Adel bin Ahmed Al-Jubeir
Reuters/Willy Kurniawan
Fall Khashoggi

Riad liefert Verdächtige nicht an Türkei aus

Saudi-Arabien will die im Fall des getöteten Journalisten Jamal Khashoggi (Dschamal Chaschukdschi) festgenommenen Verdächtigen nicht an die Türkei ausliefern. Das gab der saudische Außenminister Adel al-Dschubeir am Samstag bekannt.

Als Begründung für die Vorgangsweise verwies al-Dschubeir auf die saudische Staatsbürgerschaft der Verdächtigen. „Sie sind in Saudi-Arabien inhaftiert, die Ermittlung findet in Saudi-Arabien statt, und sie werden in Saudi-Arabien strafrechtlich verfolgt“, fügte der saudische Außenminister hinzu. Die Türkei hatte am Freitag die Auslieferung der 18 Verdächtigen gefordert, die im Zusammenhang mit Khashoggis Tötung im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul Anfang Oktober festgenommen worden waren.

Al-Dschubeir bezeichnete die Diskussion um den Tod von Khashoggi unterdessen als „hysterisch“. Die Menschen würden Saudi-Arabien für die Tötung verantwortlich machen, noch bevor die Ermittlungen abgeschlossen seien. Gleichzeitig versprach der Außenminister, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen würden.

„Wer hat einen solchen Befehl gegeben?“

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte bereits zuvor mehrfach gesagt, die Täter müssten in Istanbul vor Gericht gestellt werden. Laut Erdogan ist Khashoggis Tod „kein banaler Fall“. Am Freitag verwies Erdogan auf „neue Beweise“. Der türkische Präsident warf zudem erneut die Frage nach dem Verbleib von Khashoggis Leichnam auf. Und an Riad gewandt fragte er: „Wer hat einen solchen Befehl gegeben?“

Saudisches Konsulat in Istanbul
AP/Lefteris Pitarakis
Medienvertreter vor dem saudischen Konsulat in Istanbul

Die türkischen Ermittler gehen davon aus, dass ein Killerkommando aus Saudi-Arabien den regierungskritischen Journalisten am 2. Oktober im Konsulat in Istanbul ermordete. Der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman steht im Verdacht, in die Ermordung seines Kritikers verwickelt zu sein. Der Thronfolger sprach von einem „abscheulichen Vorfall“.

Auch Riad spricht nun von vorsätzlicher Tat

Am Donnerstag hatte die saudi-arabische Generalstaatsanwaltschaft unter Berufung auf die türkischen Ermittlungen die Tötung Khashoggis erstmals als eine vorsätzlich geplante Tat bezeichnet. Die bis zu diesem Zeitpunkt von Riad offiziell verbreitete Version zu dem Todesfall besagte, dass Khashoggi während eines Besuchs des saudi-arabischen Konsulats in Istanbul bei einem „Faustkampf“ zu Tode gekommen sei. Diese Darstellung wurde international jedoch stark angezweifelt.

In Istanbul wird am Sonntag Saudi-Arabiens Generalstaatsanwalt Saud bin Abdullah al-Muadschab erwartet, um dort mit seinem türkischen Amtskollegen Irfan Fidan über den Fall zu sprechen.

„Alle müssen vor Gericht gebracht werden“

Unterdessen forderte auch die türkische Verlobte von Khashoggi die Bestrafung sämtlicher Verantwortlicher. Hatice Cengiz sagte dem Fernsehender Habertürk am Freitag: „Ich verlange, dass alle in diese Brutalität Verwickelten – von der niedrigsten bis zur höchsten Ebene – vor Gericht gebracht und bestraft werden.“

Hatice Cengiz
AP/HaberTurk TV
Khashoggis Verlobte fordert die Bestrafung für alle in den Fall verwickelten Personen

Khashoggi, der sich zuletzt in der „Washington Post“ kritisch mit der Lage in seiner Heimat auseinandersetzte, war getötet worden, als er am 2. Oktober einen Termin im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul hatte. Er wollte sich dort die für seine Heirat mit Cengiz erforderlichen Papiere abholen.

USA um Stabilität in Nahost besorgt

US-Verteidigungsminister Jim Mattis sieht in der Tötung Khashoggis eine Gefährdung für die Stabilität in Nahost. „Mit Blick auf unser kollektives Interesse an Frieden und dem unerschütterlichen Respekt für Menschenrechte muss uns der Mord an Jamal Khashoggi in einer diplomatischen Vertretung alle beunruhigen“, erklärte Mattis in einer im Voraus veröffentlichten Rede, die er auf einer Sicherheitskonferenz in Manama, der Hauptstadt von Bahrain, halten wollte.

Wenn ein Staat darin scheitere, internationale Normen und rechtsstaatliche Prinzipien zu beachten, werde die regionale Stabilität in einer Zeit untergraben, in der sie besonders nötig sei, hieß es weiter.

Reaktionen mehrerer Länder

Die USA hatten im Zusammenhang mit der Tötung 21 saudi-arabischen Staatsbürgern die Einreise in die USA verboten. Auch Großbritannien verhängte bereits Einreisesperren gegen Personen, die mit dem Mord Khashoggis in Zusammenhang stehen sollen. Auch aus Deutschland gibt es bereits eine Reaktion auf den Fall, bis auf Weiteres liegen demnach Rüstungsexporte auf Eis.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte am Freitag ebenfalls „individuelle Sanktionen“ gegen die Verantwortlichen im Fall Khashoggi an. Die Maßnahmen müssten dann allerdings „in allen Bereichen“ gelten und nicht nur in der Rüstungsbranche. Den alleinigen Stopp von Waffenexporten bezeichnete Macron dabei als „pure Demagogie“.

Macron stellte sich damit auch gegen die Position der österreichischen FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl, die sich gegenüber der deutschen Zeitung „Die Welt“ für einen EU-weiten Stopp von Waffenlieferungen an Saudi-Arabien ausgesprochen hatte. Macron zufolge müssten etwaige Sanktionen in einem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Fall Khashoggi stehen.

Milliardenschwere Rüstungsdeals

Für viele EU-Staaten geht es bei Waffenverkäufen um wirtschaftliche Interessen. Riad war zwischen 2008 und 2017 nach Indien Frankreichs zweitgrößter Waffenkunde, mit Geschäften in Höhe von etwa zwölf Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr verkaufte Paris Waffen im Wert von rund 1,4 Milliarden Euro nach Saudi-Arabien. 2016 war Frankreich der achtgrößte Waffenlieferant für das Königreich – an der Spitze standen die USA, China und Deutschland.

Vom deutschen Lieferstopp zeigte sich Riad nur wenig beeindruckt. Laut Außenminister al-Dschubeir hat man aus verschiedenen Gründen schon vor Jahren aufgehört, Waffen aus Deutschland zu kaufen. Der deutsche Schritt sei somit „mehr symbolisch als praktisch“, und somit „kein Problem“.

EU-Parlament stimmte für Resolution

Das Europaparlament verabschiedete unterdessen am Donnerstag in Straßburg mit überwältigender Mehrheit eine Resolution. Saudi-Arabien wird darin zu einer umfassenden Aufklärung der Tat aufgefordert. Außerdem werden darin die Bedeutung der Pressefreiheit und der Schutz von Journalisten und Journalistinnen unterstrichen.

Der ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas hatte zuvor ein gemeinsames Vorgehen der EU und ein Verbot von Waffenlieferungen an Saudi-Arabien gefordert. „Moral geht vor Geschäft“, so Karas. Der SPÖ-Europaabgeordnete Josef Weidenholzer hatte die Ermordung Khashoggis als „eine unvorstellbare Bestialität wie aus einem Horrorfilm“ bezeichnet. Das saudi-arabische „Regime konnte sich jahrelang alles leisten“, kritisierte sein SPÖ-Kollege Eugen Freund, und der grüne Michel Reimon forderte die Bundesregierung auf, Waffenexporte in das Königreich angesichts von allein 27.000 exportierten Glock-Pistolen im Jahr 2017 zu verbieten.