Filmstill aus " Bohemian Rhapsody" zeigt den Sänger der Band Queen
centfox
„Bohemian Rhapsody“

Wie aus Farrokh Freddie Mercury wurde

Dem großen Musikgenie Freddie Mercury ist jetzt eine Filmbiografie im Kino gewidmet: „Bohemian Rhapsody“ hat eine wechselvolle Produktionsgeschichte hinter sich – und das ist dem Film deutlich anzumerken.

Exakt 43 Jahre nach dem Release des weltweiten Hits „Bohemian Rhapsody“ im Jahr 1975, damals von medialem Hohn begleitet, kommt der gleichnamige Film ins Kino: Das Biopic „Bohemian Rhapsody“ zeichnet das Leben jenes Mannes nach, der als Farrokh Bulsara auf die Welt kam und als Freddie Mercury an der Spitze seiner Band Queen ebendiese eroberte.

Rahmen des Films ist das Live-Aid-Konzert im Jahr 1985, zu dem Bob Geldof die Popkulturgrößen der Zeit gerufen hatte. Mercury hatte zu diesem Zeitpunkt gerade sein Soloalbum „Mr. Bad Guy“ veröffentlicht, der legendäre 20-minütige Auftritt bei Live Aid gilt als einer der Höhepunkte in der Bandgeschichte von Queen. Danach steigt der Film ein mit einem jungen Farrokh, der bei einem Konzert als Zuschauer seine späteren Bandmitglieder kennenlernt.

Schon da ist im Film der junge Mann, der sich später Freddie Mercury nennen wird, so selbstbewusst und flamboyant wie das Bühnenviech, zu dem er werden sollte, und bereits hier ist seine komplizierte Sexualität Thema wenigstens eines Nebensatzes. Doch weiter in die Tiefe geht es kaum: Etwa die ersten zwei Drittel des Films handeln in konventionellen Bildern Gründungsjahre und erste Erfolge von Queen ab, mit Freddies familiärer Herkunft als kurzem Nebenschauplatz. Jeglicher popkulturelle Kontext fehlt.

Ein Bühnenleben als Familienfilm

Trotzdem, die Musik: Die völlige Begeisterung für diese Band und ihre Dramatik macht den Reiz dieses Films aus, der die Songs zulässt, ohne sie groß zu erklären, weder was den kreativen Prozess betrifft noch die Wurzeln dieser Musik. Das erlaubt entspanntes Zurücklehnen, ist aber nicht im Mindesten herausfordernd – und lässt den Wunsch aufkommen, einfach einen ordentlichen Konzertfilm zu sehen.

Filmstill aus " Bohemian Rhapsody" zeigt den Sänger der Band Queen
centfox
Bühnentier Freddie Mercury (Rami Malek) in seinen tragischen Momenten

Erst im letzten Abschnitt des Films kommt dann so etwas wie Tempo und Tragik auf, doch viele schwierige Momente in der Bandgeschichte und im Leben von Mercury bleiben nur kurz angedeutet – obwohl Mercurys Leben doch so viele Ansatzpunkte für eine dramatische Handlung böte. Nichts wird ordentlich erzählt, sein Privatleben nur mit großen Auslassungen gestreift – vielleicht aus Respekt, vielleicht aber auch, um eine „saubere“, damit verfälschte Version zu zeigen, und Freddie Mercurys Leben familienfilmtauglich zu machen.

Was hätte sein können

Ein Film über eine Popkulturikone hat einigen Erwartungen gerecht zu werden und muss abhandeln, was die Fans bewegt: Bekannte Auftritte, vielleicht Skandale, ein wenig Privatleben, und die Bedeutung der Figur für das Publikum – was da wie vorkommt, kann ganz unterschiedlich gewichtet sein. Doch „Bohemian Rhapsody“ hat ein fundamentales Problem: Was genau der Film erzählen will, erschließt sich nicht, er bleibt merkwürdig episodisch, ohne dass die Episoden eine Form fänden.

All diese Probleme sind wohl der langwierigen Geschichte des Projekts geschuldet. Ursprünglich sollte „The Queen“-Autor Peter Morgan das Drehbuch schreiben, David Fincher und Tom Hooper waren für die Regie angedacht, und der britische Komiker Sacha Baron Cohen, bekannt für „Ali G“ und „Borat“, hätte Mercury dargestellt. Doch der Mut hat die Produzenten verlassen. Nun spielt „Mr. Robot“-Star Rami Malek den Queen-Frontman, als Regisseur engagierte man Bryan Singer, der in den letzten 18 Jahren praktisch nur noch Comicverfilmungen gedreht hat.

Streit um Freddie

Singer allerdings wurde mitten in den Dreharbeiten gefeuert, weil er nach Diskussionen über Übergriffe am Set zu oft einfach weggeblieben war. Es übernahm sein Kollege Dexter Fletcher, Regisseur der verschroben-sympathischen Skispringer-Komödie „Eddie the Eagle“ (2016). Dem fertigen Film ist das Hin-und-Her zwar nicht direkt anzumerken, doch die Richtungslosigkeit der Erzählung, diese völlige künstlerische Unentschlossenheit dürfte diesen Streitereien geschuldet sein.

In manchen Momenten ist „Bohemian Rhapsody“ dann doch hinreißend albern und sympathisch, etwa wenn ausgerechnet der bekennende Queen-Fan Mike Myers in der Rolle eines Plattenbosses den Song „Bohemian Rhapsody“ abzulehnen versucht. 1992 hatte sich Myers für die Anfangsszene des Kultfilms „Wayne’s World“ nämlich genau diesen Song gewünscht, ihn damit bei einem ganz neuen Publikum bekannt gemacht – und Queen damit, ein Jahr nach dem Aids-Tod von Freddie Mercury, wieder in die Charts zurückgeholfen.

Die Fähigkeit, immer wieder neue Publikumsgenerationen zu begeistern, war eine der Qualitäten der Musik von Queen. Am Ende, wenn der nachinszenierte Auftritt bei Live Aid tatsächlich auf der Leinwand zu sehen ist, wird deutlich, was dieser Film hätte sein können – mit etwas mehr Mut und Hingabe.