Statue auf dem Quirinalpalast in Rom neben italiensischer und EU-Flagge
APA/AFP/Filippo Monteforte
Abfuhr für Italiens Budget

Rom auf Konfrontationskurs mit Brüssel

Nach der erwarteten Zurückweisung der italienischen Haushaltspläne durch die EU zeigt sich die Regierung in Rom kämpferisch: „Es gibt kein Zurück“, sagte Italiens Vizepremier Matteo Salvini am Dienstag – Rom wolle nicht von seinem Haushaltsentwurf abweichen. Die Opposition warnte indes vor den Folgen einer Zerreißprobe der Regierung mit Brüssel.

„Brüssel attackiert nicht eine Regierung, sondern ein Volk“, sagte Vizepremier und Lega-Chef Salvini, nachdem die EU-Kommission Italiens Pläne für das kommende Jahr zurückgeworfen hatte. Er zeigte sich wegen der italienischen Anleihenrenditen unbesorgt, die am Dienstag stark gestiegen sind. „Diese Regierung wird nicht wegen zunehmender Anleihenrenditen stürzen“, versicherte Salvini.

Auch der zweite Vizepremier und Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio zeigte sich unnachgiebig. „Wir werden der EU-Kommission respektvoll erklären, warum wir uns von der Sparpolitik abwenden wollen. Derselbe Respekt muss Brüssel jedoch dem italienischen Volk und jener Regierung zeigen, die dieses Volk vertritt“, so Di Maio. Die Regierung arbeite weiter für das Wohl der Bürgerinnen und Bürger. Die Zurückweisung der EU komme, so Di Maio, nicht überraschend: „Das ist der erste italienische Haushaltsplan, der von Rom und nicht von Brüssel geschrieben wird“, kommentierte er auf Facebook.

Italiens Innenminister Matteo Salvini
AP/ANSA/Giuseppe Lami
Matteo Salvini bezeichnet Brüssels Entscheidung als eine Attacke auf das italienische „Volk“

Eine Spur gesprächsbereiter zeigte sich Premier Giuseppe Conte: Er sagte, Italien könnte eventuell die Ausgaben verringern, sollten die Anleihenrendite weiterhin stark zunehmen. Substanzielle Änderungen im Haushaltsentwurf werde Italien allerdings nicht vornehmen, so Conte in einem Interview mit der US-Nachrichtenagentur Bloomberg.

Wenig überraschend war Brüssels Entscheidung auch für das italienische Wirtschaftsministerium. „Wir hatten damit gerechnet“, betonte ein Sprecher. Die Auseinandersetzung mit der EU-Kommission werde jedenfalls nicht den Weg des Haushaltsplans stoppen, der am Ende dieser Woche dem italienischen Parlament zur Prüfung vorgelegt werden muss.

Opposition: Italien droht Rezession

Besorgt zeigten sich allerdings die italienischen Oppositionsparteien – und warnten vor den katastrophalen Folgen einer Zerreißprobe der Regierung mit Brüssel. Italien drohe demnach die Rezession. „Wir haben jahrelang hart gekämpft, um Glaubwürdigkeit in Europa und auf den Finanzmärkten zurückzuerlangen. Jetzt zerstören Salvini, Di Maio und ihr Sprecher Conte Italiens Haushaltsstabilität. Sie werden auch mit einem Defizit von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht ihre wahnwitzigen Wahlversprechen halten können“, kommentierte Ex-Premier Matteo Renzi.

Eine Mahnung an die populistische Regierung in Rom kommt auch vom italienischen Staatschef Sergio Mattarella: In einer Ansprache am Dienstag hob er die Bedeutung eines ausgewogenen Haushalts hervor. „Unordnung“ in der öffentlichen Finanz wirke sich negativ auf die Einkommensschwächeren, auf Familien, die Erspartes zur Seite legen, sowie auf Unternehmen aus, so Mattarella. Der Chef des italienischen Industriellenverbands Confindustria, Vincenzo Boccia, rief die Regierung in Rom zudem auf, ihre Pläne zu ändern und den Dialog mit Brüssel offenzuhalten.

„Lega sucht Eskalation“

Der aus Südtirol stammende italienische Abgeordnete Herbert Dorfmann (Europäische Volkspartei) rechnet damit, dass die italienische Regierung weiter auf die Konfrontation mit Brüssel setzt. „Die Lega sucht die Eskalation“, sagte Dorfmann vor Journalistinnen und Journalisten in Straßburg. Je weiter die Kommission gehe, desto besser sei es für Salvinis Partei.

Schwabeneder über Italiens Budget

Rom hat drei Wochen Zeit, um der EU-Kommission einen neuen Budgetentwurf zu präsentieren. ORF-Korrespondentin Mathilde Schwabeneder berichtet über das mögliche weitere Vorgehen Roms.

„In Brüssel hätte man professioneller vorgehen sollen“, sagte Dorfmann. Von vornherein zu sagen, dass der Budgetentwurf abgelehnt werde, sei undemokratisch. „Die ganze Debatte, die bewusst von der Lega provoziert wurde, hätte man sich sparen können.“ Anders als in italienischen Medien zuvor kolportiert, glaubt Dorfmann nicht, dass Rom einen „Plan B“ für das Budget vorlegen wird. Erst jüngst habe eine Umfrage gezeigt, dass 80 Prozent der Italienerinnen und Italiener für den Entwurf seien. Die Regierung wisse, dass ihre Linie gut ankommt. Eine Lösung zu finden, sei deshalb nicht ihr „politisches Ziel“.

Skurriles Schauspiel in Straßburg

Deutlich machte das am Dienstag auch ein EU-Abgeordneter der Lega. Angelo Ciocca schnappte sich nach der Pressekonferenz der EU-Kommission in Straßburg die Notizen von Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici, zog einen Schuh aus und drückte damit auf den Unterlagen herum. Der EU-Kommissar verfolgte das Geschehen offenkundig verständnislos.

Er habe zunächst geglaubt, es handle sich um einen Mitarbeiter des EU-Parlaments, der seine Notizen habe einsammeln wollen, schrieb Moscovici später auf Twitter. Wer Texte und Entscheidungen mit Schuhtritten zerstören wolle, habe auch keine Achtung „vor Regeln, Institutionen oder der Demokratie“. Auch Ciocca äußerte sich später im Kurznachrichtendienst. Er sei mit einer „in Italien gefertigten“ Schuhsohle auf „den Berg von Lügen“ marschiert, den Moscovici über Italien geschrieben habe, teilte der Lega-Vertreter mit.

Kommission wies erstmals Budgetpläne zurück

Zuvor hatte die EU-Kommission in einem historisch einmaligen Vorgang die Haushaltspläne Italiens für das kommende Jahr zurückgewiesen. Die Regierung in Rom muss nun innerhalb von drei Wochen einen neuen Entwurf einreichen. Die Budgetpläne Italiens seien in keiner Weise mit europäischen Stabilitätsregeln vereinbar, hieß es seitens der Kommission.

EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici und EU-Kommissar Valdis Dombrovskis
Reuters/Vincent Kessler
Die EU-Kommissare Moscovici (l) und Dombrovskis: „Wir sehen keine Alternative“

„Wir sehen keine Alternative“, sagte der für den Euro zuständige EU-Kommissar Valdis Dombrovskis in Straßburg. Die Erfahrung habe wieder und wieder gezeigt, dass mehr Schulden nicht mehr Wachstum brächten, sagte der lettische Politiker. Er warnte die italienische Regierung davor, dass die Schulden auch künftige Generationen betreffen werden. Wirtschaftskommissar Moscovici sagte, er bedauere, wie das Kollegium, dass man diesen Beschluss getroffen habe. Aber „das wird niemanden überraschen“.

Die Regierung aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechtspopulistischer Lega hatte am 15. Oktober einen Haushaltsentwurf nach Brüssel geschickt, der eine Ausweitung der Neuverschuldung auf 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung vorsieht – dreimal so viel wie von der Vorgängerregierung zugesagt.

Rom will Wahlversprechen finanzieren

Rom will damit Wahlversprechen finanzieren, etwa eine Art finanzielles Grundeinkommen und Steuererleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen. In Europa ist eine Neuverschuldung von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erlaubt. Damit soll die Stabilität der Gemeinschaftswährung gewährleistet werden.

Italien weist aber einen enormen Schuldenberg von 2,3 Billionen Euro und mit mehr als 130 Prozent der Wirtschaftsleistung nach Griechenland die höchste Schuldenquote in Europa auf. Das ist das Verhältnis der Gesamtverschuldung zum BIP. Das Land ist daher verpflichtet, mittelfristig seine Schulden zu reduzieren.

Derzeit keine direkten Sanktionen möglich

Nach Eintreffen der korrigierten Haushaltspläne aus Rom hätte die EU-Kommission noch einmal drei Wochen Zeit, um ihre endgültige Meinung zu bilden. Direkte Sanktionsmöglichkeiten gibt es zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Die EU-Kommission könnte in einem weiteren Schritt ein offizielles Defizitverfahren gegen Italien einleiten.

An dessen Ende könnten die EU-Finanzminister theoretisch bei anhaltenden Verstößen gegen die Stabilitätsregeln finanzielle Sanktionen beschließen. Das scheint jedoch unwahrscheinlich. 2016 ließen die EU-Staaten etwa – allerdings unter etwas anderen Umständen – trotz erheblicher Verstöße Nachsicht mit Spanien und Portugal walten.