen zu halten. „Europa muss jetzt eine neue Aufrüstung mit Mittelstreckenraketen verhindern“, betonte Annen.

Scharfe Kritik von Gorbatschow

Der frühere sowjetische Präsident Michail Gorbatschow, der den Vertrag unterzeichnet hatte, bezeichnete Trumps Vorhaben als schweren Fehler. „Versteht man in Washington wirklich nicht, wohin das führen könnte?“, sagte der Friedensnobelpreisträger der Agentur Interfax. „Diese erzielten Vereinbarungen müssen beibehalten werden. Sie geben uns die Kontrolle, die in keinen anderen Dokumenten vorgesehen ist. Das muss man schätzen!“

Nach Einschätzung von Friedensforschern ist die geplante Kündigung aber kein alleiniges Resultat der politischen Agenda Trumps. Die Problematik habe sich über Jahre entwickelt, sagte Dan Smith, der Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) der dpa. Schon im Juli 2014 hätten die USA den Russen bescheinigt, den INF-Vertrag nicht einzuhalten, so Smith weiter. Und im Dezember letzten Jahres hätten sie dann erklärt, wie genau Russland den Vertrag ihrer Meinung nach verletzt.

Moskau sieht „Erpressungsmethode“

US-Präsident Donald Trump hatte am Samstag angekündigt, dass die USA „das Abkommen beenden“ würden. „Russland hat das Abkommen verletzt“, sagte Trump. „Wir werden es nicht zulassen, dass sie ein Nuklearabkommen verletzen“ und sich Waffen zulegen, „während es uns nicht erlaubt ist“. US-Sicherheitsberater John Bolton kündigte bereits an, am Montag mit ranghohen russischen Politikern über den geplanten Ausstieg aus einem der wichtigsten Abrüstungsabkommen zu sprechen. Geplant ist u. a. ein Treffen mit Außenminister Sergej Lawrow und dem Chef des russischen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew.

Riabkow verurteilte den Versuch der US-Regierung, durch eine „Erpressungsmethode“ Zugeständnisse zu erreichen. Der Nachrichtenagentur RIA Nowosti sagte Riabkow, sollte Washington weiterhin „tollpatschig und plump“ agieren und sich einseitig aus internationalen Verträgen zurückziehen, bliebe Russland keine andere Wahl, als „Vergeltungsmaßnahmen“ zu ergreifen. Das gelte dann auch für den Bereich der Militärtechnologie. So weit wolle Moskau es aber nicht kommen lassen.

Trumps Begründung – dass Russland das INF-Abkommen verletze – wies der Vizeaußenminister zurück. Moskau verletze den Vertrag nicht, sondern halte ihn im Gegenteil „auf das Strikteste“ ein. Zugleich habe sich Russland „über Jahre in Geduld geübt“ angesichts schwerer Verstöße gegen das Abkommen durch die USA.

Seit Jahren Streitpunkt

Die Abrüstungsverträge sind einer der Streitpunkte zwischen den beiden Militärmächten. Das ausgeklügelte System ist in die Jahre gekommen und braucht eine Erneuerung. Das jüngste und weitreichendste Abkommen, der New-START-Vertrag von 2010, läuft 2020 aus. Den ABM-Vertrag zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen haben die USA schon 2002 gekündigt.

Präsident der Sowjetunion Michail Sergejewitsch Gorbatschow und US-Präsident Ronald Reagan, 1987
APA/AFP
1987 unterzeichneten der Präsident der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, und US-Präsident Ronald Reagan den INF-Vertrag

NATO fordert vom Kreml Details

Die USA und Russland werfen sich seit Längerem gegenseitig Verstöße gegen den INF-Vertrag vor. Die US-Regierung bezieht ihre Anschuldigungen auf neue russische Marschflugkörper, die eine Reichweite von 2.600 Kilometern haben sollen. Anfang des Monats übten die 28 Mitgliedsstaaten der NATO deswegen Druck auf Moskau aus und forderten Russlands Regierung auf, glaubwürdige Angaben zu dem Raketensystem vorzulegen.

Der russische Präsident Wladimir Putin behauptete im Gegenzug, von den Abschussrampen des NATO-Raketenschutzschirms in Rumänien könnten jederzeit auch atomar bestückte US-Marschflugkörper gestartet werden. Putin sah bereits im vergangenen Jahr eine Abkehr der USA vom INF-Vertrag. Die USA rüsteten in Europa auf, das habe einen „offensiven, aggressiven Charakter“, so Putin.

Trumps Ankündigung dürfte für neue Spannungen zwischen den beiden Ländern sorgen. Trump gilt zwar als russlandfreundlich und hat Putin wiederholt gelobt, seine Regierung verfolgt aber einen scharfen Kurs gegenüber dem Kreml und hat etwa wiederholt Sanktionen gegen Moskau verhängt.

Wahlkampf in den USA

Hinzu kommt der Wahlkampf in den USA vor den Kongresswahlen in zweieinhalb Wochen. Trump war in Nevada, um Stimmen für den amtierenden republikanischen Senator Dean Heller, dessen Wiederwahl gefährdet ist, zu werben. Mit einem zumindest verbal schärferen Kurs gegen Moskau könnte Trump auch wahltaktische Ziele verfolgen.

Der republikanischen Basis gegenüber zeigt er sich damit jedenfalls ganz in der Nachfolge eines der großen Vorbilder – US-Präsident Ronald Reagan. Er hatte in den 1980er Jahren stark aufgerüstet, dies wird gemeinhin als eine der Ursachen für den Zusammenbruch der Sowjetunion genannt, die dabei finanziell nicht mehr mithalten konnte.