Staub auf einem Volkswagen-Logo
Reuters/Michaela Rehle
Dieselaffäre

Deutsche Verbraucherschützer klagen VW

In der Dieselaffäre haben deutsche Verbraucherschützer nun die erste Musterfeststellungsklage in Deutschland auf den Weg gebracht. Sie ziehen gegen Volkswagen vor Gericht, die Klage wurde in der Nacht auf Donnerstag übermittelt. Erwartet wird, dass sich dem Verfahren Zehntausende Menschen anschließen. Auch für Österreich könnte die Klage relevant sein.

„Volkswagen hat betrogen und schuldet geschädigten Verbraucherinnen und Verbrauchern dafür Schadenersatz“, sagte der Vorstand der deutschen Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), Klaus Müller. Das mehr als 240 Seiten umfassende Dokument wurde in der Nacht über mehrere Versuche per Fax übermittelt, am Vormittag bestätigte eine Gerichtssprecherin den Eingang der Klage.

Das Instrument der Musterfeststellungsklage ist ganz neu und erst seit Donnerstag in Kraft. Verbraucherschützer können damit stellvertretend für viele Betroffene gegen Unternehmen klagen. Die Verbraucher selbst tragen dabei kein finanzielles Risiko. Der vzbv will mit seiner Klage erreichen, dass Dieselfahrerinnen und -fahrer, die vom Rückruf bei Volkswagen betroffen sind, für den Wertverlust ihrer Fahrzeuge entschädigt werden. Ziel sei, dass sie den Kaufpreis erstattet bekommen, sagte Müller.

Volkswagen gibt sich gelassen

Vonseiten der Verbraucherschützer wird erwartet, dass sich mehrere Zehntausend Betroffene der Klage anschließen werden. Schon jetzt gebe es um die 40.000 Anfragen und Interessenten, hieß es am Mittwoch. Auch wenn sich am Ende nicht alle wirklich anschlössen, sei die Zahl doch „erfreulich groß“, so Müller. Nach Angaben des deutschen Autofahrerclubs ADAC, der die Klage zusammen mit den Verbraucherschützern organisiert hat, wird das Verfahren voraussichtlich Mitte November beim Bundesamt für Justiz eröffnet.

Volkswagen selbst rechnet nicht damit, dass die Klage Erfolg haben wird. Kundschaft in Deutschland hätte trotz der „Umschaltlogik“ – also der im Dieselskandal aufgeflogenen Abschalteinrichtung der Abgasreinigung – keine Ansprüche, erklärte der Konzern. Die Fahrzeuge seien genehmigt, technisch sicher und fahrbereit.

Bereits 26.600 Verfahren anhängig

Im September 2015 hatte VW Manipulationen an Dieselmotoren einräumen müssen. US-Umweltbehörden hatten festgestellt, dass nur bei Tests die Abgasreinigung voll aktiviert war, während der Ausstoß auf der Straße viel höher lag. Vom Pflichtrückruf bei Volkswagen sind 2,5 Millionen Autos betroffen.

Ihre Besitzerinnnen und Besitzer können sich nun der Musterklage anschließen, wenn sie nicht bereits allein vor Gericht gezogen sind. Nach Angaben des Konzerns aus Wolfsburg sind derzeit 26.600 Verfahren von Betroffenen mit anhängig, rund 7.400 Urteile seien bisher ergangen. Diese blieben auf Landesebene überwiegend erfolglos. Während dem Konzern vorgeworfen wird, spätestens auf der Ebene der Oberlandesgerichte den Vergleich zu suchen, betonte VW, die Zahl der Vergleiche sei relativ gering. Die genaue Zahl wollte Volkswagen aber nicht nennen.

Kolba: Österreicher sollen sich Klage anschließen

Ex-Liste-Pilz-Klubchef und Gründer des neuen Verbraucherschutzvereins (VSV) Peter Kolba riet den 340.000 Betroffenen in Österreich unterdessen dazu, sich der Klage anzuschließen. Nach der Veröffentlichung der Klage bis spätestens 15. November könne man sich beim deutschen Bundesamt für Justiz „kosten- und risikolos“ anmelden, so Kolba. Durch eine Teilnahme an der Klage könnte es etwa zu einer Unterbrechung der Verjährung der Schadenersatzansprüche kommen, so Kolba.

In Österreich selbst läuft unter anderem ein Verfahren des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) gegen Volkswagen. Dieser legte zuletzt gegen den Konzern nach. Anfang Oktober gab der VKI bekannt, dass die Klage gegen Volkswagen ausgeweitet werde.

Betroffene müssten Forderungen durchsetzen

„Autofahrer wurden von Volkswagen lange genug hingehalten. Jetzt reicht’s“, sagte vzbv-Chef Müller. Gewinnen die Verbraucherzentralen den Musterprozess, müssen die Betroffenen die Höhe des Schadenersatzes selbst durchsetzen und dafür womöglich noch einmal vor Gericht. Die deutsche Verbraucherministerin Katarina Barley (SPD) hält es jedoch für möglich, dass VW in diesem Fall zu Entschädigungen bereit sei.

Wenn geklärt sei, dass es einen Anspruch auf Schadenersatz gebe, werde sich das beklagte Unternehmen „sehr gut überlegen, ob es sich überhaupt noch von jedem einzelnen Geschädigten verklagen lässt oder ob es nunmehr schnell, einfach und fair entschädigt“, sagte sie.